DAF XF 450 FT Sleeper High Cab

Experten-Fahrbericht DAF XF 450: Alter Meister in neuer Rolle

von | 25. Juli 2024

Als ultimatives Flaggschiff hat der DAF XF zugunsten des XG abgedankt. Dafür präsentiert sich die Modellreihe heute vielseitiger als je zuvor.
Foto: DAF

DAF XF, neu interpretiert: In der Neuauflage des Klassikers trifft Tradition auf Moderne.

Aktuell feiert DAF das 75-jährige Lkw-Jubiläum mit einer Special Edition des XG+, doch mit der jüngeren Erfolgsgeschichte der Niederländer ist vor allem ein Kürzel verknüpft: XF. Denn als das Unternehmen nach einigen Turbulenzen 1996 unter die Fittiche von Kenworth- und Peterbilt-Eigner Paccar geriet – bis heute der Mutterkonzern von DAF – spielte der bereits zur Serienreife entwickelte, brandneue 95 XF den Amis prächtig in die Hände. Mit der Folge, dass DAF einen wahren Höhenflug hinlegte, mit dem 95 XF und seinen Nachfolgern als Erfolgsgaranten.

Auf den 1997 eingeführten 95 XF folgten der XF 95 (2002), XF 105 (2006) und schließlich XF (ab 2012, mit Runderneuerung 2017). Ob nun mit oder ohne „Zusatzzahl“, war ein XF mit Super Space Cab für Fahrer der niederländischen Marke lange Zeit das höchste der Gefühle. „Evolution statt Revolution“ lautete bei allen Generationen das Motto, was sich nicht zuletzt in jahrzehntelang identischen Rohbauten der Fahrerhäuser zeigte.

Mit Produktionsbeginn im Herbst 2021 dann der harte Schnitt: Mit den komplett neuen XG und XG+, vor allem durch längere Fahrerhäuser als je zuvor charakterisiert, rückte der XF in die zweite Reihe. Die Hauptaufgaben liegen jetzt im Regional- und schweren Verteilerverkehr sowie in nutzlastoptimierten Transporten, beispielsweise mit Tank- und Siloauflieger.

Foto: Ralf Becker

Schnörkelloses Cockpit, intuitive Bedienung, übersichtliche Instrumente: Ein DAF ist ein DAF ist ein DAF.

Einen typischen Vertreter stellte DAF Trucks Deutschland Mitte Juli zur Probefahrt bereit: Eine 4×2-Sattelzugmaschine XF 450 FT mit 449 PS aus dem kleinen 10,8-Liter-Sechszylinder MX-11, der gegenüber dem 12,9 Liter großen MX-13 allein rund 200 Kilogramm Motorgewicht spart. Jener MX-13 steht für den XF ebenfalls zur Wahl, was insgesamt sechs sich überschneidende Leistungsstufen ergibt: 367, 408 und 449 PS aus dem MX-11 sowie 428, 483 und 530 PS aus dem MX-13.

Im Testwagen kombiniert DAF den 450er MX-11 mit einem automatisierten Zwölfgang-Getriebe ZF Traxon und einer 2,38 übersetzten Hinterachse, was für Straßenzugmaschinen mit mittleren Ladungs- und Topografieanforderungen den üblichen Standard markiert. Mit 315/70er Reifen liegen bei testüblichen 85 km/h knapp 1.100 Umdrehungen an, was dank Drehmomenterhöhung auch beim kleinen Motor in Ordnung geht: Statt durchgehend maximal 2.200 Nm mobilisiert der 450er im größten Gang bis zu 2.350 Nm, womit sich sachte Hügel bis etwa 2,7 Prozent Steigung ohne Schaltung absolvieren lassen. Oder, vom Bauch her gesprochen: Selbst mit der langen Achse fühlt sich der XF 450 noch einigermaßen durchzugsstark an. Mit gemessenen 62,8 dB(A) bleibt es auf flacher Autobahn zudem angenehm leise.

Bei den Assistenzsystemen wird DAF wohl noch nachrüsten

Mit standardmäßig Zwei-Blatt-Parabelfedern vorn und Vier-Balg-Luftfederung hinten ist das Fahrgefühl in der luftgefederten, niedrig montierten Kabine (mit knapp 18 Zentimeter hohem Motortunnel) absolut in Ordnung: Auf Autobahn und Landstraße geht es mit dem auf knapp 36 Tonnen beladenen Sattelzug weder zu weich noch zu straff zur Sache, und überdies zeigt sich der XF sehr spurstabil. Die Lenkung ist diesbezüglich ohne Fehl und Tadel, ist aber nach wie vor konventioneller Natur. Sprich ohne elektrische Unterstützung, weshalb im DAF auch weiterhin kein Spurwächter mit aktiver Spurrückführung zu bekommen ist.

Konkretes zu diesem Thema war auf Nachfrage nicht zu erfahren, aber es ist wohl davon auszugehen, dass DAF in nicht allzu ferner Zukunft nachlegt – vermutlich gleich in Form einer vollelektrischen Lenkung. Passen muss DAF derzeit auch noch bei einer Art vorausschauendem Landstraßen-Tempomat, der beispielsweise vor Kreisverkehren oder Ortsschildern ausrollen lässt.

Foto: Ralf Becker

Niederländischer Pragmatismus: Ohne Matratze, aber mit Fangnetz, dient die obere Koje als Gepäckablage.

Bei den sonst üblichen Sicherheitssystemen zeigt sich der XF aber auf der Höhe der Zeit (bezüglich der neuen Vorgaben der General Safety Regulation sowieso), wobei in der komplett spiegellosen Version des Testwagens vor allem der zusätzliche Monitor für das sonst übliche Sichtfeld des Front- und Rampenspiegels gefällt – sozusagen in natürlicher Blickrichtung oben rechts und mit einem weit einsehbaren Bereich. Dies im Übrigen eine Besonderheit der DAF-Strategen: Als Kunde bleibt die Wahl eines teilweisen Spiegelersatzes à la Mercedes Actros, oder eben die volldigitale Variante mit zusätzlicher „Corner View“-Kamera unterhalb der Windschutzscheibe. Von der Auflieger-Rückverfolgung und eingeblendeten Distanzlinien als Rangier- und Überholhilfe ist so oder so das gängige Programm geboten. Typischer Pragmatismus à la DAF: Die Bedientafel in der Fahrertür ist für die Ausstattung mit Spiegeln oder volldigitalem Sichtsystem identisch, nur sind eben die Tasten unterschiedlich belegt.

Apropos volldigital: Die im dezenten weiß und blau gehaltenen Instrumente entsprechen denen im großen Bruder XG und erschließen sich wie die wichtigsten Bedienelemente intuitiv. Dazu zählt auch der dreistufige Motorbremshebel, mit dem sich die bis zu 462 Brems-PS (für 11 Liter Hubraum okay) zu 40, 70 oder 100 Prozent abrufen lassen. Klar, ein Retarder ist für hohe Gewichte auf schweren Strecken die bessere Wahl, aber das gesparte Gewicht (im Fall des ZF Intarders für das Traxon-Getriebe rund 90 Kilogramm) ist nicht zu verachten.

Relativ leicht und zudem variantenreich

Auch so kommt es, dass die Zugmaschine relativ leicht daherkommt: 7.560 Kilogramm mit vollen Tanks (765 Liter Diesel, 80 Liter AdBlue) und Fahrer sind in dieser Fahrzeugklasse ein günstiger Wert. Dabei hat DAF nicht mal alle Register gezogen: Allein mit Alufelgen statt der – zugegeben sehr schicken – schwarzen Stahlfelgen ließen sich in Summe rund 100 Kilogramm sparen. Anstelle der Standard-Sattelkupplung mit Montageplatte wäre zudem eine Leichtbau-Version denkbar. In Sachen Aerodynamik haben die Niederländer beim „Efficiency“-Modell dagegen alles ausgepackt, vom kompletten Spoilerset bis hin zur Unterbodenplatte.

Die verfügbaren Konfigurationen des neuen XF lauten 4×2, 6×2, 6×4 und 8×4, speziell als Fahrgestell kommen noch 8×2 hinzu. Komplettiert wird der Baukasten mit drei wählbaren Fahrerhäusern: mittellang (Day Cab), lang (Sleeper Cab) und lang mit Hochdach (Sleeper High Cab). Letztere ist beim Testwagen aufgebaut und sortiert sich zwischen der Space- und Super-Space-Cab des Vorgängers ein: Lagen die Kabinenvolumina seinerzeit bei 8,8 beziehungsweise 10,6 Kubikmeter, kommt die Sleeper High Cab mit rund 1,90 Meter Stehhöhe auf 9,5 Kubikmeter. Gemessen am neuen Flaggschiff XG+ sind das zwar gut zweieinhalb Kubikmeter weniger, aber die eigentliche Konkurrenz kommt ja nicht aus dem eigenen Haus. In die Klasse des XF mit Sleeper High Cab fallen mittelgroße Fahrerhäuser wie Actros Streamspace, TGX GM und FH Globetrotter, und gemessen daran bewegen sich die 9,5 Kubikmeter des DAF sogar am oberen Rand.

Foto: Ralf Becker

Schlussendlich in bester Generationenfolge: Der XF präsentiert sich als ausgewogene Arbeits- und Wohnstatt.

Das Angebot an Stauraum geht in dieser Fahrzeugklasse ebenfalls in Ordnung. Zwar würden sich Alleinfahrer statt dem „Gepäckbrett“ für große Reisetaschen (im Grunde das zweite Bett ohne Matratze, dafür mit Fangnetz) eher eine echte Schrankwand wünschen, aber auch so ist das Gesamtvolumen okay. Rund 200 Liter fassen die drei Fächer über der Scheibe, je 75 Liter die beiden Schubladen unter der Liege und je 180 Liter die beiden Außenstaufächer (die mittlerweile auch über große, Getränkekisten-taugliche Luken verfügen).

Seit eh und je beliebte DAF-Features sind im neuen XF weiterhin zu finden, sei es die 15 Zentimeter dicke Komfortmatratze, zusätzlich mit 4-Zentimeter-Topper, oder der große Ausziehtisch in der Mittelkonsole. Mit bis zu 56 Grad Steilstellung (und waagerecht nach oben vorne weg) ist jetzt auch der Lenkrad-Verstellbereich auf Top-Niveau. Leider haben beide Sitze feste Sockel, die beidseitig drehbare Option gibt es nur im XG. Für Alleinfahrer allemal praktisch ist der Beifahrer-Funktionssitz mit hochklappbarer Sitzfläche, und zur Vesper aus dem 36-Liter-Kühlschrank muss dann eben der Sitzplatz auf der hohen Matratze mit dem Ausziehtisch vis-à-vis reichen. Komplett analog, aber sicherheitstechnisch trotzdem eine feine Sache: Das Seitenfenster unten in der Beifahrertür, wie man das sonst nur von Verteilerfahrzeugen kennt.

Unterm Strich folgt letztlich auch der neue XF seiner langen Ahnenreihe: Mit einer gesunden Mischung aus Pragmatismus, durchdachten Details und schnörkelloser Ausstattung.

weitere Informationen:
75 Jahre DAF-Lkw: Special Edition zum Jubiläum
DAF präsentiert „Efficiency Champions“
Experten-Test DAF XG+ 480: Großes Kaliber

Technische Daten

MOTOR
Reihensechszylinder (Paccar MX-11 330) mit variablem Turbolader (VTG) und Ladeluftkühlung, Common-Rail-Einspritzung, „Multitorque“-Drehmomenterhöhung; Euro 6 E mit gekühlter AGR, Partikelfilter und SCR
Bohrung/Hub 123/152 mm
Hubraum 10.837 cm3
Nennleistung 330 kW (449 PS) bei 1.600/min
Maximales Drehmoment 2.200 Nm bei 900-1.400/min; 2.350 Nm bei 900-1.125/min im größten Gang
Motorbremse: MX Engine Brake, max. 340 kW (462 PS) bei 2.100/min

KRAFTÜBERTRAGUNG
Getriebe: ZF Traxon 12 TX 2210 DD, Dreigang-Grundgetriebe mit Range- und Splitgruppe, 12 Gänge, Übersetzung 16,69 bis 1,00, automatisierte Schaltung
Hinterachse: Einfach übersetzte Antriebsachse mit Differenzialsperre, Übersetzung 2,38 zu 1; entsprechend 1.093/min bei 85 km/h und Bereifung 315/70 R 22,5

FAHRGESTELL
U-Profil-Leiterrahmen (6,0 mm stark), Federung vorn/hinten: Zwei-Blatt-Parabel/Vier-Balg-Luft, konventionelle Hydrolenkung, 765-Liter-Alutank Diesel, 80-Liter-Tank Adblue; Bereifung vorn/hinten: 385/55 R 22,5 / 315/70 R 22,5 (Michelin, A-Label); 3.800 mm Radstand; Leergewicht Zugmaschine (vollgetankt mit Fahrer): 7.560 kg; Testgewicht ca. 35.500 kg

FAHRERHAUS
DAF XF Sleeper High Cab, Ganzstahl-Fahrerhaus mit Hochdach, einer Liege und Gepäckablage oben, Vier-Punkt-Luftfederung, Digitales Sichtsystem (kompletter Spiegelersatz), Aerodynamik: Dach- und Seitenspoiler, Seitenschürzen und Bodenplatte „Aero“; Klimaautomatik, integrierte Standklimaanlage, Standheizung mit Restwärmepumpe, Lederlenkrad, elektrisch betätigte Dachluke, Fahrer-Luxussitz „Super Air“, Beifahrer-Funktionssitz mit hochklappbarer Sitzfläche, Kühlbox unter Liege, zusätzliche Fahrerhausisolierung.
Außenbreite/-länge: 2.500/2.360 mm
Vorderer Überhang 1.530 mm
Einstieg:  385/720/1.065/1.400 mm
Frontscheibe/Rückwand 2.080 mm
Innenbreite (Scheibe-Scheibe): 2.380 mm
Innenhöhe vor Sitz/auf Motortunnel 1.940/1.890 mm
Höhe Motortunnel: 175 mm
Liege unten (B x L): 730 x 2.190 mm

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