Mercedes-Benz eActros 600 Pro Cabin

Leseprobe
Daimler Truck: eActros 600 ist startklar

von | 12. Juli 2024

Im Vorfeld der eActros-600-Serienproduktion gibt Daimler Truck ein Update zum Stand der Dinge – auch und vor allem um das Fahrzeug herum.
Foto: Daimler Truck

Praxisnahe Probefahrt: Mit 40 Tonnen über Autobahn, Bundes- und Landstraße durch Süd- und Vorderpfalz.

Je näher der Produktionsstart des eActros 600 rückt, am Jahresende 2024 soll es soweit sein, desto kräftiger rührt Daimler Truck die Werbetrommel. Entsprechend folgte Anfang Juli eine Einladung zur praxisnahen Probefahrt (mit 40 Tonnen durch Stadt und Land), wobei neben dem eigentlichen Produkt vor allem das gesamte „Elektro-Ökosystem“ im Vordergrund stand: Seien es die diversen Internet-Tools zur Bedarfsermittlung, Reichweiten- und Wirtschaftlichkeitsberechnung, der Demo-Ladepark vor dem Werksgelände („eTruck Charging Park“), die erste Megawatt-Ladestation im Entwicklungs- und Versuchszentrum (EVZ) oder die neue „eActros 600 Experience World“ im Kundencenter in Wörth. In letzterer, als Pavillon gestaltet und im Juni eröffnet, will Daimler Trucks seinen Kunden künftig den vollelektrischen Lkw mitsamt den verbundenen Services anschaulich näherbringen.

Die für die Probefahrt auserkorene Strecke, gute 70 Kilometer mit Start und Ziel in Wörth, führte über Autobahn, Bundes- und Landstraße sowie einem Abstecher ins Industriegebiet Landau-Ost durch die überwiegend flache Süd- und Vorderpfalz. Mit dem jüngst absolvierten Experten-Test des eActros 600 im Rücken, verfestigt die Fahrt vor allem durch das häufige Ausrollen, Anfahren und Beschleunigen im Stadt- und Überlandverkehr zwei nachhaltige Eindrücke: Zum einen rollt der 40-Tonnen-Zug dank E-Achse, also insbesondere ohne Gelenkwelle, deutlich leichter und weiter als ein vergleichbarer Diesel oder E-Fahrzeuge mit gekoppeltem Triebstrang (wobei der Effekt mit rollwiderstandsoptimierten Reifen vom Typ Conti Efficient Pro noch verstärkt wird). Zum anderen lässt die Elektronik des eActros 600 im Vergleich zu einigen Wettbewerbern, beispielsweise Iveco mit dem S-eWay, selbst im Power-Modus mit durchgetretenem Kickdown keine allzu sportliche Gangart zu. Das führt vordergründig zwar zu Abzügen in der B-Note, die da Fahrspaß heißt, aber die Reifen dürften es mit einer deutlich längeren Lebensdauer danken.

Foto: Daimler Truck

Die neue „eActros 600 Experience World“ ist als eigener Pavillon (inklusive Kino und komplettem Fahrzeug) in das Kundencenter in Wörth integriert.

Das Ganze ist ohnehin Jammern auf hohem Niveau, denn an Durchzug beim Überholen und in Steigungen mangelt es dem batterieelektrischen Actros wahrlich nicht. Sagenhaft leise bleibt es bei alldem außerdem: Abgesehen vom Fahrtwind, dem Abrollgeräusch und hin und wieder dem Luftpresser ist kaum etwas zu hören. Absolut serienreif präsentieren sich auch die verschiedenen Assistenz-, Fahr- und Sicherheitssysteme, sei es die elektro-spezifische Version des vorausschauenden GPS-Tempomaten oder das teilautonome Fahren mit dem Active Drive Assist, inklusive aktiver Spurrückführung mit elektrohydraulischer Lenkung. Ein Wort noch zur E-Achse: Die baut Daimler Truck im Werk in Kassel selbst und verbaut sie (bislang zumindest) nur in den eigenen Konzernmarken.

Einen genaueren Blick ist im aktuellen Erprobungsfahrzeug das neue Navi wert, das bei der Routenplanung nicht nur die genauen Höhenmeter auf- und abwärts anzeigt, sondern auf Basis der Restreichweite auch eine Zwischenladung an geeigneter Stelle vorschlägt. Der Stichpunkt „neues Navi“ trifft auf die Diesel-Actros übrigens ebenfalls zu: Daimler Truck setzt nun auf Anbieter „Here Technologies“ und spricht insgesamt von einem deutlich schnelleren und leistungsfähigeren System – zur vorherigen Generationen gab es wohl mehrfach Kritik seitens der Fahrer.

Navi und Internettool zur Planung der „Elektro-Route“

Doch zurück zum E-Fahrzeug. Um alternativ zum Navi schon im Vorfeld prüfen zu können, wie sich eine geplante Strecke mit dem E-Lkw realisieren lässt, hat Mercedes-Benz Trucks das kostenlose Anwendungstool „eTruckReady“ entwickelt. Nach Auswahl diverser Eckdaten (Solowagen, Sattel- oder Hängerzug, Aufbau bzw. Anhänger, Außentemperatur, Ladungsgewicht etc.) errechnet das Tool die Machbarkeit. Nebenbei bemerkt: Unabhängig von den sonstigen Parametern schneidet der Hängerzug, also der eActros 600 6×2 mit Zweiachs-Anhänger, generell am schlechtesten ab. Denn aerodynamisch optimierte Pro Cabin hin oder her, ist gegen die grundsätzlich schlechte Aerodynamik von Motorwagen mit Anhänger kein Kraut gewachsen.

Ein weiterer interessanter Nebenaspekt zeigt sich bei der (TÜV-zertifizierten) Berechnung der Ökobilanz, die Mercedes-Benz Trucks präsentiert. Demnach schneidet die ersten 102.000 Kilometer tatsächlich der Diesel noch besser ab: erst danach ist die durch die Batterieproduktion verursachte Umweltbelastung ausgeglichen und der E-Lkw wechselt umweltmäßig auf die Überholspur.

Foto: Daimler Truck

Schallmauer durchbrochen: Erste erfolgreiches Megawatt-Laden im EVZ Wörth im April 2024.

Für den eActros 600 und seine Lithium-Eisenphosphat-Batterien (LFP) mit rund 600 kWh nutzbarer (!) Kapazität ist neben dem CCS-Laden mit bis zu 400 kW auch das Megawattladen (MCS) möglich – in einem internen Test erstmals im April 2024 erfolgreich erprobt. Im Zuge dessen hat sich Daimler Truck auch an der Entwicklung eines neuen, branchenweit gültigen MCS-Ladestandards beteiligt. Wechselnde Ladeleistungen, ob 100, 200 oder 1000 kW, sollen auf die Lebensdauer der LFP-Batterien übrigens keinen Einfluss nehmen. Generell soll der Batteriezustand („State of Health“) nach 1,2 Millionen Kilometer noch über 80 Prozent betragen.

Die jetzt schon bestellbare MCS-Ladebuchse befindet sich fahrerseitig in der Seitenschürze, neben dem standardmäßigen CCS-Anschluss. Ein zusätzlicher CCS-Anschluss ist auf der Beifahrerseite zu haben, sofern kein elektrischer Nebenantrieb mitbestellt wird: In diesem Fall ist der Bauraum anderweitig belegt.

Bevor jemand auf dumme Gedanken kommt: Wie bei einer Doppeltankanlage zwei Zapfpistolen einzuhängen, ist beim E-Lkw brotlose Kunst – Strom fließt grundsätzlich nur an einem Anschluss. Weiteren optionalen Ladepunkten, beispielsweise hinter der Frontklappe für stirnseitig anzufahrende Ladesäulen, erteilt Mercedes eine Absage: Jeder weitere Anschluss sei nicht nur ein Kostenfaktor, sondern auch sicherheitsrelevant und ein Stück weit kontraproduktiv, denn die Leitung zwischen Ladebuchse und Batterie sollte schon vom Widerstand her so kurz wie möglich sein. Insofern drängen die Stuttgarter auch darauf, Ladestationen generell für flankenseitiges Laden auszulegen.

Verschiedene Lademöglichkeiten im „eTruck Charging Park“ erproben

Im eigenen „eTruck Charging Park“ vor den Toren des Wörther Kundencenters ist das ohnehin der Fall. Die in Kooperation mit Netze BW errichtete Anlage ist darauf ausgelegt, Ladesäulen und Ladekonzepte verschiedener Hersteller im Realbetrieb zu erproben – vom mobilen 40-kW-Gerät für die Werkstatt bis zur Schnellladesäule. Eine Megawatt-Station gibt es an dieser Stelle bisher nicht, ist aber zumindest angedacht. Öffentlich ist die Anlage ebenfalls (noch) nicht: Gegenwärtig dient der Ladepark zum einen den eigenen Erprobungs- und Serienfahrzeugen (neben den eActros 300 und 400 beispielsweise auch dem Fuso eCanter), zum anderen sollen Kunden zusammen mit Mercedes-Beratern die Optionen vergleichen und für ihre eigenen Belange auswählen können.

Installiert sind unter anderem auch zwei Ladesäulen der „Hypercharger“-Baureihe von Alpitronic – strategischer Partner bei dem von Mercedes-Benz Trucks seit Mai 2024 angebotenen Kauf von Schnellladesäulen über seine Händler. Darüber hinaus hat Daimler Truck alle bestehenden und zukünftigen Angebote rund um E-Infrastruktur, Laden, Hardware und digitale Dienste unter der neuen Marke TruckCharge zusammengefasst.

Foto: Truckexperten

Im „eTruck Charging Park“ lassen sich unterschiedliche Ladesäulen und -konzepte im Realbetrieb erproben.

Für die Pro Cabin, die bekanntlich auch bald die konventionellen Actros L zieren wird, folgt in den kommenden Monaten noch die ein oder andere Neuerung. Stichpunkte sind unter anderem neue Sitzbezüge, Matratzen und Lattenroste, eine mechanische Nachtverriegelung (Cab Lock), ein umfangreicheres Multimedia-Cockpit in der Version Interactive 2 (dann auch mit leichter bedienbaren, haptischen Tasten am rechten Bildschirmrand) und ein 230-Volt-Anschluss im Beifahrer-Fußraum.

Abschließend betonen die Stuttgarter aber einmal mehr: Die Serienentwicklung des eActros 600 befindet sich auf der Zielgeraden. Letzte umfangreiche Erprobungen laufen derzeit im Rahmen der „eActros 600 European Testing Tour 2024“ durch mehr als 20 europäische Länder. Zwei Prototypen legen dabei mit jeweils 40 Tonnen Gesamtzuggewicht mehr als 13.000 Kilometer zurück. Jüngster Meilenstein: Anfang Juli erreichte das Duo am Nordkap in Norwegen das nördlichste Etappenziel.

Weitere Informationen:
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Runde Sache: Premiere des Actros L mit ProCabin (02.04.24)
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