Experten-Test MAN TGX 18.480 GM: Nochmals optimiert
Bis zu vier Prozent weniger Kraftstoff verspricht MAN beim abermals überarbeiten TGX. Genauer gesagt: Bei den TGX mit dem erneuerten 12,4-Liter-Sechszylinder D26, auf dessen Konto allein rund drei Prozent Ersparnis gehen sollen. Einen weiteren Prozentpunkt steuern laut MAN Detailverbesserungen an der Aerodynamik bei. Jene verteilen sich vor allem auf Gummiverlängerungen an Dachspoiler und Sideflaps, versiegelte Spalten an den Türverlängerungen sowie Blenden an den A-Säulen – ein nennenswertes Zusatzgewicht ergibt sich dadurch nicht. Wer wechselnde Trailer fährt, würde sich wahrscheinlich noch über eine Kurbel zur Verstellung des Dachspoilers freuen: An die Schienen mit insgesamt sechs Rasten geht es nur mit einigem Klettern heran.
Als zusätzliche Verbesserung empfiehlt MAN die äußere Sonnenblende, die schlanken Kamera-Arme statt Spiegel tun ihr übriges. Apropos Kameras: Charakteristisch für das MAN Optiview-System sind fünf Kameras, die sämtliche Spiegel ersetzen. Alle Bilder erscheinen auf den beiden Monitoren an den A-Säulen sowie (das der Frontkamera) auf dem Display in der Mittelkonsole. Damit unterscheidet sich die Münchener Lösung sowohl von Mercedes (am Actros sind Front- und Rampenspiegel noch dran) als auch von DAF: Dort kommt in der spiegellosen Version ein dritter Monitor für das Sichtfeld von Front- und Rampenspiegel zum Einsatz.
Mit 480 PS sortiert sich der Testwagen zwischen die 470 und 510 PS starken Vorgänger ein, die es in dieser Form aber nicht mehr geben wird: Mit der Überarbeitung des D26 gingen die Drehmomente und Leistungen durch die Bank um 50 Nm und 10 PS nach oben, womit der 480er also in die Fußstapfen des 470er tritt, aus dem 510er wird ein 520er. Dass 50 Nm in vielen Situationen das Zünglein an der Waage sein können, erweist sich auf der Messrunde gleich mehrfach. Bei identischem Triebstrang (mit Traxon-Getriebe von ZF und Achsübersetzung 2,31 zu Eins) geht es mit dem 480er in vielen Fällen noch mit rund 950 Umdrehungen im zwölften Gang über die Kuppe, wo bei einem früher gefahrenen 470er der elfte Gang herhalten musste. Der zählbare Effekt: Statt seinerzeit 28 werden diesmal nur 21 steigungsbedingte Schaltungen fällig, also satte 25 Prozent weniger.
Was die Achse anbelangt: MAN bietet demnächst eine noch längere Übersetzung von 2,1 zu Eins an, die aber vorzugsweise mit 60er Reifen zum Einsatz kommen soll. Mit dem Traxon-Getriebe stehen neben dem „Manoeuvre“-Rangiermodus drei Fahrprogramme zur Wahl: Efficiency Plus (eingeschränkte manuelle Eingriffe, kein Kickdown, zeitweilige Drehmomentreduzierung), Efficiency (jederzeit manuelle Gangwahl, Kickdown) und Performance (nach oben versetzte Schaltpunkte, Fokus auf Beschleunigung und Geschwindigkeit). Um auf der schweren Messstrecke mit knapp 40 Tonnen nicht allzu viel Tempo liegen zu lassen, lief die Fahrt in Efficiency mit testüblichen 85 plus/minus 5 km/h als Über- und Unterschwinger ab (abweichend von den vier standardmäßigen Eco-Stufen von +/- 9 bis +5/-3 km/h lassen sich auch andere Werte einprogrammieren). Dabei bedeuten plus 5 km/h genau das: Bei 90 km/h ist Schluss, denn im Gegensatz zu etlichen Wettbewerbern verzichtet MAN auf zusätzliche Schwungspitzen im Auslauf von Gefällen, was die meisten Fahrer begrüßen dürften.
Einer anderen Mode folgen auch die Münchener: Das „dynamische Segeln“ bewirkt auf nahezu ebener Strecke einen Wechsel von Gasgeben und Rollenlassen im Bereich von +/-3 km/h um den Tempomatwert herum. Das mitunter nervige Treiben lässt sich aber abschalten. Ein weiterer Spritspar-Kniff: Im freien Rollen sinkt die Motordrehzahl auf nur noch 550 Touren, während es im normalen Leerlauf 600 sind. Seitens der Hardware helfen geregelte Nebenaggregate wie der elektronisch gesteuerte Generator und der auskuppelbare Ein-Zylinder-Luftpresser beim Dieselsparen. Mit einem Angasen vor Steigungen hält sich die Elektronik zurück, einige lange und steile Anstiege werden aber dennoch mit rund 87 statt 85 km/h angegangen – typischerweise mit früherem Gasgeben aus dem Schubbetrieb heraus. Unabhängig davon ist das anschließende Schaltschema ziemlich einheitlich: Vom zwölften in den elften Gang geht es erst nach deutlichem Unterschreiten der 1000-Touren-Marke. In der Abrechnung ergibt sich dennoch eine passable Geschwindigkeit von 83,3 km/h, in dieser Leistungsklasse guter Durchschnitt.
Dagegen ist der Verbrauch alles andere als durchschnittlich: Mit nur 31,1 Liter Diesel schneidet der TGX 18.480 auf der schweren Strecke sehr günstig ab, und die von MAN versprochenen vier Prozent Ersparnis werden mit Blick auf die diversen TGX-Testvorgänger sogar mehr als bestätigt. Im Detail zeigt sich insbesondere ein sehr guter Volllastverbrauch, auf der Autobahn ebenso wie auf der Handlingrunde, an deren steilster Stelle 33 km/h im achten Gang für den 480er das Maximum bedeuten. Dabei gefällt der TGX auch mit einer exakten Lenkung, kombiniert mit einem unaufdringlichen Gegenmoment der aktiven Spurrückführung – die elektrische Unterstützung der MAN Comfort Steering macht letztere möglich. Die weitere Verbindung mit dem Abstandsregler (aktiv ab 15 km/h), Stop & Go Assistent (basierend auf ACC und Frontkamera) sowie seitlicher Radarüberwachung ergibt zusammen den Cruise Assist, der für teilautonomes Fahren mit Längs- und Querführung steht.
Die Geschwindigkeit bergab automatisch halten zu lassen, ist im Testwagen mit verstärkter Motorbremse und Intarder kein Problem. Wer lieber manuell regelt, kann das über mehrfaches Antippen des Lenksäulenhebels in sechs Stufen tun. Der Vorteil gegenüber festen Rasten: Beim Gasgeben sind Motorbremse und Retarder direkt wieder draußen. Aufpassen müssen aber auch altgediente MAN-Fahrer. Denn wer es gewohnt war, mit dem Knopf auf der Hebelspitze die maximale Bremsleitung abzurufen, schaltet damit jetzt nur vom automatischen ins manuelle Schalten um. Das sofortige Bremsmaximum wird dagegen mit einem kräftigen Zug am Hebel aktiviert.
Die Vibrationen unter Volllast, die bei den ersten 2020er TGX auftraten, sind mit einer neuen Motorlagerung weitgehend abgehakt. Zudem geht die Abstimmung der Federung trotz leichter Einblattfedern vorne als komfortabel durch, wozu neben den 385/55ern auf der Lenkachse auch die geringen Wankbewegungen der kompakten GM-Kabine beitragen. Mit Blick auf den Wettbewerb dürfte es im TGX aber um einiges leiser zugehen. Auf Nachfrage hat MAN das Thema auf dem Zettel, da soll sich bald was tun. Die Verarbeitung der Kabine ist derweil topp, irgendein Klappern oder Knarzen ist nicht zu hören. Zwar trat beim Testwagen ein ständiges Säuseln aus Richtung A-Säule auf, laut MAN soll das aber nicht der Normalfall sein – künftige Testwagen der Münchener werden es zeigen.
Bei der Überarbeitung des D26 nennt MAN als wesentlichen Punkte einen hinsichtlich Gasführung optimierten Zylinderkopf sowie neu geformte Kolbenmulden für eine effizientere Verbrennung. An das modifizierte Brennverfahren wurden wiederum Turbolader, Temperaturmanagement und Ölkreislauf angepasst, inklusive einer neuen, direkt angetriebenen Kühlmittelpumpe und einer ebenfalls neuen Ölpumpe. Am AdBlue-Einsatz hat MAN allerdings nicht gerüttelt – ganz im Gegensatz zu den Konzernkollegen von Scania, die beim Twin-SCR-Verfahren konsequent auf das vermeintlich dauerhaft günstige AdBlue gesetzt haben. Mit einer bedarfsgeregelten Abgasrückführung („Soft AGR“) bleibt es somit beim D26 bei gut 7 Liter AdBlue auf 100 Liter Diesel, gegenüber rund 11,5 Litern beim Scania DC13 (der dafür noch zirka zwei Prozent sparsamer mit dem Diesel umgeht). Warum der Vergleich? Dass der schwedische 12,7-Liter-Motor im Zuge der Traton-Konzernstrategie ab 2024 auch bei MAN Einzug halten wird, ist beschlossene Sache.
Einfluss auf das Motorgewicht haben die Neuerungen beim MAN D26 übrigens kaum, sodass auch das gesamte Leergewicht des TGX 480 unverändert günstig liegt. Für den vollgetankten Testwagen (490 Liter Diesel, 80 Liter AdBlue) sind ohne Fahrer rund 7.310 Kilogramm zu notieren, im Klassenumfeld ein guter Wert. Ein interessanter Zwischenton: MAN selbst spricht beim D26 vom „Allrounder für Fernverkehr, schwere Verteileranwendungen und den Bauverkehr“. Im Umkehrschluss ließe sich auch feststellen: Als Nachfolger des 10,5-Liter-Motors D20 hat der nur 9,0 Liter große, Anfang 2019 eingeführte D15-Motor die Erwartungen nicht erfüllen können. Denn abgesehen vom mittelschweren Verteilerverkehr, Müllwagen und Leichtbauten, etwa für Mineralöltransporte, greifen frühere D20-Kunden mittlerweile eher zum größeren D26 als zum D15. Da bei Scania die Elf-Liter-Klasse im Lkw ebenfalls unbesetzt ist (im Gegensatz zur Konkurrenz von DAF bis Volvo), fragt sich der neutrale Beobachter, ob man die Motorenstrategie bei Volkswagen/Traton wirklich komplett zu Ende gedacht hat.
Das GM-Fahrerhaus entspricht in seinen Grundfesten dem früheren XLX, das sich seit der Premiere im Herbst 2005 schnell zum Topseller entwickelte (beim damaligen TGA gab es bis dahin das lange XL-Haus mit Normaldach oder die riesige XXL-Kabine, aber nichts dazwischen). Ein cleveres Detail der aktuellen Generation: Mit einem zusätzlichen Schalterfeld in der Türverkleidung lassen sich von außen Warnblinker und Arbeitsscheinwerfer einschalten, Fenster und Schiebedach schließen sowie die Beifahrertür verriegeln (so die Standardbelegung im Fernverkehr, es lassen sich auch andere Funktionen wählen). Insgesamt wirkt die kompakte GM-Kabine wie aus einem Guss: mit dreistufigem, treppenförmigem Einstieg, knapp zehn Zentimeter hohem Motortunnel, maximal 194 Zentimeter Innenhöhe und einem bis zu 80 Zentimeter breiten Bett mit Lattenrost. Bei diesem einen Bett belässt es MAN im Testwagen, wobei oben dann gähnende Leere herrscht: Zwar ist über MAN Individual eine Schrankwand zu bekommen, aber selbst ohne wären zumindest einige zusätzliche Netztaschen an der kahlen Rückwand kein Schaden. Das aber ist Jammern auf hohem Niveau, denn unterm Strich geht der in kurzer Zeit doppelt überarbeitete TGX – 2021 mit dem Optiview-System, jetzt mit dem erneuerten D26-Motor – als rundherum optimiert durch.
| Messwerte und Daten | |
| Dieselverbrauch | l/100 km |
| Gesamte Strecke: | 31,1 |
| Schwere Teilstücke: | 35,3 |
| Leichte Teilstücke: | 26,8 |
| Volllast (5 % Steigung): | 88,3 |
| Teillast (bei 85 km/h): | k.A. (Baustellen) |
| Geschwindigkeit | km/h |
| Gesamte Strecke: | 83,3 |
| Schwere Teilstücke: | 81,7 |
| Leichte Teilstücke: | 84,9 |
| Volllast (5 % Steigung): | 70,5 |
| AdBlue (l/100 km): | 2,19 (7,04 % vom Diesel) |
| steigungsbedingte Schaltungen: | 21 |
| Innengeräusch Ebene (85 km/h): | 66,2 dB(A) |
| Innengeräusch max. (Steigung): | 69,6 dB(A) |
| Fahrgestell/Gewicht | |
| Bereifung vorn/hinten: | 385/55 R 22,5 / 315/70 R 22,5 |
| Reserverad j/n: | n |
| Tankgröße Diesel: | 490 Liter |
| Tankgroße AdBlue: | 80 Liter |
| Federung: | Ein-Blatt-Parabel-/Vier-Balg-Luft |
| Rahmenstärke: | k.A. |
| Radstand: | 3.600 mm |
| Retarder j/n: | j |
| Leergewicht vollgetankt, mit Fahrer: | 7.385 kg |
| Testgewicht: | 39.260 kg |
| Motor | |
| Reihensechszylinder (D2676) mit einstufigem, elektrisch geregeltem Wastegate-Turbolader und Ladeluftkühlung, einteiliger Zylinderkopf, vier Ventile pro Zylinder, Common-Rail-Einspritzung | |
| Abgasnorm: | Euro 6e |
| SCR j/n: | j |
| AGR j/n: | j |
| Bohrung: | 126 mm |
| Hub: | 166 mm |
| Hubraum: | 12.419 ccm |
| Leistung: | 353 kW (480 PS) bei 1.800/min |
| Max. Drehmoment: | 2.450 Nm bei 930 bis 1.350/min |
| Motorbremse: | 305 kW bei 2400/min |
| Getriebe/Achse | |
| MAN Tipmatic 12.26 DD (ZF Traxon), automatisiertes Zwölfganggetriebe, Direktgangausführung | |
| Übersetzung HA: | 2,31 |
| U/min bei 85 km/h (größter Gang): | 1.060 |
| Fahrerhaus | |
| MAN TGX GM, Vier-Punkt-Luftfederung | |
| Außenbreite/-länge: | 2.440/2.280 mm |
| Einstiegsstufen: | 3 |
| Einstiegshöhe: | 1.525 mm |
| Scheibe/Rückwand: | 2.110 mm |
| Innenhöhe vor Sitz: | 1.940 mm |
| Innenhöhe Mitte: | 1.805 mm |
| Höhe Motortunnel: | 90 mm |
| Liege unten (B x L): | 700-800 x 2.000 mm |
| Liege oben (B x L): | – |







