Scania S 730 Highline

Experten-Test Scania S 730: Ganz klar Chefsache

von | 1. April 2017

PS und 3.500 Nm Drehmoment markieren bei Scania nach wie vor das Ende der Fahnenstange. Doch die „Verpackung“ ist völlig neu: Das Maximum heißt nicht mehr R Topline, sondern S Highline.
Foto: Scania

Während die „schwächeren“ Scania-V8 schon der Parole SCR-only folgen, arbeitet der 730er noch mit Abgasrückführung.

Allmählich nähert sich die Runderneuerung bei Scania ihrem Abschluss. Auf die Vorstellung der neuen R- und S-Fahrerhäuser im August 2016 folgten 2017 die neuen G- und P-Varianten sowie die Baustellen-Serie XT. Kräftig überarbeitet wurden auch die Motoren: Die Schweden sind auf Turbolader mit fester Turbinengeometrie und „SCR only“-Technik umgeschwenkt, also reine Abgasnachbehandlung ohne Abgasrückführung. Doch halt, so ganz stimmt das nicht: Der mit 730 PS stärkste V8, im Test als S730 mit Highline-Fahrerhaus am Start, präsentiert sich (noch) weitgehend unverändert, also mit Abgasrückführung und variablem VGT-Turbolader.

Zu vermerken sind aber einige verbrauchsreduzierende Feinarbeiten, darunter überarbeitete Brennräume, Injektoren und Ladeluftkühler sowie neue Kühlerlüfter mit Direktantrieb. Weitere Maßnahmen, vorgestellt im Sommer 2017 und im Testahrzeug noch nicht vorhanden, betreffen eine gesteuerte Motorölpumpe, ein kompakteres System zur Abgasnachbehandlung und eine Kühlmittelpumpe mit variabler Fördermenge. Weiteres Feintuning betrieben die Schweden beim GPS-gesteuerten Tempomat. So ließen sich im Testfahrzeug die Schwungfenster flexibler und vor allem enger setzen als in der Vergangenheit, um etwa allzu gemächliches „Kuppenrollen“ zu vermeiden – für viele Fahrer zuvor ein echtes Ärgernis. Neu beim Opticruise-Getriebe: Eine Vorgelegewellenbremse ermöglicht spürbar schnellere Hochschaltungen.

Foto: Scania

Instrumente und Armaturen bleiben der klassischen Linie treu, der unten abgeflachte Lenkradkranz lässt aber in der Magengegend mehr Platz.

Mögen Abgasrückführung und VGT-Lader bei Scania auch Auslaufmodelle sein, so hat der 730er den 520 bis 650 PS starken „SCR-only-V8“ damit ein wenig Motorbremsleistung voraus: statt 404 bis zu 435 PS. Angesichts von 16,4 Liter Hubraum ist das freilich ebenfalls nicht die Welt, weshalb der in fünf Stufen abrufbare Scania-Retarder in den allermeisten Fällen eine zwingende Option erscheint. Die neueste Version R4100D ist auskuppelbar, was Schleppverluste vermeidet und somit etwas Sprit spart.

Damit und dem tadellos justierbaren Bremstempomaten ist das Einhalten der individuell gewählten Richtschnur (im Test generell 85 km/h in der Ebene und bis zu 90 km/h bergab) eine denkbar leichte Übung. Alternativ lässt sich bergab die Wunschgeschwindigkeit einfach mit dem Pedal anbremsen und automatisch halten – im Scania nicht neu, aber ein immer wieder gern genommen. Für die nötige Kühlleistung sorgt die Getriebesteuerung mit Schaltungen auf über 1.700 Umdrehungen in längeren Gefällen ebenfalls automatisch.

Was die zuvor erwähnte Richtschnur von 85 km/h anbelangt: Dieses Grundtempo hält der S730 auch locker an den meisten Anstiegen aufrecht. Dabei gesellt sich zur souveränen Kraftentfaltungen und enormen Laufruhe des V8 auch ein akzeptabler Verbrauch: Im Mittel 36,7 Liter Diesel bedeuten zwar rund fünf bis acht Prozent mehr als bei gängigen Reihensechszylindern von rund 440 bis 500 PS, angesichts vom Tempo und den Leistungsreserven bei schwersten Einsätzen liegt der Zuschlag aber in einem vernünftigen Rahmen. Nicht von ungefähr verweist Scania beim starken V8 gern auf die in Schweden und Finnland erlaubten 64 beziehungsweise 76 Tonnen im Lang-Lkw.

Für das größte Scania-Haus steht jetzt der Code CS20H

Das Highline-Fahrerhaus mit dem Code CS20H bedeutet in der neuen Scania-Hierarchie das absolute Maximum: Der vertraute Zusatz „Topline“ ist gestrichen, auch beim neu aufgelegten R. Im Austausch gegen den topfebenen Kabinenboden der beiden S-Häuser (es gibt auch eine Version ohne Hochdach) bietet der R aber bei einem rund 15 Zentimeter hohen Motortunnel einen niedrigeren Einstieg mit nur drei statt vier Stufen – das ist neben der Frage des geforderten Stauraums letztlich auch Geschmacksache. Doch zurück zum S Highline. Hier geht es bei Teil- wie Volllast des V8 sehr leise zu und auch die Sichtverhältnisse können überzeugen. Dazu tragen neben der insgesamt größeren (und beheizbaren) Frontscheibe mehrere Maßnahmen bei. Die neuen Spiegel lassen zum Beispiel bessere Sicht nach schräg vorn und sind sämtlich elektrisch verstellbar, auch der Frontspiegel.

Vorteilhaft für die Rundumsicht ist außerdem, dass Scania die Fahrerposition um 65 Millimeter nach vorn und 20 Millimeter nach außen versetzt hat (wobei große Zeitgenossen jetzt mitunter beklagen, mit dem linken Bein an die Türbrüstung zu stoßen). Gewachsen ist auch der Fußraum rund um die Pedale und der Bewegungsfreiheit zum Feierabend hin kommt zugute, dass der Cockpit-Charakter nun etwas weniger stark ausgeprägt sowie das Lenkrad unten abgeflacht ist. Vorn bleibt es bei Sonnenblenden statt Rollos, doch schließen die in der Mitte jetzt bündig ohne Spalt. Bei Nacht erweist sich dann die dimmbare Innenbeleuchtung als feine Option.

Foto: Scania

In der 730-PS-Version DC16 107 ist der V8 mit einem variablen VGT-Turbolader ausgestattet.

Auch die weiteren Einrichtungsoptionen lassen kaum Wünsche offen. Unter der Liege finden gleich zwei Kühlschränke mit zusammen fast 80 Liter Volumen Platz und das übrige Stauvolumen in der S-Kabine dürfte selbst wochenlangen Touren gerecht werden, zumal mit hinterer Schrankwand statt zweiter Liege. Das untere Bett gibt es ausziehbar bis auf einen Meter Breite, wobei dafür aber die Sitze vor müssen. Das feste, mittig bis zu 80 Zentimeter breite Bett mit Holzlattenrost dürfte den meisten eher zusagen. Keine zwei Meinungen sollte es beim drehbaren Beifahrersitz geben, der ganz einfach mehr Wohnkomfort ins Haus bringt.

Foto: Scania

Wachablösung beim Spitzen-Fahrerhaus: Der R Topline ist Geschichte, der S Highline betritt das Parkett.

Kabine luftgefedert, Vorderachse luftgefedert und Hinterachse sowieso: Statt sportlich-straffer Scania-Federung früherer Tage ist beim Testwagen eher sanftes Gleiten angesagt. Wer jetzt an Seekrankheit denkt, kann beruhigt sein: Trotz hoher Montagelage und fast vier Meter Gesamthöhe neigt sich die Kabine auch auf kurviger Strecke kaum zur Seite. Der minimal gewachsene Radstand der Standardzugmaschine (3.750 statt 3.700 Millimeter) mag noch einen Hauch zur guten Straßenlage und Spurtreue beitragen, Fakt ist jedenfalls: Souveräner und komfortabler als im S730 Highline kann man nicht unterwegs sein. Wie ein echter Chef eben.

Messwerte und Daten
Dieselverbrauch l/100 km
Gesamte Strecke: 36,7
Schwere Teilstücke: 41,6
Leichte Teilstücke: 31,8
Volllast (5 % Steigung): 100,3
Teillast (bei 85 km/h): 23,2
Geschwindigkeit km/h
Gesamte Strecke: 85,9
Schwere Teilstücke: 84,6
Leichte Teilstücke: 86,9
Volllast (5 % Steigung): 85,1
AdBlue (l/100 km): 2,37 (6,5 % vom Diesel)
steigungsbedingte Schaltungen: 8
Innengeräusch Ebene (85 km/h): 62,2 dB(A)
Innengeräusch max. (Steigung): 64,9 dB(A)
Fahrgestell/Gewicht
Bereifung vorn/hinten: 315/70 R 22,5
Reserverad j/n: n
Tankgröße Diesel: 400 Liter
Tankgroße AdBlue: 76 Liter
Federung: Vollluft (hinten Vier-Balg-Luft)
Rahmenstärke: 8,0 mm
Radstand: 3.750 mm
Retarder j/n: j
Leergewicht vollgetankt, mit Fahrer: 8.125 kg
Testgewicht: 40.000 kg
Motor
V8-Zylinder (Scania DC16 107) mit VGT-Turbolader (variable Geometrie) und Ladeluftkühlung, Einzelzylinderköpfe, vier Ventile pro Zylinder, Common-Rail-Einspritzung
Abgasnorm: Euro 6
SCR j/n: j
AGR j/n: j
Bohrung: 130 mm
Hub: 154 mm
Hubraum: 16.353 ccm
Leistung: 537 kW (730 PS) bei 1.900/min
Max. Drehmoment: 3.500 Nm bei 1.000 bis 1.400/min
Motorbremse: 320 kW bei 2.400/min
Getriebe/Achse
Scania GRS0 925 R; automatisiertes Getriebe, 12+2 Gänge, Overdrive-Ausführung
Übersetzung HA: 2,92
U/min bei 85 km/h (größter Gang): 1.073
Fahrerhaus
Scania S Highline, Vier-Punkt-Luftfederung
Außenbreite/-länge: 2.470/2.280 mm
Einstiegsstufen: 4
Einstiegshöhe: 1.630 mm
Scheibe/Rückwand: 2.080 mm
Innenhöhe vor Sitz: 2.030 mm
Innenhöhe Mitte: 2.090 mm
Höhe Motortunnel: 0
Liege unten (B x L): 650-790 x 2.200 mm
Liege oben (B x L):

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