Experten-Test Scania 500 S: Ausrufe-Zeichen!
Als Scania im November 2021 die Neufassung der DC13-Sechszylinder präsentierte, legten die Schweden auf eine Feststellung besonderen Wert: Mit der neuen Motorenplattform geht ein komplett neuer Antriebsstrang einher. Entsprechend sind die bis zu acht Prozent Dieselersparnis, die Scania in Aussicht stellt, als die Summe mehrerer Teile zu verstehen. Wer mit Einführung der neuen Motoren auch ein Facelift der Fahrerhäuser erwartet hatte, sah sich allerdings getäuscht: Vom kurzen P-Tagesfahrerhaus bis zum langen S Highline mit Hochdach und ebenem Kabinenboden blieb das gesamte Sortiment fürs Erste unangetastet.
Dem schon 2020 eingeführten Getriebe G33CM für bis zu 3.300 Nm Eingangsdrehmoment stellte Scania die leichtere Variante G25CM zur Seite (entsprechend für bis zu 2.500 Nm), in beiden Fällen kombiniert mit der neuen Hinterachse R756. Jene unterbietet mit der längsten Übersetzung von 1,95:1 sogar die Zweier-Marke, was lange undenkbar schien. Ganz so weit treiben es die Schweden beim Testwagen nicht: ein 500 S mit Highline-Fahrerhaus, 2,31 übersetzter Achse und, bei Scania bislang eine Seltenheit, ohne Retarder. Letzteres ist der neuen Motor- beziehungsweise Dekompressionsbremse CRB geschuldet („Compression Release Brake“), die beim DC13 nun optional zur klassischen Abgasklappe bestellt werden kann und es bei 2.400 Umdrehungen auf maximal 480 Brems-PS bringt. Mit Blick auf die 12 bis 13 Liter großen Sechszylinder der Konkurrenz, wo derartige Motorbremsleistungen längst üblich sind, reiht sich Scania damit endlich im gesicherten Mittelfeld ein. Der Scania-Retarder R4700D (bis 680 Brems-PS und auskuppelbar, um Schleppverluste zu vermeiden) ist selbstverständlich weiter im Programm und kann wahlweise noch als zusätzliche Dauerbremse dazu kommen.
Mit der gewählten Übersetzung befindet sich Scania in bester Gesellschaft, eine 2,3er-Achse ist im Fernverkehr so etwas wie die neue Standardgröße. Bei 85 km/h und 315/70er-Reifen liegen damit im 12. Gang 1.060 Umdrehungen an, angesichts von 2.650 Nm Drehmoment bis runter auf 900 Touren absolut vertretbar. Am Berg hat man nie das Gefühl, schlapp unterwegs zu sein, zumal ein Angasen vor Steigungen jetzt auch im sparsamen Eco-Modus zum Handwerkszeug der Automatik gehört. Das Ganze geschieht exakt berechnet und sehr variabel: Mal wird aus einer Rollphase heraus am Fuß der Steigung erst bei 84 wieder Gas gegeben, mal wird auf 87 oder gar 89 beschleunigt. Aus dem Bremsbetrieb kommend bleibt mitunter auch der 11. Gang drin, um in einer unmittelbar folgenden Steigung die fällige Abwärtsschaltung von vornherein zu sparen.
Dass die Strategie aufgeht, beweist schwarz auf weiß die erzielte Durchschnittsgeschwindigkeit: 84,4 km/h sind in der 500-PS-Klasse ein Spitzenwert. Dabei lief die Fahrt durchweg im erwähnten Eco-Modus ab, der trotz Verbrauchs-Fokus die üblichen, relativ eng gesetzten Schwungfenster von plus/minus fünf km/h erlaubt und für schnelle Überholvorgänge den Kickdown aktiviert lässt. Kurz: Die beiden anderen mit der Opticruise-Schaltung wählbaren Fahrprogramme, Standard und Power, dürften abseits vom Hochgebirge kaum eine Berechtigung haben
Auch ohne Retarder sind Bergab-Passagen im 500 S relativ entspannt. Ein ums andere Mal müssen zwar die Scheibenbremsen ran, etwa im zehn Kilometer langen Gefälle auf der A1 Richtung Moseltal, aber gemeinsam haben Getriebesteuerung und CRB das Geschehen größtenteils im Griff. Weiter als in den 10. Gang schaltet die Automatik aber nicht runter, obwohl rein rechnerisch erst im 9. Gang, mit rund 2.400 Touren bei 89 bis 90 km/h, die maximale Bremsleistung anliegen würde. Die grundlegende Strategie vor langen Gefällen ist eine andere: Ist per GPS-Streckenvorausschau absehbar, dass die Motorbremse bis zur Senke das Tempo nicht konstant halten kann, wird eingangs der Talfahrt schon deutlich weiter runtergebremst. Und noch ein Punkt fällt mit der CRB auf: Wie bei der Ausstattung mit Retarder ist dem System grundsätzlich ein Zusatzschwung im Auslauf von Gefällen eingeimpft, also ein kurzzeitiges Ausrollen bis circa 92 km/h. Im Testwagen kommt diese Funktion aber auf der gesamten Strecke so gut wie nie zum Einsatz – ganz im Gegensatz zu einem 540 S, der die Strecke Ende 2020 ebenfalls mit G33-Getriebe, aber mit Retarder absolvierte.
Im Grunde genommen handelt es sich beim G33CM zwar um ein Overdrive-Getriebe, Hauptfahrgang ist aber der direkt übersetzte 12. Gang. Der aufgesetzte Overdrive dient als „Schongang“, wobei die neuen Motoren offenbar wieder für ein Umdenken gesorgt haben. Denn im Vergleich zum erwähnten 540 S, der die Runde mit dem „alten“ DC13 absolvierte, leuchtet das „OD“-Symbol auf der gesamten Runde nur noch selten im Kombiinstrument auf. Und wenn, dauert es gefühlt nur eine Gedenksekunde, bis die Fuhre vom Overdrive gleich ins freie Rollen bei Leerlaufdrehzahl übergeht. Zu überhören sind die kurzen Momente aber nicht: Im Overdrive sackt die Drehzahl bei 85 km/h auf nur noch 830 Touren, was der Maschinenraum mit einem Schiffsdiesel-artigen Blubbern quittiert
Um beim Vergleich mit dem 540 S zu bleiben, hat sich auch ein anderes Verhältnis umgedreht: Das dynamische Segeln namens „Pulse and Glide“ kommt nun wesentlich häufiger zum Einsatz. Die Funktionsweise, ähnlich bei MAN, Renault und Volvo zu finden, dürfte inzwischen vielen Fahrern bekannt sein: Ist der Tempomat wie im Test auf 85 km/h gesetzt, wird in passenden Flachstücken auf 82 bis 83 gerollt und wieder auf 87 bis 88 km/h beschleunigt. Das mag den einen oder anderen Tropfen Diesel sparen, kann beim übermäßigen Einsatz aber ehrlich gesagt nerven – von zuvor überholten Hintermännern, die die Welt nicht mehr verstehen, ganz zu schweigen. Scania hält aber offenbar große Stücke auf das System, denn es ist jetzt nicht nur im Eco-, sondern auch im Standard-Modus aktiv.
Pulse and Glide hin oder her, der Verbrauch stößt allemal in eine neue Dimension vor: Als erstes Testfahrzeug unterbietet der 500 S auf der schweren Messstrecke die 32-Liter-Marke, und das mit 30,6 Litern gleich überaus deutlich. Gepaart damit ist aber ein hoher AdBlue-Verbrauch von 11,7 Prozent auf den Diesel bezogen. Verantwortlich ist das zuvor schon bei den V8 eingeführte „Twin-SCR“-Verfahren mit zweifacher AdBlue-Einspritzung. Beim Testverbrauch werden damit knapp 3,6 Liter AdBlue auf 100 Kilometer fällig und somit rund 2 Liter mehr als bei Motoren mit einer Kombination aus SCR und gekühlter Abgasrückführung (etwa DAF MX-13, Mercedes OM471, Volvo D13 Turbocompound). So ganz nebenbei scheint das Aggregat auch unempfindlich gegenüber höheren Drehzahlen: Auf der Handlingrunde, die mit bis zu zehn Prozent Steigung aufwartet, bleibt der Verbrauch ebenfalls weit unter Durchschnitt.
Der 500 PS starke DC13-174 bildet die zweitstärkste von vier Versionen: Die Alternativen lauten 420, 460 oder 560 PS. Einteiliger Zylinderkopf, zwei obenliegende Nockenwellen (auch als Basis für die Dekompressionsbremse), neue Einspritzdüsen, neue Kurbelwelle und neue Kraftstoffpumpe: Bei der Überarbeitung blieb kaum ein Stein auf dem anderen. Das Verdichtungsverhältnis kletterte von 21 auf 23:1 und eine neue Abgasanlage sowie neue Luftkessel, Diesel- und AdBlue-Tanks gibt es obendrein.
Leer bringt der Testwagen nur 7.260 Kilogramm auf die Waage, in dieser Hubraum- und Fahrerhausklasse ein günstiger Wert. Eine von mehreren Zutaten: Anders als gewohnt, sitzen an der Vorderachse leichte Ein- statt der von Scania gewohnten Zwei-Blatt-Federn. Mit breiten 385/55ern bleibt der Fahrkomfort zwar vergleichsweise hoch, deutlichere Nickbewegungen als mit der Zwei-Blatt-Version sind aber nicht wegzudiskutieren. Zum 420-Liter-Messtank ist am Testwagen zudem ein nur 47 Liter großer AdBlue-Tank installiert, der ebenfalls Gewicht spart, mit dem man beim kräftigen Harnstoff-Durst der SCR-only-Motoren aber buchstäblich nicht weit kommt. Alternativ bietet Scania jetzt AdBlue-Tanks mit bis zu 139 Liter Nutzvolumen an, zuvor war bei maximal 103 Litern Schluss. Folgerichtig hat Scania mit den neuen Motoren also auch in dieser Disziplin deutlich aufgerüstet.
Messwerte und Daten | |
Dieselverbrauch | l/100 km |
Gesamte Strecke: | 30,6 |
Schwere Teilstücke: | 34,5 |
Leichte Teilstücke: | 26,7 |
Volllast (5 % Steigung): | k.A. (Baustelle) |
Teillast (bei 85 km/h): | k.A. (Baustelle) |
Geschwindigkeit | km/h |
Gesamte Strecke: | 84,4 |
Schwere Teilstücke: | 83,4 |
Leichte Teilstücke: | 85,4 |
Volllast (5 % Steigung): | k.A. (Baustelle) |
AdBlue (l/100 km): | 3,58 (11,69 % vom Diesel) |
steigungsbedingte Schaltungen: | 13 |
Innengeräusch Ebene (85 km/h): | 62,3 dB(A) |
Innengeräusch max. (Steigung): | 65,8 dB(A) |
Fahrgestell/Gewicht | |
Bereifung vorn/hinten: | 385/55 R 22,5 / 315/70 R 22,5 |
Reserverad j/n: | n |
Tankgröße Diesel: | 420 Liter |
Tankgroße AdBlue: | 47 Liter |
Federung: | Ein-Blatt-Parabel/Vier-Balg-Luft |
Rahmenstärke: | 8,0 mm |
Radstand: | 3.750 mm |
Retarder j/n: | n |
Leergewicht vollgetankt, mit Fahrer: | 7.335 kg |
Testgewicht: | 39.210 kg |
Motor | |
Reihensechszylinder (Scania DC13 174), Turbolader mit fester Geometrie und Ladeluftkühlung, einteiliger Zylinderkopf, vier Ventile pro Zylinder, Common-Rail-Einspritzung | |
Abgasnorm: | Euro 6e |
SCR j/n: | j |
AGR j/n: | n |
Bohrung: | 130 mm |
Hub: | 160 mm |
Hubraum: | 12.742 ccm |
Leistung: | 368 kW (500 PS) bei 1.800/min |
Max. Drehmoment: | 2.650 Nm bei 900 bis 1.320/min |
Motorbremse: | 354 kW bei 2.400/min |
Getriebe/Achse | |
Scania G33CM; automatisiertes Getriebe, 12+2 Gänge (Crawler und Overdrive) | |
Übersetzung HA: | 2,31 |
U/min bei 85 km/h (größter Gang): | 830 |
Fahrerhaus | |
Scania S Highline, Vier-Punkt-Luftfederung | |
Außenbreite/-länge: | 2.470/2.280 mm |
Einstiegsstufen: | 4 |
Einstiegshöhe: | 1.610 mm |
Scheibe/Rückwand: | 2.080 mm |
Innenhöhe vor Sitz: | 2.030 mm |
Innenhöhe Mitte: | 2.090 mm |
Höhe Motortunnel: | 0 |
Liege unten (B x L): | 650-790 x 2.200 mm |
Liege oben (B x L): | – |

