Experten-Test Iveco Stralis 480 XP: Der Stand der Dinge
Ziemlich genau 17 Jahre ist es her, dass Iveco den Eurostar durch den Stralis abgelöst hat. Anfangs noch mit nahezu identischer Rohkarosserie, im Jahr 2007 dann mit einem überfälligen Schritt: Das große Active Space und später Hi Way genannte Fernverkehrs-Fahrerhaus legte in Länge und Höhe um jeweils knapp zehn Zentimeter zu. Das Gardemaß von zwei Meter Stehhöhe, gemessen vom Stralis-typischen, podestartig angehobenen Motortunnel bis zur Decke, war somit endlich erreicht. Dabei ist es vorerst geblieben, was sich auch am aktuellen Testwagen ablesen lässt: Ein Stralis 480 Hi-Way mit Traxon-Getriebe von ZF, leichter Ein-Blatt-Feder an der Vorderachse, Vier-Balg-Luftfederung hinten, 3,80 Meter Radstand und Achsübersetzung 2,47 zu Eins.
Vorn prangt eine äußere Sonnenblende, auf die Iveco generell nicht verzichtet. Auch das Hochdach ist mehr oder minder Standard. Zwar gibt es vom 2,5 Meter breiten Haus auch eine Version mit Flachdach, aber die sieht man allenfalls mal mit Kippsattel oder in der Tankstellenversorgung. Mit Einführung von Euro 6 löste Iveco den 10,3-Liter-Motor Cursor 10 durch den 11,1 Liter großen Cursor 11 ab, der mit bis zu 480 PS heute längst zum Standardmotor avanciert ist. Klar, es gibt auch weiterhin den Cursor 13, aber der legt mit 510 und 570 PS in den Fernverkehrs-Modellen, neuerdings Stralis XP genannt, erst jenseits der 500-PS-Marke los. Vorerst noch in einer eigenen (Tankstellen-)Liga spielt die 460 PS starke Methan-Variante Cursor 13 NP.
Doch zurück zum 480 PS starken Cursor-11-Diesel im Testwagen, bei dem sich in Verbindung mit dem vorausschauenden Tempomaten „Hi-Cruise“ das Grundmuster früherer Stralis-Tests wiederholt: Ein eher sparsamer Einsatz des Ecoroll-Freilaufs sowie eine auf Tempo ausgelegte Schaltstrategie mit wenig Scheu vor hohen Drehzahlen am Berg. Wobei man dazu sagen muss, dass Iveco in den Testwagen meist auf die lastabhängige Antriebssteuerung „Eco-Switch“ verzichtet (die Schaltzentrale für die permanente, vom Fahrer nicht umschaltbare Aktivierung ist ein kleines Schloss im Beifahrerfußraum). Mit 40 Tonnen und 85 km/h Sollgeschwindigkeit sollte sich zwar ohnehin kein messbarer Effekt einstellen, ansonsten aber wird mit Eco-Switch grundsätzlich bei 85 km/h abgeregelt, der Kickdown deaktiviert, das Drehmoment bei Teilbeladung reduziert sowie in Steigungen später runter- und früher wieder hochgeschaltet.
Auch bei den Dauerbremsen bleibt Iveco der üblichen Test-Konfiguration treu: Das in sechs Stufen regelbare Duo aus Dekompressions-Motorbremse und Retarder sorgt für entspannte Talfahren (die Auspuffklappe dient beim Stralis im Grunde nur zur schnelleren Aufwärmung bei kaltem Motor). Ein regelrechtes Angasen vor Steigungen hat Iveco der Getriebesteuerung zwar nicht eingeimpft, aber dafür wird nach jeder Rollphase wieder zügig auf 85 beschleunigt und kein weiteres Tempo verschenkt. Zudem wirkt die Schaltstrategie im Auslauf einer Steigung souveräner: Die Gänge werden nicht mehr so unnötig weit ausgedreht, wie das bei einem 460-PS-Stralis zu beobachten war. Hier scheinen die 150 Nm mehr, die der 480er aufbietet (2.300 statt 2.150 Nm), das entscheidende Plus.
Besagter 460er absolvierte den Test mit identischer Konfiguration, demselben beladenen Auflieger und den beim XP serienmäßigen 385/55ern Michelin X-Line Energy an der Vorderachse. Im Vergleich kommt der 480er auf ein 0,9 km/h höheres Tempo bei 1,5 Prozent höherem Dieselkonsum. Beim Blick ins Detail relativiert sich der Mehrverbrauch aber etwas: Der Löwenanteil entfällt auf die leichten Streckenabschnitte, wenn es jedoch fast nur hoch und runter geht, herrscht beinahe Gleichstand.
Überzeugen kann der Iveco einmal mehr auch beim Thema Handling, Lenkung und Federung wirken absolut ausgereift. Kurz: Mit üblicher Tempomateinstellung auf 85 km/h sowie plus/minus 5 km/h als Über- und Unterschwinger stellt sich das Gefühl eines angenehmen, zügigen Vorankommens ein. Dabei liegen auch die Innengeräusche zwar nicht auf niedrigstem, aber gutem Niveau. Insbesondere ist es einen Tick leiser als im 460er, wobei der größte nennenswerte Unterschied in der Abgastechnik zu finden ist. Denn im Gegensatz zu den übrigen, auf SCR-only getrimmten Leistungsstufen kommt beim stärksten Cursor 11 (und auch beim stärksten Cursor 13) eine geringe Abgasrückführungsrate von maximal acht Prozent hinzu. Die „Smart EGR“ getaufte Technik greift aber lediglich in Teillastbereichen ein und ist laut Iveco gerade so sparsam ausgelegt, dass kein höherer Wartungsaufwand und vor allem keine aktive Filterregeneration erforderlich werden. Das Mehrgewicht beziffert Iveco mit rund zehn Kilogramm.
Verbunden mit der neuen Technik sind ein leichter Kraftzuwachs (2.300 statt 2.250 Nm beim SCR-only-480er) sowie Einsparungen beim AdBlue: Auf den Diesel bezogen liegt der Bedarf mit 7,2 Prozent ein gutes Prozent niedriger als zuvor. Standard sind in allen neuen XP zudem abschaltbare Luftpresser, bedarfsgesteuerte Lichtmaschinen mit Batteriesensor, Lenkungspumpen mit variablem Durchsatz und eine automatische Motorabschaltung nach einiger Zeit im Leerlauf (mit fünf Minuten als Richtwert, der aber in der Werkstatt geändert werden kann).
Zu den jüngsten Überarbeitungen im (noch) aktuellen Hi-Way– die Nachfolger dürften nicht mehr lange auf sich warten lassen – zählt ein neues Display mit mehr Kontrast auf schwarzem statt blauem Hintergrund. Die Vorhänge enden neuerdings nicht mehr an den A-Säulen, sondern schließen rundum, und die hakeligen seitlichen Rollos wurden durch leichter händelbare Teile ersetzt. Nicht ganz so komfortabel ist aber weiterhin das Auslösen der Lenkradverstellung mit einem Knopf am Boden gelöst und die auf dem Podest ziemlich hoch montierten Sitze gewähren nur wenig Verstellweg ganz nach unten. Wenig Handlungsbedarf gibt es beim Gewicht: Ziemlich genau 7,5 Tonnen bringt die Test-Zugmaschine auf die Waage, mit Fahrer, vollen Tanks (400 Liter Diesel, 80 Liter AdBlue) und Retarder in dieser Fahrzeugklasse ein günstiger Wert. Ein Gutteil geht auf das Konto des kleinen Cursor 11 und die Ein-Blatt-Federn vorne (die den Fahrkomfort erstaunlich wenig mindern), um knapp einen Zentner hat laut Iveco aber auch die Hinterachsfederung der XP-Serie abgespeckt. Zugleich erhielt die seit Mitte 2016 gebaute Generation die neue Hinterachse mit Standardübersetzung 2,47 zu Eins (zuvor 2,64), die bei 85 km/h nur noch 1.130 Umdrehungen diktiert. Im Gegenzug das Tempo schleifen zu lassen, kommt Iveco aber wie eingangs geschildert nicht in den Sinn.
Messwerte und Daten | |
Dieselverbrauch | l/100 km |
Gesamte Strecke: | 34,8 |
Schwere Teilstücke: | 39,3 |
Leichte Teilstücke: | 30,2 |
Volllast (5 % Steigung): | k.A. (Baustelle) |
Teillast (bei 85 km/h): | 21,9 |
Geschwindigkeit | km/h |
Gesamte Strecke: | 82,7 |
Schwere Teilstücke: | 81,7 |
Leichte Teilstücke: | 83,9 |
Volllast (5 % Steigung): | k.A. (Baustelle) |
AdBlue (l/100 km): | 2,52 (7,24 % vom Diesel) |
steigungsbedingte Schaltungen: | 30 |
Innengeräusch Ebene (85 km/h): | 64,3 dB(A) |
Innengeräusch max. (Steigung): | 67,3 dB(A) |
Fahrgestell/Gewicht | |
Bereifung vorn/hinten: | 385/55 R 22,5 / 315/70 R 22,5 |
Reserverad j/n: | n |
Tankgröße Diesel: | 400 Liter |
Tankgroße AdBlue: | 80 Liter |
Federung: | Ein-Blatt-Parabel/Vier-Balg-Luft |
Rahmenstärke: | 6,7 mm |
Radstand: | 3.790 mm |
Retarder j/n: | j |
Leergewicht vollgetankt, mit Fahrer: | 7.495 kg |
Testgewicht: | 39.500 kg |
Motor | |
Reihensechszylinder (Cursor 11) mit Turbolader (mit variabler, elektronisch gesteuerter Geometrie) und Ladeluftkühlung, einteiliger Zylinderkopf, vier Ventile pro Zylinder, Common-Rail-Einspritzung | |
Abgasnorm: | Euro 6 |
SCR j/n: | j |
AGR j/n: | j |
Bohrung: | 128 mm |
Hub: | 144 mm |
Hubraum: | 11.118 ccm |
Leistung: | 353 kW (480 PS) bei 1.465 bis 1.900/min |
Max. Drehmoment: | 2.300 Nm bei 970 bis 1.465/min |
Motorbremse: | 372 kW bei 2.400/min |
Getriebe/Achse | |
ZF 12 TX 2210 TD; automatisiertes Zwölfgang-Getriebe, Direktgangausführung | |
Übersetzung HA: | 2,47 |
U/min bei 85 km/h (größter Gang): | 1.134 |
Fahrerhaus | |
Stralis Hi-Way, Vier-Punkt-Luftfederung | |
Außenbreite/-länge: | 2.490/2.280 mm |
Einstiegsstufen: | 3 |
Einstiegshöhe: | 1.370 mm |
Scheibe/Rückwand: | 2.070 mm |
Innenhöhe vor Sitz: | 2.250 mm |
Innenhöhe Mitte: | 2.000 mm |
Höhe Motortunnel: | 200 mm |
Liege unten (B x L): | 670-800 x 2.200 mm |
Liege oben (B x L): | 790 x 1.940 mm |