DAF XG+ 530 FT

Experten Fahrbericht XG+ 530: Mehr DAF geht nicht

von | 23. Mai 2025

Mit 530 PS starkem MX13-Motor und Fahrerhaus XG+ präsentiert sich der momentan stärkste und größte DAF – inklusive der jüngsten Updates.
Foto: Ralf Becker

Mit seinem riesigen Fahrerhaus, inklusive der beliebten Skylights im Hochdach, ist der DAF XG+ eine eindrucksvolle Erscheinung.

Im Herbst 2021 ging die neue Generation der schweren DAF-Baureihen in Produktion, und schon im April 2025 konnten die Niederländer die Übergabe des 125.000sten Fahrzeugs feiern. „In unserer über 75-jährigen Geschichte der Lkw-Produktion haben wir den Meilenstein von 125.000 Lkw noch nie so schnell nach der Markteinführung erreicht“, stellte Harald Seidel, Präsident von DAF Trucks, zufrieden fest.

Maßgeblichen Anteil am Erfolg haben die neuen Flaggschiffe XG und XG+, mit deren Einführung DAF einen buchstäblich großen Wurf landete: Mit einer um 16 Zentimeter vorbauenden Front und einer um 33 Zentimeter nach hinten versetzten Rückwand nutzen die Niederländer die erweiterten EU-Längenbestimmungen maximal aus und sorgen so neben einer optimierten Aerodynamik für mehr Wohnraum als je zuvor. Für die Hochdach-Variante XG+ ergibt sich ein Innenvolumen von rund 12,1 Kubikmetern, über 1,5 Kubikmeter mehr als beim Vorgänger XF mit Super Space Cab – und das war schon eines der größten Frontlenker-Fahrerhäuser in Europa.

Zur IAA 2024 folgte eine Reihe von Updates, mit denen auch der aktuelle Testwagen bestückt ist, ein XG+ mit 530-PS-Motor, Traxon-Getriebe und neuer langer 2,05er Hinterachse. Letzteres bedeutet einen echten Aha-Effekt: Bei 85 km/h und 315/70er Reifen mit nur rund 940 Umdrehungen über die flache Autobahn zu rollen, ist neuer „Minusrekord“: Mit noch geringerer Marschdrehzahl war in 25 Jahren Testgeschichte noch kein Vorgänger unterwegs. Okay, bei Scania und MAN kommt neuerdings ein Overdrive zum Zug, mit dem es noch tiefer runtergeht, aber das nur kurzzeitig in vom Computer handverlesenen Fahrsituationen.

Foto: Ralf Becker

Der 12,9 Liter große MX-13-Sechszylinder arbeitet mit Drehmomenterhöhung (Multitorque) im größten Gang.

Was beim XG+ 530 wirklich beeindruckt, ist die niedrige Geräuschkulisse im Drehzahlkeller: Da rumort und vibriert es kaum, und die gemessenen 63,5 dB(A) in der Ebene sind im Wettbewerbsvergleich guter Durchschnitt – nennenswert leiser ist es nur in den beiden Schweden. Ein XG+ 480 war im Test anno 2022 noch mit 64,5 dB(A) unterwegs, das aber mit Achsübersetzung 2,21 und entsprechend höherer Drehzahl.

Zum insgesamt hohen Fahrkomfort trägt zum einen die gute, insgesamt recht straffe Abstimmung der Federung bei, zum anderen der lange Standard-Radstand von vier Metern. Mit der tadellosen Hydrolenkung läuft der XG+ wie auf Schienen, verbunden aber mit dem Manko eines nur passiven Spurwächters: Für eine aktive Rückführung fehlt es immer noch an der bereits zur XG-Vorstellung angekündigten Elektro-Lenkung – den Zwischenschritt einer elektrisch unterstützten Lenkung wollten sich die Niederländer sparen. Dem Vernehmen nach befindet sich ein vollelektrisches Lenksystem aktuell in der Erprobung, die Einführung sollte nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Schwer zu sagen, was am geringeren Lärmpegel den größeren Anteil hat: Die niedrigere Drehzahl oder die jüngsten Updates. Bei den 10,8- und 12,9-Liter-Motoren MX-11 und MX-13 umfasst die Modellpflege eine neue Ventilsteuerung nach dem Miller-Prinzip, verbrauchsoptimierte Wasserpumpen (mit Elektroantrieb bei geringer und Riemenantrieb bei hoher Last) und auskuppelbare Zwei-Zylinder-Luftpresser. Neben Einspritzdüsen und Turbolader hat DAF auch die Abgasrückführung überarbeitet, wobei der beim XG+ 530 gemessene AdBlue-Verbrauch mit anteilig knapp fünf Prozent vom Diesel weiterhin sehr günstig liegt. SCR-only-Motoren wie der Standard-D13 von Volvo (ohne Turbocompound), der Iveco Cursor oder der Scania DC13 mit Twin-SCR liegen zwischen acht und zwölf Prozent.

Automatische Steuerung der Motorbremse nicht optimal

Am Steuer machen sich die Motorupdates nicht unmittelbar bemerkbar, dafür aber die an die lange Achse angepasste Getriebesteuerung: Selbige hat DAF gut hinbekommen, zumindest was das Fahren in Steigungen anbelangt – trotz Drehzahlkeller und Spritspar-Fahrprogramm Eco Fuel hat man im ausgeladenen 40-Tonnen-Zug nicht das Gefühl, übermäßig schlapp unterwegs zu sein. Die Multitorque-Steuerung mit 150 Nm Drehmoment zusätzlich im zwölften Gang (dann 2.700 statt 2.550 Nm bis runter auf 900 Touren) trägt dazu ebenfalls ihr Scherflein bei.

Bergab allerdings macht sich das Fehlen eines Retarders deutlich bemerkbar. Dabei kommt die verstärkte, in drei Stufen abrufbare MX-Motorbremse zwar auf bis zu 503 PS bei 2.100 Umdrehungen, da schaltet die Automatik aber nicht eigenständig hin. Mit Tempomat unterwegs, legt der Rechner bei 88 bis 90 km/h maximal den 10. Gang bei rund 1.650 Touren ein, womit in langen Gefällen schnell die Scheibenbremsen gefordert sind. Besser ist es, schon früh etwas runterzubremsen, manuell in den 9. zu schalten und dann bei rund 87 km/h im Brems-Bestpunkt zu landen. Auf der Landstraße hat man analog mit dem automatischen 9. und manuellen 8. Gang dasselbe Spiel.

In Verbindung mit der GPS-gestützten Streckenvorausschau, über die ja auch der DAF verfügt, bekommen das Wettbewerber wie Mercedes, Scania und Volvo im Automatikmodus allein mit Motorbremse besser hin. Dass in jüngerer Vergangenheit markenübergreifend überhaupt so viele Testwagen ohne Retarder angerückt sind, dürfte wohl auch mit der für Diesel günstigsten deutschen Mautklasse 3 zu tun haben: In den zugrundeliegenden Vecto-Berechnungen schlagen Mehrgewicht und geringfügiger Mehrverbrauch mit einem Retarder negativ zu Buche, war im Gegenzug zu Lasten der Sicherheit geht. Was sich der Gesetzgeber dabei gedacht hat (oder vielmehr nicht gedacht), sei dahingestellt. Jedenfalls lassen sich mit diversen Aerodynamik- und Triebstrang-Maßnahmen, inklusive GPS-Tempomat, Spiegelersatz und rollwiderstandsoptimierte Reifen, auch Vertreter der neuen schweren DAF-Generation in die Klasse 3 einsortieren.

Foto: Ralf Becker

Das Lenkrad bietet über 50 Grad Steilstellung, und auch sonst gibt es im DAF-Cockpit keinen Grund zur Klage.

In Summe sollen die jüngsten Modellpflegemaßnahmen zu Verbrauchseinsparungen von bis zu drei Prozent führen, was sich aber hauptsächlich auf Rolletappen voll entfalten dürfte: Die Kombination aus aerodynamisch optimierter Kabine und niedrigem Drehzahlniveau macht sich beim gleichmäßigen Fahren in der Ebene am deutlichsten bemerkbar. Auf dem anspruchsvollen Landstraßen-Handlingkurs etwa, der mit zahlreichen Steigungen bis knapp acht Prozent aufwartet, liegt der XG+ 530 auf Augenhöhe mit dem zuvor erwähnten XG+ 480. Auch dieser verdankte seinen starken Testwert von durchschnittlich nur 30,6 Liter Diesel (bis heute zusammen mit dem DC13 Twin-SCR im Scania und MAN an der Spitze) vor allem seinem sehr guten Teillastverbrauch.

Was die angesprochene aerodynamische Optimierung anbelangt: Da wäre beim langen Haus zunächst einmal der keilförmige Grundzuschnitt mit gewölbter Scheibe, kombiniert mit Dach- und Seitenspoilern, nach oben und unten erweiterten Seitenschürzen, Verkleidungen in den Radläufen, Unterbodenplatte sowie Kunststoffeinsätze in so ziemlich allen Karosseriespalten. Hinzu kommt das Spiegelersatzsystem DAF Digital Vision, bei dem die Wahl besteht aus einer vollständig digitalen Lösung mit zusätzlicher Corner-View-Kamera oder weiterhin mit Front- und Rampenspiegel (wie es beispielsweise Mercedes und Volvo praktizieren).

Vollständiger Spiegelersatz gut gelungen

Der komplette DAF-Spiegelersatz, wie auch am gefahrenen XG+ 530, gefällt vor allem durch den zusätzlichen Monitor oben rechts, praktisch in natürlicher Blickrichtung für die konventionelle Sicht in Front- und Rampenspiegel. Bei der Funktionalität ist das übliche Programm geboten, inklusive eingeblendeten Distanzlinien als Überhol- und Rangierhilfe, Aufliegerverfolgung bei Kurvenfahrt oder auch einem vom Bett aus einschaltbaren Überwachungsmodus. Beide oberen Kameraarme am Dach sind elektrisch einklappbar, wobei Magnete in den Klappgelenken auch dafür sorgen, dass sich die Arme bei leichtem Kontakt mit einem Hinderniss wieder mechanisch zurückstellen.

An und in der großen Kabine bleibt vorerst alles wie gehabt, inklusive (optionaler) Annehmlichkeiten wie dem 80 Zentimeter breiten Bett mit verstellbarem Lattenrost, zwei Kühlschränken unter der Liege, drehbaren Sitzen und dem insgesamt gut gemachtem Cockpit mit klar ablesbaren digitalen Instrumenten im dezenten weiß und blau. Die fast 30 Zentimeter zusätzliche Innenlänge schlagen sich auch in einem weiten Sitz-Verstellbereich nach hinten wieder – mit nach oben vorne gestelltem Lenkrad kann man selbst vorm Fahrersitz locker stehen.

Foto: Ralf Becker

Bei der Ausstattung mit zwei Betten gibt es für die obere Koje eine verschiebbare Klappleiter.

Auf die Frage nach einer optionalen Kippelektrik statt der Handpumpe antwortet der DAF-Werksfahrer nur lapidar: „Warum? Wir kippen doch nur für euch Journalisten.“ Ganz unrecht hat er nicht, letztlich geht es nur um einige Fotos vom Motor. Zuvor aber gilt es, die Front dreiflügelig in Scania-Manier zu öffnen, wobei sich nebenbei festhalten lässt: Die Einfüllstutzen für Öl-, Kühl- und Wischwasser sind alle vorn versammelt, einen Ölstab gibt es nur noch am Motor. Jener lässt äußerlich nichts von den aktuellen Neuerungen erkennen, und auch bei den Leistungsstufen gibt es vorerst keine Veränderungen: Statt 530 PS stehen für den MX-13 im XG+ noch 428 oder 483 PS zur Wahl (neu ist eine Biodiesel- bzw. B100-kompatible Version des 480ers), eine weitere Möglichkeit ist der 10,8 Liter große MX-11 mit 449 PS (was rund 200 Kilogramm Motorgewicht spart).

Leistungsmäßig könnte es aber zumindest Verschiebungen in vertrieblicher Hinsicht geben: War bislang der 480er der Stückzahlkönig, dürften mit der langen Achse künftig mehr Kunden auf einen 530er setzen. Die Leistung ist da, wenn man sie braucht, ohne im Gegenzug einen nennenswerten Mehrverbrauch befürchten zu müssen. Das entsprechend gefüllte Portemonnaie vorausgesetzt, darf es also gern der größte und stärkste aller DAF sein.

Technische Daten

MOTOR
Reihensechszylinder (MX-13) mit variablem Turbolader (VTG) und Ladeluftkühlung, einteiliger Zylinderkopf, vier Ventile pro Zylinder, Multitorque-Drehmomenterhöhung, Euro 6e mit gekühlter AGR, DPF, SCR
Bohrung/Hub: 130/162 mm
Hubraum: 12.900 cm3
Nennleistung: 390 kW (530 PS) bei 1.675/min
Maximales Drehmoment: 2.550 Nm bei 900-1.400/min; 2.700 Nm bei 900-1.125/min im größten Gang
Motorbremse: MX Engine Brake, max. 370 kW (503 PS) bei 2.100/min

KRAFTÜBERTRAGUNG
Getriebe: ZF Traxon 12 TX 2620 DD, Dreigang-Grundgetriebe mit Range- und Splitgruppe, 12 Gänge, Übersetzung 16,69 bis 1,00, automatisierte Schaltung; Fahrmodus Eco Fuel (alternativ: Eco Power)
Hinterachse: Einfach übersetzte Antriebsachse SR1344 mit Differenzialsperre, Übersetzung 2,05 zu 1; entsprechend 941/min bei 85 km/h und Bereifung 315/70 R 22,5

FAHRGESTELL
U-Profil-Leiterrahmen, Federung vorn/hinten: Zwei-Blatt-Parabel/Vier-Balg-Luft, konventionelle Hydrolenkung, 845- plus 620-Liter-Alutank Diesel, 85-Liter-Tank Adblue; Bereifung vorn/hinten: 385/55 R 22,5 / 315/70 R 22,5 (Goodyear EQMAX auf Alcoa Dura Bright); 4.000 mm Radstand; Leergewicht Zugmaschine (vollgetankt mit Fahrer): 8.620 kg; Testgewicht 40.000 kg

FAHRERHAUS
DAF XG+, Ganzstahl-Fhs mit Hochdach, zwei Liegen, Spiegel-Ersatzsystem (Kameras beidseitig und an Unterkante Frontscheibe), Vier-Punkt-Luftfederung mit integrierten Stoßdämpfern, Seiten- und Dachspoiler; Ambiente-Innenbeleuchtung LED, Klimaautomatik, integrierte Standklimaanlage, belüftete Leder-Luxussitze, Beifahrersitz drehbar, zwei Kühlschränke, Nachtverriegelung (Night Lock), Mikrowelle im mittleren Staufach über der Scheibe
Außenbreite/-länge: 2.500/2.690 mm
Vorderer Überhang 1.530 mm
Einstieg: 490/790/1.170/1.560 mm
Frontscheibe/Rückwand: 2.410 mm
Innenbreite (Scheibe-Scheibe): 2.390 mm
Innenhöhe vor Sitz/auf Motortunnel: 2.075/2.130 mm
Höhe Motortunnel: 50 mm
Liege unten (B x L): 800 x 2.150 mm
Liege oben (B x L): 690 x 1.990 mm

Weitere Informationen:
Modellpflege für die schweren DAF-Baureihen (September 2024)
Experten-Test DAF XG+ 480: Großes Kaliber (Juli 2022)

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