Renault T 480 Sleeper Cab

Experten-Test Renault T 480: Ganz neue Argumente

von | 1. August 2020

Wohlwollend ausgedrückt, bietet sich Renault Trucks auf dem deutschen Markt noch ein großes Potential. Nach den jüngsten Modellpflegemaßnahmen soll nun insbesondere die aufgewertete T-Baureihe neue Käuferschichten erschließen.
Foto: LZ Media

Mit großem 13-Liter-Motor und Voith-Retarder ist der T 480 trotz kleiner Sleeper Cab kein Leichtbau.

Knapp 700 Renault Trucks der T-Serie wurden im Jahr 2019 in Deutschland neu zugelassen. Im Vergleich zu über 5.100 Volvo FH gibt es für die zweite schwedische Konzernmarke offenbar deutlich Luft nach oben. Als Altlast schleppt der T sicher noch mit, dass die Franzosen oder vielmehr die Verantwortlichen der AB Volvo beim harten Modellwechsel vom Premium und Magnum hin zum T mit Lieferschwierigkeiten zu kämpfen hatten – und so einen Teil der Kundschaft nachhaltig verprellten. Am ausgereiften Produkt, mittlerweile im siebten Serienjahr, sollte die Kaufzurückhaltung jedenfalls nicht mehr begründet liegen.

Gleichsam zum Beweis stellt Renault Trucks Deutschland einen T 480 für die Testrunde bereit, Kategorie Flottenstandard: mit tief montierter Sleeper Cab (im Gegensatz zum Topmodell T High Sleeper mit drei statt vier Einstiegsstufen, dafür mit Motortunnel) und dem Reihensechszylinder DTi13 mit „mittleren“ 480 PS (alternativ zu 440 oder 520 PS). Wo die Wurzeln liegen, macht zusätzlich die Lackierung klar: Das kräftige Rot heißt bei Renault salopp „Dentressangle“, benannt nach dem ehemaligen französischen Großspediteur.

Foto: Renault Trucks

Den einzigen echten Schwachpunkt im Cockpit bildet die magere Lenkradverstellung mit überdies ziemlich störrischer Mechanik.

Im Gegensatz zum T High oder dem Konzernbruder FH ist der T Sleeper auch mit dem knapp drei Zentner leichteren 10,8-Liter-Motor DTI 11 zu bekommen. Aufgerufen sind dann 380, 430 oder 460 PS. Mit dem DTI 13 qualifiziert sich das Testfahrzeug also nicht als allererste Leichtbau-Wahl, dennoch zieht Renault fast alle Register: Luftkessel, Felgen und Halter für die Aufliegeranschlüsse aus Alu, Einblattfedern vorne und ein relativ leichter Rahmen mit 6,5 Millimeter Stärke. In der Summe gibt das einen respektablen, aber auch nicht überragenden Wert: Mit 810 Liter Diesel (zweimal 405 Liter), 64 Liter AdBlue und Fahrer ergeben sich 7.900 Kilogramm, das ist inklusive Voith-Retarder in dieser Fahrerhaus- und Hubraumklasse normaler Durchschnitt.

In der Frage verbrauchsreduzierender Maßnahmen tischt Renault ebenfalls das volle Programm auf. Kernpunkte des „Optifuel“-Pakets bilden Dach- und Seitenspoiler, strömungsgünstige Türverlängerungen, ein auskuppelbarer Luftpresser, eine Lenkpumpe mit variablem Durchsatz und eine automatische Motorabschaltung nach einiger Zeit im Leerlauf (standardmäßig fünf Minuten mit 90 Sekunden Vorwarnzeit, beide Werte lassen sich in der Werkstatt ändern). Außen rundum positiv: Der Dachspoiler lässt sich über ein Gestänge verstellen, beide Sideflaps klappen zur Seite, die Seitenverkleidungen sind schnell entriegelt und vorn gerät der Aufstieg mit breiten Klappstufen zur leichten Übung.

Renault schon früh mit digitalem Tacho

Überarbeiten sollte Renault aber die Spiegel: Durch die Montage eng an der A-Säule ist die Sicht nach schräg vorn vor allem rechts stark eingeschränkt. Speziell in diesem Sichtfeld hilft dann auch der nachrüstbare Abbiegeassistent, mit dem der T 480 ausgestattet ist, nur wenig. Was die Sicht bei Nacht betrifft, markieren weiter Xenon-Scheinwerfer das Maximum. LED bleiben vorerst auf Tagfahrlicht, Blinker und Rückleuchten beschränkt.

Die Instrumente prägt eine rein digitale Geschwindigkeitsanzeige, womit Renault schon vor vielen Jahren vorausmarschierte. Erstaunlicherweise gewöhnt man sich daran schneller als an den kleinen runden Drehzahlmesser, dessen klobiger Zeiger einen kompletten Bereich von 100 Umdrehungen überdeckt. Hier würde man sich aus der eigenen Fahrroutine heraus ein detaillierteres Instrument mit feinerer Nadel wünschen. Wobei man andererseits anerkennen muss, dass es mit dem GPS-angebundenen Optidriver-Getriebe (alias Volvo I-Shift) in Sachen Schaltstrategie kaum noch etwas zu tun gibt. Das System arbeitet jetzt auch mit hinterlegten Karten (anfangs nur mit einer Cloudanbindung an eine Streckendatenbank) und gibt sich damit weder auf der Autobahn noch auf der Landstraße irgendeine Blöße.

Foto: LZ Media

Der digitale Tacho liegt gut im Blick, aber der Drehzahlmesser dürfte größer sein.

Bei der Steuerung des Optidriver-Getriebes beweist Renault insgesamt ein geschicktes Händchen. Das fängt schon damit an, dass man sich in allen Fahrprogrammen grundsätzlich für oder gegen den Freilauf („Optiroll“) entscheiden kann: Im Auswahlmenü lässt sich einfach ein entsprechendes Häkchen setzen. Dazu ist die Bedienung am Lenksäulenhebel einfach gehalten und die Schaltungen selbst sind wie vom Volvo-Getriebe gewohnt sanft und schnell. Etwas gewöhnungsbedürftig ist die zweigeteilte Menüführung mit Dreh-/Drückrädchen unterm Lenkrad und weiteren Tasten obendrauf, sehr praktisch sind dagegen die Schnellwahltasten S1 und S2 für zwei Setzgeschwindigkeiten.

In der ersten von drei wählbaren Eco-Stufen unterwegs, ist die Strategie mit Unter- und Überschwingern von minus sechs und plus fünf km/h auf maximales Spritsparen ausgelegt. Wie inzwischen bei fast allen Wettbewerbern ist dem System auch ein Zusatzschwung im Auslauf von Gefällen eingeimpft, in besagtem Eco-Level 1 sind das weitere drei km/h. Beibremsungen kann man sich auf freier Strecke größtenteils sparen, mit der verstärkten Motorbremse plus Voith-Retarder ist Bremsleistung satt geboten. Wünschenswert wäre noch eine feinere Tempomatjustierung in 0,5-km/h-Schritten wie etwa im Actros, ansonsten ist die Abstimmung von Getriebe- und Tempomatsteuerung wirklich gelungen.

Innengeräusche, Gewicht und Dieselverbrauch: Alles im üblichen Rahmen

Trotz langer Achse (2,31 zu eins) hält sich auch die Zahl der steigungsbedingten Schaltungen in Grenzen. Das liegt zum einen am drehmomentstarken Motor (900 Umdrehungen auf den letzten Steigungsmetern sind kein Problem), zum anderen an einer pragmatischen Eigenschaft der Getriebesteuerung: Folgt auf ein Gefälle sofort wieder eine Steigung und die Optiroll-Phase wäre entsprechend kurz, bleibt der bergab eingelegte elfte Gang häufig drin.

Bei nur rund 1.060 Umdrehungen brummt der DTI 13 auf flacher Autobahn lauter in die Kabine als zuvor in kürzer übersetzten T, im Wettbewerbsumfeld liegt die Geräuschkulisse aber immer noch günstig. Mehr Zugeständnisse sind mit den Einblattfedern zu machen, die teils kräftige Stöße austeilen. Spurtreue und Handling sind aber okay, ebenso das Wankverhalten im tief montierten, auf vier Luftfederbälgen gelagerten Haus. In der Endauswertung stehen 82,0 km/h und 34,0 Liter Diesel zu Buche, was sich nahtlos an das Kapitel Leergewicht anschließt: nicht überragend, aber im normalen Rahmen. Erst recht gilt das mit Blick auf vorausgegangene Testwagen der Franzosen, die als vollluftgefederte und schwergewichtige T 480 High und T 440 Sleeper mit 36,9 beziehungsweise 35,6 Liter in Euro 6C-Version noch deutlich schlechter abgeschnitten hatten.

Foto: Renault Trucks

Trotz Motortunnel ist der Beifahrersitz auch in der Sleeper Cab drehbar zu bekommen. Das Schlafabteil ist inklusive Leiter zur oberen Liege gut gemacht.

Der konkrete Anteil des Euro 6D-Motors am niedrigeren Verbrauch lässt sich nicht im Detail bestimmen, Renault Trucks selbst spricht von rund drei Prozent. Neben einigen neuen Dekor- und Ausstattungsoptionen betreffen die zu den Modelljahren 2019 und 2020 eingeleiteten Maßnahmen vor allem ein überarbeitetes Abgasreinigungssystem (neuer AdBlue-Sensor, modifizierte Einspritzung in den Abgasstrang) und die zuvor erwähnten Kartendaten für den „Optivision“- Tempomat. Kein Kraut ist allerdings gegen den hohen AdBlue-Verbrauch gewachsen, der in der Motoren-Bauart mit ungekühlter Abgasrückführung begründet ist. Ähnlich wie bei kompletten SCR-only-Motoren werden auf 100 Liter Diesel somit rund 8 Liter AdBlue fällig.

Bleibt als Fazit: Das Zeug, „markenneutrale“ Kunden anzusprechen, hat der T des Jahrgangs 2020 auf jeden Fall. Zumal man den Spruch von der „Volvo-Technik zum Renault-Preis“ inzwischen von so manchem scharf kalkulierenden Unternehmer zu hören bekommt. Ob sich das mittelfristig auch in steigenden Zulassungszahlen ausdrückt, wird sich zeigen.

Messwerte und Daten
Dieselverbrauch l/100 km
Gesamte Strecke: 34,0
Schwere Teilstücke: 38,9
Leichte Teilstücke: 29,1
Volllast (5 % Steigung): 96,8
Teillast (bei 85 km/h): k.A. (Baustelle)
Geschwindigkeit km/h
Gesamte Strecke: 82,0
Schwere Teilstücke: 80,5
Leichte Teilstücke: 83,7
Volllast (5 % Steigung): 64,5
AdBlue (l/100 km): 2,75 (8,08 % vom Diesel)
steigungsbedingte Schaltungen: 25
Innengeräusch Ebene (85 km/h): 64,5 dB(A)
Innengeräusch max. (Steigung): 65,5 dB(A)
Fahrgestell/Gewicht
Bereifung vorn/hinten: 385/55 R 22,5 / 315/70 R 22,5
Reserverad j/n: n
Tankgröße Diesel: 405+405 Liter
Tankgroße AdBlue: 64 Liter
Federung: Ein-Blatt-Parabel/Zwei-Balg-Luft
Rahmenstärke: 6,5 mm
Radstand: 3.700 mm
Retarder j/n: j
Leergewicht vollgetankt, mit Fahrer: 7.900 kg
Testgewicht: 39.360 kg
Motor
Reihensechszylinder (Renault DTI 13) mit Turboaufladung und Ladeluftkühlung, einteiliger Zylinderkopf, vier Ventile pro Zylinder, Common-Rail-Einspritzung
Abgasnorm: Euro 6d
SCR j/n: j
AGR j/n: j
Bohrung: 131 mm
Hub: 158 mm
Hubraum: 12.777 ccm
Leistung: 353 kW (480 PS) bei 1.400 bis 1.800/min
Max. Drehmoment: 2.400 Nm bei 950 bis 1.400/min
Motorbremse: 382 kW bei 2.300/min
Getriebe/Achse
Optidriver AT 2612 F (Volvo I-Shift); automatisiertes Zwölfgang-Getriebe, Direktgangausführung
Übersetzung HA: 2,31
U/min bei 85 km/h (größter Gang): 1.060
Fahrerhaus
Renault T Sleeper Cab, Vier-Punkt-Luftfederung
Außenbreite/-länge: 2.350-2.464/2.309 mm
Einstiegsstufen: 3
Einstiegshöhe: 1.390 mm
Scheibe/Rückwand: 2.050 mm
Innenhöhe vor Sitz: 2.035 mm
Innenhöhe Mitte: 1.840 mm
Höhe Motortunnel: 200 mm
Liege unten (B x L): 630-780 x 1.950 mm
Liege oben (B x L): 700 x 1.900 mm

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