DAF XF 480 FAN: Werkslösung für BDF-Einsätze
Die Meldung zum Geschäftsjahr 2018 fiel bei DAF einmal mehr ziemlich euphorisch aus: europaweit 16,6 Prozent Marktanteil in der schweren Klasse, Marktführer bei Sattelzugmaschinen und stärkste Importmarke in Deutschland. Der Wermutstropfen steht mehr oder minder deutlich zwischen den Zeilen: Bei Fahrgestellen hinken die Niederländer auf vielen Märkten noch immer hinterher. Kein Wunder also, dass DAF mit der Vorstellung der neuen CF und XF anno 2017 auch vermehrt Fahrgestelle und Komplettfahrzeuge ins Visier nahm.
Eine dieser Branchenlösungen stellte DAF Trucks Deutschland zur Testfahrt bereit: Einen BDF-„Multiwechsler“ mit Saxas-Aufbau auf einem nachlaufgelenkten XF 480 FAN, wie er komplett ab Montageband geordert werden kann. Dabei bezieht sich „Multiwechsler“ nicht nur auf den höhenverstellbaren Rahmen für die Größen C715 bis C782 und Abstellhöhen von 1.120 bis 1.320 Millimeter: Um den für lange Brücken fälligen Zentralachser anhängen zu können, ist zusätzlich ein Tiefkuppelbock angebaut. Für den schnellen Einsatz lässt sich der Unterfahrschutz hochklappen und der Bolzen der Unterflurkupplung von der Seite aus pneumatisch entriegeln (mit Kontrollleuchte im Fahrerhaus für die Verriegelung).
Als weitere Arbeitserleichterung betont DAF die ECAS 5-Luftfederung mit +190/-90 Millimeter Hub aus Fahrstellung heraus und flexibler Lastverteilung: Bis etwa 11,2 Tonnen wird vorrangig die Antriebsachse belastet, bevor die Nachlaufachse beaufschlagt wird. Grundsätzlich bietet DAF die Werks-BDF mit 4.600 Millimeter Radstand und alternativ zur FAN-Version auch mit starrer Nachlaufachse an (FAR). Beide Achsen hat DAF in den vergangenen zwei Jahren in neuer, gewichtsoptimierter Version eingeführt. Charakteristisch sind zudem eine kompakte Abgaseinheit, um Platz für bis zu 1.000 Liter große Dieseltanks zu schaffen, sowie vier zusätzliche Druckluftkessel à 36 Liter.
Der am Testwagen angebaute 730-Liter-Tank geht auf der schweren Messstrecke mit durchschnittlich 32,3 Litern pro 100 Kilometern zur Neige geht. Dabei absolvierte der Hängerzug die Testfahrt mit knapp 33 Tonnen, was beispielsweise im Paketdienst eine typische Ausladung darstellt. Die Einordnung des Verbrauchs fällt mangels direkter Vergleichsmöglichkeiten zwar schwer, deckt sich aber mit den sonstigen Erfahrungswerten. Gegenüber einem XF 480 Sattelzug, der mit voller Ausladung auf einen Durchschnittsverbrauch von 33,4 Litern kam, erscheinen die 32,3 Liter des teilbeladenen XF 480 BDF jedenfalls plausibel: Dank sieben Tonnen Mindergewicht mit einem deutlichen Verbrauchvorteil am Berg, in der Ebene dagegen mit einem leichten, in der schlechteren Aerodynamik des Gliederzugs begründeten Nachteil.
Erwartbar niedrig liegt der AdBlue-Verbrauch: Anteilig 4,3 Prozent vom Diesel sind in der Kombination von SCR und gekühlter Abgasrückführung ein gängiger Wert. Die Zahl der steigungsbedingten Schaltungen liegt mit 33 dagegen ungewöhnlich hoch. Selbst mit 40 Tonnen sind für 480er eher 20 bis 30 die Regel. Zwei Dinge sind es, die den Wert in die Höhe schnellen lassen. Da wäre zum einen die ellenlange Achsübersetzung von 2,21 zu Eins, die auch bei Teilbeladung kaum Drehzahlreserven am Berg lässt – und das trotz „Multi Torque“-Funktion, die dem 12,9 Liter großen Sechszylinder im direkt übersetzten zwölften Gang bis zu 2.500 statt durchgängig 2.350 Nm Drehmoment beschert. Legt man zum anderen Wert auf zügiges Tempo, sollte man vor langen Steigungen den zögerlichen „Eco Performance“-Modus auch mal kurzzeitig deaktivieren (per Knopfdruck an der Spitze des Lenksäulenhebels). Der anschließende „Off“-Modus würde anderswo locker als Power-Funktion durchgehen, vom Zurückschalten und Ausdrehen der Gänge her wird am Berg nicht mehr lange gefackelt und es sind auch manuelle Schaltungen möglich.
Ein Kickdown ist allerdings nicht vorhanden, ebenso wenig geht es mit zusätzlichen Schwungspitzen oder Angasen in Steigungen hinein. Für die Über- und Unterschwinger (im Test +5/-6 bei 85 km/h) ist aber eine große Bandbreite mit stufenlosen Einstellmöglichkeiten mit bis zu +15 beziehungsweise -10 km/h geboten. Der zugehörige Freilauf ist nur mit Tempomat aktiv, was vielen Fahrern gefallen dürfte. In langen Autobahnbaustellen oder auf der Landstraße vermisst man das spritsparende Rollen dann aber doch. Besser wäre es, Ecoroll auch ohne Tempomat freizugeben, allerdings erst ab „außerstädtischen“ Geschwindigkeiten von 55 oder 60 km/h. Weiterhin typisch DAF: Der Intarder liegt nicht mit auf dem Bremspedal und schaltet beim Tritt auf´s Gas auch nicht automatisch ab.
In der Super Space Cab stellt sich im vollluftgefederten BDF-Zug zwar insgesamt ein hoher Fahrkomfort mit niedrigen Innengeräuschen ein, auf ausgefahrener Landstraße mit tiefen Spurrillen ist die weiche Gesamtabstimmung aber dann doch etwas zuviel des Guten: Die ebenfalls luftgefederte Kabine gerät mitunter arg ins Wanken. Dass DAF beim Thema Großraumfahrerhaus traditionell auf ein höheres Dach als bei den Flottenvarianten setzt (anstatt die Kabine à la Scania S oder T High höher zu montieren), dürfte Wechselbrückenfahrern entgegenkommen: Geht doch das Ein- und Aussteigen weiterhin über nur drei Stufen vonstatten.
Auch sonst gibt es im großen Haus kaum Grund zur Klage: Zwar ist die Rohkarosserie in die Jahre gekommen – insbesondere mit den kleinen Luken der Außenstaufächer –, mit der Inneneinrichtung beweist DAF aber nach wie vor ein Händchen für schnörkellose und praxisgerechte Lösungen. Beispielsweise mit intuitiv bedienbaren Instrumenten, leicht ablesbaren Anzeigen, der „Nightlock“-Türverriegelung und generell im Schlafabteil: Am Zugmechanismus für die obere Koje dient der Griff auch als Handtuchhalter, die eingefaltete Klappleiter lässt sich zur Seite schieben, um auf dem unteren Bett ungestört sitzen zu können, und im Armaturenträger gegenüber hat der beim XF schon traditionelle Ausziehtisch seinen Platz.
Unterm Bett siedeln zwei geräumige Rollboxen, optional mit 40-Liter-Kühlschrank bestückt, und die Staufächer über der Scheibe bieten dank steiler Stirn ein üppiges Fassungsvermögen von rund 260 Liter. Apropos steile Stirn: Die äußere Sonnenblende gehört bei DAF auch in Zeiten ausgefeilter Aerodynamik zum guten Ton, wobei sich das Teil bei der 2017er Generation noch harmonischer als zuvor ins Gesamtbild einfügt. So ganz nebenbei demonstriert DAF am Wechselbrückenzug noch den Stand der Dinge hinsichtlich Kameratechnik. Zum Kamera- und Sensorgestützten Abbiegeassistenten von Brigade sind zusätzlich noch Rückfahrkameras und eine weitere auf dem Fahrgestell montiert, die die Einweisrollen anvisiert. Wie auch bei vorherigen Testwagen hinterlässt das Brigade-System einen guten Eindruck, zumal das beschichtete Kameraauge auch in strömendem Regen noch ein passables Bild liefert. Ein kleines, aber feines Detail, mit dem der „Werks-BDF-DAF“ einen insgesamt souveränen Auftritt abrundet.
Technische Daten
MOTOR
Reihensechszylinder (Paccar MX-13 355) mit variablem Turbolader (VTG) und Ladeluftkühlung, einteiliger Zylinderkopf, vier Ventile pro Zylinder, Common-Rail-Einspritzung, „Multitorque“-Drehmomenterhöhung; Euro 6 mit gekühlter AGR, Partikelfilter und SCR
Bohrung/Hub 130/162 mm
Hubraum 12.900 cm3
Verdichtung 18,5 : 1
Nennleistung 355 kW (483 PS) bei 1.600/min
Maximales Drehmoment 2.350 Nm bei 900-1.365/min; 2.500 Nm bei 900-1.125/min im größten Gang (bzw. in den beiden größten Gängen mit Overdrive-Getriebe)
Motorgewicht 1.272 kg
KRAFTÜBERTRAGUNG
Kupplung: automatisierte Einscheiben-Trockenkupplung, 430 mm Durchmesser
Getriebe: ZF Traxon 12 TX 2210 DD, Dreigang-Grundgetriebe mit Range- und Splitgruppe, 12 Gänge, Direktgangausführung, automatische Schaltung; Intarder
Hinterachse: Einfach übersetzte Hypoidachse (SR 1344) mit Differenzialsperre, Übersetzung 2,21 zu 1; entsprechend 1.015/min bei 85 km/h und Bereifung 315/70 R 22,5
FAHRGESTELL/AUFBAU
Vorn gespreizter U-Profil-Leiterrahmen, Vollluftfederung (Antriebsachse Vier-Balg-Luft); TRW-Hydrolenkung, 450 mm Lenkraddurchmesser, 5,25 Umdrehungen von Anschlag zu Anschlag; elektronisch gesteuerte Scheibenbremsen rundum; 730-Liter-Alutank Diesel, 75-Liter-Tank Adblue; Bereifung: Vorderachse 385/55 R 22,5, Antriebs- und Nachlauf-Liftachse 315/70 R 22,5; 4.800/1.720 mm Radstand; BDF-Aufbau Saxas „Multiwechsler“: KTL-beschichteter Stahl-Leichtbaurahmen mit je 4 Twistlocks an 2 Tragauslegern für Brückengrößen C715 bis C782, 100 mm Höhenverstellung, Abstellhöhen 1.120 bis 1.320 mm; zusätzliche Unterflurkupplung für Zentralachsanhänger; Leergewicht Motorwagen (ohne Fahrer): 10.520 kg; Testgewicht mit Anhänger (Krone AZW 18 eL3B9): 32.800 kg
FAHRERHAUS
DAF XF Super Space Cab, Ganzstahl-Fahrerhaus mit Hochdach (inkl. Skylights) und zwei Liegen, Vier-Punkt-Luftfederung, Aero-Paket und Sonnenblende außen, LED-Scheinwerfer und -Rückleuchten, Kurven- und Abbiegelicht, Brigade-Abbiegeassistent in Verbindung mit Seiten- und Rückfahrkamera, Luxus-Lautsprechersystem, Klimaautomatik, Standheizung mit Restwärmepumpe, Lederlenkrad mit Airbag, Night Lock-Türverriegelung, Fahrersitz „Super Air“, Kühlbox unter Liege
Außenbreite/-länge 2.490/2.250 mm
Vorderer Überhang 1.370 mm
Höhe Stufen 400/350/370 mm
Gesamthöhe Einstieg 1.480 mm
Frontscheibe/Rückwand 2.050 mm
Innenhöhe vor Sitz/auf Motortunnel 2.240/2.100 mm
Motortunnel (H x B) 150 x 1.000 mm
Liege unten (B x L) 700-800 x 2.210 mm
Liege oben (B x L) 700 x 2.000 mm
