Iveco S-Way 530 Active Space

Leseprobe
Experten-Test Iveco S-Way 530: Neue Mittelklasse

von | 1. Juli 2023

Mit 526 PS aus 12,9 Liter Hubraum hat Iveco eine neue Leistungsstufe im Angebot – ein­sortiert zwischen der 485-PS-Einstiegs- und der 570-PS-Spitzenversion. Mit dem aktuellen S-Way-Fahrerhaus ergibt das eine gesunde Mischung, die mit dem Modelljahr 2024 noch attraktiver werden dürfte.
Foto: Truckexperten

Der Iveco S-Way, ein multinationales Produkt: Fahrzeugentwicklung in Ulm, Motorenentwicklung in Arbon/Schweiz, Motorenbau in Bourbon-Lancy/Frankreich, Fahrerhäuser (Valladolid) und Endmontage (Madrid) in Spanien.

Aus zwei mach´ drei: Nach traditionell zwei Cursor-13-Varianten für die Iveco-Flaggschiffe Stralis (ab 2001) und S-Way (ab 2019) stehen seit 2021 drei Alternativen zur Wahl. Neu ist eine Einstiegsvariante von 485 PS, die im Fernverkehr den bisherigen 480er Cursor 11 ablöst, eine von 510 auf 526 PS gesteigerte mittlere Version und schließlich die alte wie neue 570-PS-Spitzenmotorisierung. Nebenbei bemerkt: In den Baufahrzeugen gelten andere Gesetze, hier gab und gibt es den Cursor 13 in anderen Leitungsklassen (im T-Way aktuell mit 411, 451 und 510 PS).

Leicht aufgerundet tritt die 526-PS-Version als S-Way 530 an, dem aktuellen Testwagen. Eine kleine Überraschung beim Blick in die technischen Unterlagen: Wie beim 485-PS-Motor beträgt das maximale Drehmoment „nur“ 2.400 Nm. Doch der Schein trügt. Denn während bei der Einstiegsmotorisierung das Plateau der Drehmomentkurve nur von 950 bis 1.100 Umdrehungen reicht, erstreckt sich die Spanne beim 530er von 950 bis 1.500 Touren deutlich weiter. Die Folge ist eine fülligere Leistungskurve, ein kräftigerer Antritt beim Beschleunigen und spürbar mehr Biss am Berg.

Abgesehen von den neuen Leistungsstufen gibt es gegenüber der 2019er Generation im Wesentlichen drei Neuheiten: Die Installation einer sprachgesteuerten „Alexa“, mit der sich zu einer Fahrer-Community ebenso Kontakt aufnehmen lässt wie zum Infotainment und den Fahrzeugdaten, zusätzliche Luftleitblenden an den A-Säulen sowie eine längere Hinterachse mit Übersetzung 2,31 zu 1. Auch der Testwagen ist damit ausgestattet, was bei testüblichen 85 km/h rund 1.060 Umdrehungen im 12. Gang diktiert. Ein Traxon-Getriebe von ZF, mit Schalterfeld in der Armatur und Standard- oder Economy-Fahrprogramm, markiert weiterhin den Standard. Die Schrulle, die Umschaltung nicht auf Knopfdruck in die Entscheidung des Fahrers zu legen, sondern nur per zusätzlichem Schlüssel mit einem Schloss im Beifahrer-Fußraum zuzulassen, bleibt ebenfalls Stand der Dinge. Konkret äußert sich der Economy-Modus mit einer weniger Tempo-orientierten Schaltstrategie, einer Drehmomentreduzierung bei Teilbeladung (bis zirka 33 Tonnen Gesamtgewicht) und der Deaktivierung des Kickdowns.

Foto: Truckexperten

Neue Mitte: 12,9 Liter großer Cursor 13 in neuer Variante mit 526 PS und 2.400 Nm Drehmoment.

Schaltstrategie mit Luft nach oben

Licht und Schatten bei der Getriebesteuerung: Einerseits ist der Verzicht auf Kunstgriffe wie ein „dynamisches Segeln“ (wechselweises Gasgeben und Rollenlassen um den gesetzten Tempomatwert herum) und Zusatzschwünge im Auslauf von Gefällen (bei Wettbewerben teils deutlich über 90 km/h) aus Fahrersicht zu begrüßen. Andererseits agiert die automatisierte Schaltung im gefahrenen Standardmodus trotz GPS-Streckenvorausschau doch ziemlich phantasielos, dreht die Gänge Richtung Kuppe gerne sehr weit aus und geht Steigungen stur mit gesetztem Tempomatwert an – ein Angasen, mit dem sich gerade mit dem starken 530-PS-Motor die ein oder anderer Schaltung im Berg sparen ließe, ist nicht vorgesehen. Auch bei den verfügbaren Assistenzsystemen hinkt Iveco dem neuesten Stand der Technik noch hinterher, allen voran mit Standard-Hydrolenkung und passivem Spurwächter. Ein Radarsensor in der Seitenverkleidung, der vor Hindernissen im Toten Winkel warnt, ist aber immerhin vorhanden.

Verbrauch und Geschwindigkeit auf der Teststrecke laufen ausnahmsweise „außer Konkurrenz“, da der sehr kurzfristig mit Ballast zur Verfügung gestellte Kögel-Curtainsider nur auf knapp 24,5 Tonnen kam – sieben Tonnen weniger als sonst im Test üblich. Die eingefahrenen 84,8 km/h und 30,5 Liter Diesel, beim SCR-only-Motor mit einem satten achtprozentigen AdBlue-Zuschlag kombiniert, sind aber zumindest erfahrungsgemäß das, was mit diesem Gewicht zu erwarten ist. Ein vor rund einem Jahr gefahrener S-Way 490 Cursor 13 genehmigte sich 33,7 Liter Diesel (mit eben sieben Tonnen mehr), womit sich der 530er wohl ebenfalls im Mittelfeld der Konkurrenz wiederfinden dürfte. Dass es nicht ganz bis zum Platz an der Sonne reicht, ist eindeutig: Die bisher Allzeit-Besten auf der schweren, mit vielen Steigungen gespickten Teststrecke, ein Scania 500 S und ein DAF XG+ 480, konnten sogar mit knapp 40 Tonnen die 31-Liter-Marke unterbieten (jeweils 30,6 Liter Diesel plus 11,7 Prozent (Scania) beziehungsweise 5,4 Prozent AdBlue).

Sattes Leergewicht auf der Waage

Zum Thema Testgewicht darf die Zugmaschine allein natürlich ebenfalls nicht fehlen: Vollgetankt mit 400 Liter Diesel im Messtank und 80 Liter AdBlue kommt der S-Way 530 auf 7.690 Kilogramm. Mit Blick auf Fahrerhausgröße und Hubraumklasse dürfte der S-Way im Wettbewerbsumfeld somit gut und gerne vier Zentner abspecken. Dabei ist eine bei Iveco fast schon traditionelle Gewichtssparmaßnahme bereits vorhanden: An der Vorderachse sind leichte Einblattfedern montiert. Der Fahrkomfort damit ist überraschend gut, die Abstimmung von Fahrwerksfederung und Vier-Punkt-luftgefederter Kabine hat Iveco gut im Griff. Ähnliches gilt für das fein dosierte Verzögern am sechsstufigen Hebel für Motorbremse und Retarder, wobei seit dem Modelljahr 2021 die Dauerbremsen auch beim Tritt auf´s Pedal integriert sind. Das Ganze funktioniert automatisch und ist nicht abschaltbar, wird aber gegebenenfalls über das ABS deaktiviert, beispielsweise bei Glätte.

Mit der langen Achse, der damit verbundenen niedrigen Marschdrehzahl und wohl auch den Conti-Reifen der Serie Efficient Pro, die Iveco neuerdings favorisiert, geht es im S-Way 530 erfreulich leise zu. 62,5 dB(A), gemessen am Fahrerohr, sind auf der flachen Autobahn ein sehr guter Wert. Laufruhiger als mit dem kleineren Cursor 11 ist es sowieso, da ist der 13-Liter-Motor klar im Vorteil. Auf der Wunschliste für das Modelljahr 2024, dessen Vertreter Iveco zum Jahresende hin vorstellen wird, steht unter anderem eine elektrohydraulische Lenkung mit der Möglichkeit der aktiven Spurrückführung: Dieser Posten ist auf Nachfrage auch schon gesetzt. Ob es optional Kameras statt Spiegel geben wird, ist dagegen fraglich. Zwar hat Iveco bereits damit experimentiert, konkretes ließen sich die Verantwortlichen aber noch nicht entlocken.

Foto: Truckexperten

Übersichtliches Cockpit: Analoge Instrumente, herkömmlicher Federspeicherhebel und Start-Stopp-Knopf für den Motor.

Reichlich Stauraum, optional mit Schrankwand

Wie die Kamera-Spiegel-Frage fallen einige weitere Punkte, die heute bei anderen Fabrikaten den Standard markieren, eher unter persönliche Vorliebe, als zwingende Notwendigkeit. Beispielsweise sind die gut ablesbaren, aber noch analogen Instrumente im S-Way im Grunde ohne Fehl und Tadel, eine elektronische Parkbremse vermisst man auch nicht wirklich und für die begrenzten Einstellmöglichkeiten zum GPS-Tempomat gibt es Pro und Contra. Der Schreiber dieser Zeilen würde ein freies Setzen der Über- und Unterschwinger für Senken und Kuppen zwar vorziehen, manch´ anderer ist mit der Schnellauswahl der festen Kombinationen, gegenwärtig von +2/-5 bis +10/-7 km/h, besser bedient.

Unstrittig dürfte dagegen sein, dass das Lenkrad einen größeren Verstellbereich vertragen könnte. Im Moment sind bis zu 40 Grad Steilstellung geboten, da schaffen einige Wettbewerber deutlich mehr (Scania zum Beispiel 55, MAN 57,5 und Volvo im FH sogar 63 Grad). Einen unten abgeflachten Lenkradkranz, der insbesondere kräftigen Staturen zugutekommt, hat Iveco aber bereits im Angebot.

Im Großen und Ganzen präsentiert sich das aktuelle S-Way-Fahrerhaus als angenehme Fahr- und Wohnstatt. Vorne dürften statt Klapp-Sonnenblenden gerne wieder Rollos her, und beim Bett blieb der Lattenrost aus dem Vorgänger Stralis auf der Strecke, viel mehr objektive Kritikpunkte stehen aber nicht auf dem Zettel. Der Testwagen tritt mit zwei Liegen an, von denen sich die obere senkrecht an die Wand klappen lässt – eine platzsparende Lösung. Statt des zweiten Betts, übrigens mit Klappleiter versehen, ist aus dem Iveco-Zubehör eine massive hölzerne Schrankwand mit stolzen 450 Liter Fassungsvermögen zu bekommen. Zusammen mit den drei geschlossenen Schränken unterm Hochdach (rund 250 Liter) und den insgesamt vier Außenstaufächern (davon beide oberen von innen zu erreichen) kommen so für Alleinfahrer locker 1.200 Liter geschlossener Stauraum zustande. Weitere 100 Liter steuern die Schubladen unter der Liege bei, wahlweise sogar beide in Kühlschrank-Ausführung.

Hochdach quasi Standard

Apropos Hochdach: Erhältlich ist der S-Way auch mit einem knapp 50 Zentimeter niedrigeren Flachdach, das aber nur selten geordert wird. Standard ist eindeutig die hohe Version, die auf dem zehn Zentimeter hohen Motortunnel rund 2,10 Meter Stehhöhe lässt. Weitere Bewegungs- beziehungsweise Beinfreiheit ist mit dem drehbaren Beifahrersitz geboten, wahlweise wie der Fahrersitz in Luxusausführung. Dazu noch, wie im Testwagen ebenfalls geboten, eine vollintegrierte Standklimaanlage mit elektrischem Kompressor, und bei der Ausstattung des neuen „Mittelklasse-Iveco“ bleiben kaum Wünsche offen.

Messwerte und Daten
Dieselverbrauch l/100 km
Gesamte Strecke: 30,5
Schwere Teilstücke: 34,5
Leichte Teilstücke: 26,5
Volllast (5 % Steigung): k.A. (Baustelle)
Teillast (bei 85 km/h): k.A. (Baustelle)
Geschwindigkeit km/h
Gesamte Strecke: 84,8
Schwere Teilstücke: 84,0
Leichte Teilstücke: 85,6
Volllast (5 % Steigung): k.A. (Baustelle)
AdBlue (l/100 km): 2,44 (8,0 % vom Diesel)
steigungsbedingte Schaltungen: 20
Innengeräusch Ebene (85 km/h): 62,5 dB(A)
Innengeräusch max. (Steigung): 67,7 dB(A)
Fahrgestell/Gewicht
Bereifung vorn/hinten: 315/70 R 22,5
Reserverad j/n: n
Tankgröße Diesel: 400 Liter
Tankgroße AdBlue: 80 Liter
Federung: Ein-Blatt-Parabel/Vier-Balg-Luft
Rahmenstärke: 6,7 mm
Radstand: 3.800 mm
Retarder j/n: j
Leergewicht vollgetankt, mit Fahrer: 7.690 kg
Testgewicht: 31.800 kg
Motor
Reihensechszylinder (Cursor 13) mit variablem eVGT-Lader (elektrische Stellvorrichtung) und Ladeluftkühler, einteiliger Zylinderkopf, vier Ventile pro Zylinder, Common-Rail-Einspritzung
Abgasnorm: Euro 6e
SCR j/n: j
AGR j/n: n
Bohrung: 135 mm
Hub: 150 mm
Hubraum: 12.882 ccm
Leistung: 387 kW (526 PS) bei 1.900/min
Max. Drehmoment: 2.400 Nm bei 950 bis 1.500/min
Motorbremse: 448 kW bei 2.400/min
Getriebe/Achse
ZF 12 TX 2420 TD; automatisiertes Zwölfgang-Getriebe, Direktgangausführung
Übersetzung HA: 2,31
U/min bei 85 km/h (größter Gang): 1.061
Fahrerhaus
S-Way Active Space, Vier-Punkt-Luftfederung
Außenbreite/-länge: 2.490/2.280 mm
Einstiegsstufen: 3
Einstiegshöhe: 1.470 mm
Scheibe/Rückwand: 2.070 mm
Innenhöhe vor Sitz: 2.150 mm
Innenhöhe Mitte: 2.085 mm
Höhe Motortunnel: 95 mm
Liege unten (B x L): 670-780 x 2.010 mm
Liege oben (B x L): 700 x 1.930 mm

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