Vorstellung: Die neue Ford F-Line – eine echte Alternative?
Die Rollenverteilung im Angebot der F-Trucks Deutschland GmbH, Generalimporteur für Ford Trucks hierzulande, ist klar: Das Flaggschiff F-Max tritt seit dem Start der Vertriebsaktivitäten 2021 im Segment der Fernverkehrs-Sattelzugmaschinen an, die zusätzliche F-Line mit 2,30 Meter schmalen Kabinen als Allrounder für Baustelle, Verteiler- und Regionalverkehr. In der heimischen Türkei schon länger am Start, läuft der Deutschlandvertrieb der F-Line über den Crailsheimer Importeur, hinter dem die traditionsreiche Stegmaier-Gruppe mit langer Ford-Historie steht, seit der IAA 2024 im September.
Was die „heimische Türkei“ betrifft: Hersteller ist das türkisch-amerikanische Unternehmen Ford Otosan, das sich je zur Hälfte im Besitz der Koc Holding und der Ford Motor Company befindet. Die Fertigungstiefe ist beachtlich: Nachdem Ford Otosan noch bis 2016 auf Motoren von Fiat Powertrain gesetzt hatte, entstehen die „Ecotorq“-Reihensechszylinder für die schweren Baureihen inzwischen in Eigenregie. Zur Wahl stehen zwei Hubraumklassen, 9,0 und 12,7 Liter, den gemeinsamen Nenner bilden VTG-Lader und die Kombination aus SCR-Anlage und gekühlter Abgasrückführung.
Mit Ecotorq ist zudem ein weiterer hauseigener Teil des Triebstrangs betitelt: Ein automatisiertes 16-Gang-Getriebe bauen die Türken ebenfalls selbst. In Sattelzugmaschinen ist eine Direktgangausführung Standard, für die F-Line-Bauvarianten mit entsprechend kurzen Achsen steht auch eine Overdrive-Variante zur Wahl (dann mit Übersetzung 14,107 bis 0,823). Die Option auf ein 12-Gang-ZF-Traxon, wie noch in einer anno 2019 getesteten F-Max-Sattelzugmaschine, besteht nicht mehr. Ungeachtet der Qualitäten des Ecotorq-Getriebes macht das die Aufgabe bei den mittlerweile 72 bundesdeutschen Ford-Trucks-Servicepartnern nicht unbedingt einfacher – die ZF-Getriebe kennt man. Bei den optionalen Neungang-Getrieben zum kleineren 9,0-Liter-Motor fährt Ford Trucks zweigleisig: automatisiert von ZF oder manuell von Eaton.
Gängige Sicherheitssysteme gemäß General Safety Regulation (GSR) sind in der F-Line selbstverständlich vorhanden, darunter aber nur ein passiver Spurwächter ohne aktive Lenkeingriffe – hier fehlt es an der Option auf eine elektrohydraulische oder gar vollelektrische Lenkung (wobei: für den F-Max und die schweren Baufahrzeuge der F-Line bietet Ford Trucks ein elektrohydraulisches Lenksystem namens EHPAS an, was an die Ursprünge der Servotwin-Lenkung in Vierachsern des Mercedes Arocs erinnert).
Über das geforderte GSR-Maß hinaus gibt es optional einen Frontkollisionswarner mit automatischer Bremsung vor Fußgängern und Radfahrern, eine Fernlichtautomatik und eine Stop-and-Go-Funktion für den Tempomat. Nicht verzichten müssen potenzielle F-Line-Kunden auch auf Ausstattungen wie GPS-Tempomat („Maxcruise“), Android Auto und CarPlay-Funktionen sowie die digital vernetzte Plattform „ConnecTruck“ als Basis für Flottenmanagement und Telematikanwendungen wie Fahrzeugdiagnose/proaktive Wartung, Fahrstilbewertung und Over-the-air-updates.
Zur näheren Betrachtung der F-Line stellte F-Trucks in Crailsheim eine Sattelzugmaschine vom Typ 1845 bereit, ausgestattet mit 450 PS starkem 12,7-Liter-Motor und langem Hochdach-Fahrerhaus. Die Alternativen laut kurz und lang mit Flachdach, die generelle Typenvielfalt liest sich wie folgt (siehe auch Tabelle im Anhang): Sattelzugmaschinen als 4×2 und 6×4, Straßen-Fahrgestelle als 4×2, 6×2 und 6×4 sowie Baufahrzeuge (mit verstärktem Chassis) als 4×2, 6×2, 6×4 und 8×4.
Für eine Proberunde mit der nagelneuen Sattelzugmaschine, quasi frisch vom Fahrzeugtransporter gerollt, blieb zwar nur wenig Zeit (noch dazu Solo ohne Auflieger), aber eines vorweg: Ein Leisetreter ist der F-Line im Vergleich zum ordentlich geräuschgedämmten F-Max schon mal nicht. Multifunktionslenkrad und Instrumente hinterließen für´s erste einen guten Eindruck, wobei den Stand der Dinge zwei klassische Rundinstrumente mit großem Farbdisplay dazwischen markieren. Das Ganze wirkt stimmig, verbunden mit einer offenbar typischen Schrulle: Wie im F-Max ist der Drehzahlmesser in gewöhnungsbedürftigen 125-Touren-Schritten skaliert.
Wirken Lenkrad und Instrumente noch aus dem breiten Fernverkehrshaus vertraut, wird beim umgebenden Cockpit schnell klar, dass man in der schmalen Hütte nicht im kleinen Bruder des deutlich moderneren F-Max sitzt. Im Grunde handelt es sich beim F-Line um eine modellgepflegte Version des Ford Legacy, in dem noch deutlich die Gene des seligen Ford Cargo schlummern. Um nur einige Punkte zu nennen: Die Lenkradverstellung (mit deutlich kleinerem Verstellbereich als im F-Max) wird mit einem störrischen Schalter an der Lenksäule ausgelöst und wieder arretiert, die Mittelkonsole zieren rustikale Drehregler (verbunden überdies mit einem sehr lauten Gebläse) und an der Scheibe sind traditionelle Klappsonnenblenden angebracht. An der Dachluke gibt es immerhin Mückennetz und Verdunkelung separat, mit einer gewünschten Standklimaanlage erledigt sich das Thema aber wieder: Eine integrierte Option zu einer Aufdachanlage gibt es nicht.
Die Betten sind für gelegentliche Übernachtungen ausgelegt: Unten ist die 65 Zentimeter breite, dünne Matratze (nur mit Hilfe eines Toppers 15 Zentimeter stark) auf einem Holzbrett befestigt, das nur 58 Zentimeter breite Pendant oben hängt ohne wirklichen Unterbau durch. Ohnehin dürfte die obere Liege eher als zusätzlicher Stauraum dienen, wenn es dann doch mal auf längere Tour gehen sollte. Die Schränke über der Scheibe fassen zwar immerhin rund 105 Liter, aber ein fahrerseitiges Werkzeugfach mit knapp 42 Liter Volumen muss das Thema Außenstauräume allein bestreiten. Der Platz unter der Liege ist mehr oder weniger mit der Standheizung ausgefüllt, links und rechts davon lässt sich noch etwas Kleinkram unterbringen. Ein Kühlschrank aber auf keinen Fall: Da muss nach alter Väter Sitte eine Kühlbox auf den wuchtigen, rund 35 Zentimeter hohen Motortunnel. Auf selbigem beträgt die Stehhöhe maximal 168 Zentimeter (gemessen bis zum Glas der Dachluke, ansonsten 157 cm), vorm Beifahrersitz sind es immerhin 192 Zentimeter.
Die sonstigen Stauräume verteilen sich im Wesentlichen auf die Türtaschen, ein kleines Handschuhfach im Beifahrer-Fußraum und offene Ablagen über den Türen sowie am Kopf- und Fußende der unteren Liege. Apropos untere Liege: In der beifahrerseitigen Flanke lassen sich zwei Lämpchen und die Standheizung einschalten, das war´s in Sachen Bedienteil. Am oberen Bett herrscht diesbezüglich komplett Ebbe, auch was eine Leiter betrifft: Wer partout in die obere Koje will, muss den knappen Meter vom Motortunnel aus sportlich bewältigen.
Dass Ford Trucks weiterhin auf klassische Spiegel statt Kamera-Monitor-Systeme setzt – geschenkt. Dennoch sollte sich der an einem dünnen Halter befestigte Frontspiegel vor der Waschhalle einklappen lassen, was beim F-Line leider nicht der Fall ist. Gut sind die elektrische Kippvorrichtung und die LED-Scheinwerfer, dafür herrscht beim beifahrerseitigen Aufstieg zu den Aufliegeranschlüssen wieder Magerkost: Einen veritablen Laufsteg gibt es nicht. Der angebaute 600-Liter-Alutank ist an den 4×2-Sattelzugmaschinen der F-Line Standard, wahlweise noch um einen zweiten 450-Liter-Tank ergänzt.
Bleibt als Fazit: Ob Ford Trucks mit der F-Line ähnlich viele Beliebtheitspunkte sammeln kann, wie mit dem F-Max, wird ohne wenn und aber von der Preisgestaltung abhängen. Bis Ende 2023 konnte F-Trucks immerhin rund 1.000 F-Max ausliefern (seit Markteintritt in 2021), aber im Segment des F-Line tummeln sich in Deutschland Platzhirsche wie der MAN TGS, DAF XD/XDC, Volvo FM/FMX, Scania P/G und natürlich die Mercedes-Benz Actros und Arocs mit den tief montierten, 2,30 Meter breiten Fahrerhäusern. Sich in diesem Feld durchzusetzen, dürfte um einiges schwerer fallen, als die bisherigen Achtungserfolge mit den moderneren F-Max-Sattelzugmaschinen. Realistisch betrachtet sollte der Listenpreis sehr deutlich unter vergleichbaren Wettbewerbsfahrzeugen liegen, um eine reelle Chance bei deutschen Kunden zu haben – wobei der stolze türkische Hersteller das dem Vernehmen nach (noch) etwas anders sieht.
Ungeachtet der Preisfrage dürften Fahrer auf dem Bau oder im schweren Verteilerverkehr allemal besser mit dem F-Line klarkommen, als Kollegen im Regionalverkehr mit auch nur gelegentlichen Übernachtungen. Eine spezielle Chance gegenüber dem Fernverkehrs-Flaggschiff F-Max könnte sich freilich bieten: Wer als Kunde einen zuverlässigen Ford-Trucks-Servicepartner in seiner Nähe weiß (zu rund 60 Prozent handelt es sich übrigens um Mercedes-Werkstätten), kann für Transporte rund um den berühmten Kirchturm vermutlich etwas entspannter zugreifen – sofern eben der Preis stimmt.
Technische Daten F-Line 1845 Szm
MOTOR
Reihensechszylinder (Ford Ecotorq) mit einstufigem VGT-Turbolader und Ladeluftkühlung, vier Ventile pro Zylinder, eine obenliegende Nockenwelle; Euro 6 E mit SCR, gekühlter Abgasrückführung, Dieselpartikelfilter
Bohrung/Hub 130/160 mm
Hubraum 12.742 cm3
Nennleistung 331 kW (450 PS) bei 1.800/min
Maximales Drehmoment 2.300 Nm bei 1.000 bis 1.300/min
Motorbremse: max. 320 kW (435 PS)
KRAFTÜBERTRAGUNG/FAHRGESTELL
Getriebe Ford Ecotorq 16S 2600 DD, Viergang-Grundgetriebe mit Range- und Splitgruppe, 16 Gänge, Übersetzung 17,03 bis 1,00, automatisierte Schaltung; Retarder; einfach übersetzte Antriebsachse mit Differenzialsperre, Bereifung 315/80 R 22,5 (Conti Eco Regional); Federung vorn/hinten: Zwei-Blatt-Parabel/Vier-Balg-Luft; konventionelle Hydrolenkung; 3.600 mm Radstand; Diesel- (600 Liter) und AdBlue-Tank auf Beifahrerseite
FAHRERHAUS
Ford F-Line, langes Fahrerhaus mit Hochdach und zwei Liegen; stahlgefedert; Dach- und Seitenspoiler, Seitenschürzen; Klimaanlage, Standheizung Eberspächer Airtronic; Multifunktionslenkrad, Klappsonnenblenden, 9-Zoll-Sekundärdisplay; LED-Scheinwerfer; Außensonnenblende; elektrische Kippvorrichtung; Lackierung „metal blue“
Einstieg: 455/810/1.135/1.430 mm
Frontscheibe/Rückwand 2.070 mm
Innenbreite (Scheibe-Scheibe): 2.130 mm
Innenhöhe vor Sitz/auf Motortunnel: 1.920/1.570 mm
Höhe Motortunnel: 350 mm
Liege unten (B x L): 650 x 1.870 mm
Liege oben (B x L): 580 x 1.755 mm
Lieferprogramm der F-Trucks Deutschland GmbH:
Serie | F-Line | F-Max |
Sattelzugmaschinen | 4×2, 6×4 | 4×2 |
Fahrgestelle Straße | 4×2, 6×2 (auch mit lift-/lenkbarer NLA), 6×4 | – |
Fahrgestelle Bau | 4×2, 6×2, 6×4, 8×4 | – |
Fahrerhäuser | kurz, lang, lang mit Hochdach | lang mit Hochdach |
Motoren | Ford Ecotorq: Reihensechszylinder mit VGT-Turbolader und Common-Rail-Einspritzung; SCR, AGR, DPF | Ford Ecotorq: Reihensechszylinder mit VGT-Turbolader und Common-Rail-Einspritzung; SCR, AGR, DPF |
Hubraum (Bohrung x Hub) | 9,0 Liter (115×144 mm) oder 12,7 Liter (130×160 mm) | 12,7 Liter (130×160 mm) |
Varianten | 9,0 Liter: 243 kW (330 PS) bei 1.900/min; 1.400 Nm bei 1.200 bis 1.650/min (Fgst. Straße und Bau)12,7 Liter: 309 kW (420 PS) bei 1.800/min; 2.150 Nm bei 1.000 bis 1.300/min (Fgst. Straße und Bau) 331 kW (450 PS) bei 1.800/min; 2.300 Nm bei 1.000 bis 1.300/min (Szm) 331 kW (450 PS) bei 1.800/min; 2.500 Nm bei 1.100 bis 1.200/min (Fgst. Bau 8×4) 353 kW (480 PS) bei 1.400 bis 1.800/min; 2.500 Nm bei 1.000 bis 1.400/min (Szm 6×4) |
368 kW (500 PS) bei 1.400 bis 1.850/min; 2.500 bei 1.000 bis 1.400/min |
Motorbremsleistung | 220 kW (9,0 l), 320 kW (12,7 l) | 400 kW |
Getriebe | manuelle und automatisierte 9- und 16-Gang-Getriebe | automatisiertes 16-Gang-Getriebe |

















