Experten-Test Renault T 480: Mehrfach nachgelegt
Die Renault T-Baureihe hat in ihrer noch jungen, gerade mal rund fünf Jahre währenden Geschichte bereits einige Überarbeitungen erfahren. Wichtige Eckpfeiler bilden Common-Rail- statt Pumpe-Düse-Motoren und ein vorausschauender Tempomat. Den aktuellen Stand der Dinge präsentiert Renault in Form eines T 480 High Sleeper. Dabei steht die 480 für die mittlere von drei Varianten des 12,8-Liter-Motors DTI 13, die Alternativen lauten 440 und 520 PS.
Gegenüber der tiefer montierter Sleeper Cab weist der High Sleeper vier statt drei Einstiegsstufe auf, dafür aber auch einen topfebenen Kabinenboden. Geboten sind damit über zwei Meter Stehhöhe und zwei grundsätzliche Ausstattungslinien: Die Alleinfahrer-Version Maxispace mit großem Klapptisch und Schrankmodul an der Rückwand, oder, wie im Testwagen, die eher konventionelle Variante mit zwei Liegen. So oder so sind Verarbeitung und Ausstattung gelungen, unter anderem mit großem Kühlschrank, dimmbarer LED-Innenbeleuchtung, Kabelfernbedienung am Bett und Vorhängen mit isolierender Beschichtung. Optional gibt es noch einen drehbaren Beifahrersitz dazu.
Typisch Renault ist am Arbeitsplatz so manches eigenwillig gelöst, aber nach kurzer Gewöhnung keineswegs unangenehm. So zum Beispiel die rein digitale Geschwindigkeitsanzeige oder der von der Lenkradschaltung losgelöste Motorbremshebel. Jener lässt sich lässig mit einem Finger bedienen, ohne versehentlich ins Schaltgeschehen einzugreifen. Die Reihenfolge am dreistufigen Hebel (ohne Retarder): Halbe/volle Bremsleistung und Runterschalten. Auch die Tempomateinstellung mit zwei Tasten unterm Lenkrad erschließt sich nicht sofort, geht aber ebenso schnell in Fleisch und Blut über wie die praktische Speicherung zweier Geschwindigkeiten auf den linken Lenkradtasten „S1“ und „S2“, zum Beispiel für Autobahn und Landstraße.
Speziell nach schräg rechts ist die Sicht an A-Säule und Spiegel vorbei ziemlich beschränkt und vorn engt das relativ hoch gezogene Armaturenbrett das Blickfeld im Nahbereich ein. Aber, was viele Fahrer im Gegenzug schätzen dürften: Obendrauf gibt es ganz klassisch noch eine große offene Ablage. Clevere Details finden sich auch in Form versetzbarer Schaltereinheiten, kleinen Blende zur A-Säule hin, um die Lücke zum elektrischen Sonnenrolle zu schließen, einer elektrischen Parkbremse oder eines durch die Klimaanlage mitgekühlten Handschuhfachs. Sitz- und Lenkradverstellung dürften aber gerne etwas größer sein. Die doppelte Lenksäulenverstellung sieht der Volvo-Konzernbaukasten jedoch nur für die „Hausmarke“ vor, ebenso eine vollintegrierte Standklimaanlage. Am getesteten T High Sleeper ist daher eine Splitanlage von Waeco installiert, mit Verdampfer auf der Dachluke und Kompressor an der Kabinenrückwand.
Dafür, dass auch im Hochsommer nicht so schnell der Saft ausgeht, sorgt nun auch beim Renault das neue Dual-Batterie-System von Volvo. Herzstück bilden je zwei „Wohn-“ und zwei Starterbatterien als getrennte Speichersysteme. Schlussendlich dürfte sich die üppige Ausstattung nicht nur auf ein hübsches Sümmchen belaufen, auch auf der Waage rasseln die Pfunde: Ohne Fahrer und ohne Reserverad bringt es der T 480 auf satte 8.130 Kilogramm. Enthalten ist zwar ein voller 750-Liter-Dieseltank, aber selbst runtergerechnet auf testübliche 400 Liter dürfte der große Fernverkehrs-Renault gut und gerne vier bis fünf Zentner abspecken.
Dabei haben die Franzosen sogar auf den rund 105 Kilogramm schweren Voith-Retarder verzichtet, was aus heimischer Sicht verständlich erscheint: In Frankreich liegt die Ausrüstungsquote ohnehin nur bei etwa 30 Prozent. Wobei man dazusagen muss, dass bereits mit der Kompressionsbremse des 12,8-Liter-Common-Rail-Motors respektable 520 Brems-PS bei noch moderaten 2.300 Umdrehungen zur Verfügung stehen. Entsprechend halten sich auf der Testfahrt die Beibremsungen in engen Grenzen, die „Optibrake+“ geht kraftvoll und auch verhältnismäßig leise ans Werk
Ebenso tadellos verrichtet das automatisierte Optidriver-Getriebe seinen Job, wobei im Testwagen die Software „Fuel Eco“ aufgespielt ist. Damit sind Power-Modus und Kickdown deaktiviert, manuelle Eingriffe aber jederzeit möglich. Nach einem solchen bleibt das System temporär in Manuell, bis entweder das Gaspedal gelupft, der Tempomat eingeschaltet oder der Schalthebel nach oben gezogen wird. Zum Spritspar-Paket gehören ferner ein variable Lenkpumpe, ein auskuppelbarer Luftpresser, ein elektronisch gesteuerter Lüfter und eine automatische Motorabschaltung nach fünf Minuten im Leerlauf.
Der „Optivision“-Tempomat kann ebenfalls überzeugen, zieht mit 85 km/h Setzgeschwindigkeit und 3 km/h Unterschwinger treffsicher mit 82 km/h über die Kuppen und gast vor Steigungen in den richtigen Momenten an. Eine Schwäche zeigt sich auf der steilen Landstraßen-Handlingstrecke, wo die Automatik mit einem Gangpendeln zwischen dem 9. und 8. Gang offenbar im Dunkeln tappt. Zwar absolvierten zuvor bereits einige FH und auch ein T diesen Parcours, aber offenbar sind die Informationen im kollektiven Gedächtnis in Vergessenheit geraten. Denn das bleibt nach wie vor eine Eigenheit des Volvo/Renault-Systems: Optivision stützt sich nicht auf hinterlegte Karten mit Höhenprofilen, sondern auf die Aufzeichnung früherer Fahrten auf derselben Strecke in einer Cloud-Datenbank.
Der Freilauf „Optiroll“ ist mit und ohne Tempomat auch bei niedrigen Geschwindigkeiten aktiv – letzteres nicht der Weisheit letzter Schluss, eine Beschränkung auf über 60 km/h wäre praxisgerechter. Auf hügeliger Autobahn kommt das System aber angenehm sparsam und unauffällig zum Einsatz: Es werden keine Rollphasen durch Gasstöße „künstlich“ erzeugt und das Aus- und Einkuppeln spürt man kaum. In der zweiten von drei Ecostufen, mit den erwähnten 3 km/h Unter- und 5 km/h Überschwinger, leidet zudem das Tempo kaum: Trotz langer Achse (2,47 zu Eins) geht es zügig voran. Langes Ziehenlassen ist nur im zwölften Gang angesagt, alle weiteren Abwärtsschaltungen sind auf Tempo ausgelegt.
Das sänftenartig weiche, aber dennoch wankstabile Fahrverhalten ist der Vollluftfederung geschuldet, mit Luftfederung an beiden Achsen und Vier-Punkt-luftgefederter Kabine im wahrsten Wortsinn. Spurtreue – nicht zuletzt dank 3,80 Meter Radstand –, Handling und Lenkung sind völlig okay, ein System wie das Volvo Dynamic Steering vermisst man nicht. Einzig die leicht flatternden Hauptspiegel trüben den Fahrkomfort etwas. Speziell beim Testwagen addiert sich noch ein stattlicher Verbrauch hinzu: Die überdurchschnittlichen 36,9 Liter sind allemal verbesserungsfähig – auch hier darf Renault also gerne noch nachlegen.
Messwerte und Daten | |
Dieselverbrauch | l/100 km |
Gesamte Strecke: | 36,9 |
Schwere Teilstücke: | 41,8 |
Leichte Teilstücke: | 32,0 |
Volllast (5 % Steigung): | k.A. (Baustelle) |
Teillast (bei 85 km/h): | 23,5 |
Geschwindigkeit | km/h |
Gesamte Strecke: | 82,8 |
Schwere Teilstücke: | 81,5 |
Leichte Teilstücke: | 84,1 |
Volllast (5 % Steigung): | k.A. (Baustelle) |
AdBlue (l/100 km): | vom Diesel) |
steigungsbedingte Schaltungen: | 21 |
Innengeräusch Ebene (85 km/h): | 64,5 dB(A) |
Innengeräusch max. (Steigung): | 66,0 dB(A) |
Fahrgestell/Gewicht | |
Bereifung vorn/hinten: | 385/55 R 22,5 / 315/70 R 22,5 |
Reserverad j/n: | n |
Tankgröße Diesel: | 750 Liter |
Tankgroße AdBlue: | 60 Liter |
Federung: | Vollluft (hinten Zwei-Balg-Luft) |
Rahmenstärke: | k.A. |
Radstand: | 3.800 mm |
Retarder j/n: | n |
Leergewicht vollgetankt, mit Fahrer: | 8.205 kg |
Testgewicht: | 40.000 kg |
Motor | |
Reihensechszylinder (Renault DTI 13) mit Turboaufladung und Ladeluftkühlung, einteiliger Zylinderkopf, vier Ventile pro Zylinder, Common-Rail-Einspritzung | |
Abgasnorm: | Euro 6 |
SCR j/n: | j |
AGR j/n: | j |
Bohrung: | 131 mm |
Hub: | 158 mm |
Hubraum: | 12.777 ccm |
Leistung: | 353 kW (480 PS) bei 1.404 bis 1.800/min |
Max. Drehmoment: | 2.400 Nm bei 930 bis 1.404/min |
Motorbremse: | 382 kW bei 2.300/min |
Getriebe/Achse | |
Optidriver AT 2412 F (Volvo I-Shift); automatisiertes Zwölfgang-Getriebe, Direktgangausführung | |
Übersetzung HA: | 2,47 |
U/min bei 85 km/h (größter Gang): | 1.134 |
Fahrerhaus | |
Renault T High Sleeper Cab, Vier-Punkt-Luftfederung | |
Außenbreite/-länge: | 2.350-2.464/2.309 mm |
Einstiegsstufen: | 4 |
Einstiegshöhe: | 1.660 mm |
Scheibe/Rückwand: | 2.050 mm |
Innenhöhe vor Sitz: | 2.050 mm |



