TGX 18.460 XLX

Experten-Test MAN TGX 18.460: Aus gutem Hause

von | 1. Juni 2017

Der MAN TGX präsentiert sich im Modelljahr 2017 in neuem Look. Aber auch die inneren Werte haben sich gewandelt. Stichwort Familienbande ...
Foto: MAN

Im Testwagen zeigt der neue VW-Konzernbaukasten erste Wirkung: Getriebe und Retarder stammen von Scania.

Hand aufs Herz: Wer würde in der Top Ten der weltgrößten Lkw-Hersteller den Namen Volkswagen vermuten? Fakt ist: Bereits auf Platz Sechs rangiert die VW-Tochter „Volkswagen Truck & Bus“ mit den Marken MAN, Scania und VW do Brasil. Und wie es sich für einen Konzern mit Mehrmarkenstrategie gehört, macht das Wort vom „Baukastenprinzip“ die Runde. Die sichtbaren Konsequenzen halten sich bislang noch in Grenzen, aber immerhin: Neben Getriebe-Stammlieferant ZF kommt bei MAN inzwischen auch Scania zum Zuge.

Beim Testfahrzeug, einem TGX 18.460 XLX, deutet die vertraute Bezeichnung „MAN Tipmatic Profi“ zwar erstmal nicht darauf hin, die beiden Crawler und die Leistungsdaten des abkoppelbaren Retarders sprechen aber für sich: Die Alias-Namen lauten Scania GRS 905 R für das Getriebe und R4100D für den Retarder mit bis zu 4.100 Nm Bremsmoment. Das erwähnte „abkoppelbar“ bezieht sich dabei auf die neueste Generation, die Schleppverluste unter Last vermeidet. Ungewöhnlich ist aber, dass für den größten Gang die „14“ im Display prangt – die Münchener zählen die 12+2-Gänge des Crawler- Getriebes einfach durch. Das stiftet anfangs leichte Verwirrung, vor allem beim Schaltgeschehen in Steigungen, ist letztlich aber Gewohnheitssache.

Foto: MAN

Den 12,4-Liter-Motor hat MAN in einigen Punkten überarbeitet, unter anderem mit neuen Stahlkolben und neuem Turbolader.

Die Schaltungen selbst, insbesondere die Hochschaltungen, gehen jedenfalls flugs vonstatten und auch die Zusammenarbeit mit dem vorausschauenden GPS-Tempomat, bei MAN „Efficient Cruise“ genannt, klappt einwandfrei. Der damit kombinierte Freilauf („Efficient Roll“) kommt nur sehr sparsam zum Einsatz, was einem als Fahrer nur recht sein kann. Gleiches gilt für die Schwellenwerte über- beziehungsweise unterhalb der gesetzten Tempomatgeschwindigkeit: Es gibt vier feste, per Tastendruck abrufbare Level (+/- 9, +/- 7, +6/-5 und bis +5/-3 km/h), ein leidiges rumdoktern in der Menüführung entfällt damit. Laut MAN hat man sich eine größere Variantenvielfalt überlegt, die Rückmeldungen aus Fahrer- und Kundenkreisen gingen jedoch klar in die Richtung: Effizient, aber bitte einfach.

Überwiegend in der Einstellung +6/-5 km/h unterwegs, ergeben sich über die Testrunde hinweg sehr respektable Durchschnittswerte für Verbrauch und Geschwindigkeit, mit denen sich der Münchener im vorderen Drittel der bislang getesteten Euro-6-Fahrzeuge platziert. Bezogen auf die eigene Leistungsklasse wohlgemerkt, also um 460 PS. Dass der TGX in diese Kategorie fällt, ist der jüngsten Überarbeitung der Motoren geschuldet, die inzwischen die verschärfte Abgasnorm 6 C erfüllen. Die Leistungsstufen des 12,4 Liter großen D26-Motors gingen um je 20 PS und 200 Nm in die Höhe, der 460er folgt also auf den bisherigen 440er. Die Alternativen lauten 420 und 500 PS.

Update auch für den 12,4-Liter-Motor

Im Maßnahmenpaket nennen die Münchener reibungsärmere Stahlkolben, eine optimierte Ölkühlung, eine geregelte Kühlmittelpumpe und einen neuen Abgasturbolader mit schnellerem Ansprechverhalten. Letzteres kommt gefühlsmäßig gut rüber, der Anzug vom Start weg ist für einen 460er mit 40 Tonnen sehr ordentlich. Auch der Fahrkomfort kann unterm Strich überzeugen, und das trotz leichter Ein-Blatt-Feder an der Vorderachse. Denn die Abstimmung damit, kombiniert der rundum luftgefederten Kabine, ist MAN im Wettbewerbsvergleich gut gelungen. Insbesondere arbeitet die Lenkung sehr direkt und von Spurrillen ziemlich unbeeindruckt.

Der Zusatz „Profi “ steht bei der automatisierten Tipmatic-Schaltung dafür, dass der Fahrer der Chef im Ring bleibt – also mit manuellen Schaltungen in jeder Lebenslage und verfügbarem Kickdown. Für Flottenfahrzeuge mit häufig wechselnden Fahrern, zum Beispiel in der Vermietung, hat MAN auch das Schaltprogramm „Fleet“ im Angebot, das eigene Schaltungen nur beim Anfahren, im Schubbetrieb oder in einer Notlauffunktion zulässt – keine allzu verlockende Vorstellung. Auf jeden Fall ist die Bedienung der Tipmatic mit dem Lenksäulenhebel zur Rechten denkbar einfach. Allerdings wäre die sechsstufige Ansteuerung der Dauerbremse (Motorbremse und Retarder im automatisch geregelten Zusammenspiel) mit einzelnen und fühlbaren Rasterstellungen besser gelöst als mit fortwährendem Antippen und Zurückfedern des Hebels.

Foto: MAN

Sachliches Cockpit mit flacher Brüstung, blendfreie Anzeigen mit sechs klassischen Rundinstrumenten.

In der Ausstattungslinie „Efficient Line“ tritt der TGX XLX unter anderem mit leichten Aluminiumfelgen und -druckluftkesseln sowie Spoilerpaket auf. Zur Höhenanpassung rastet der Dachspoiler an der Schiene in sechs Positionen ein, außerdem lassen sich beide Sideflaps unkompliziert vorklappen – was beispielsweise beim Planenspannen von Vorteil sein kann. Mit etwas Fingerspitzengefühl lassen sich an der Spoilerkante vorbei noch die Außenstaufächer öffnen, ohne sich hässliche Kratzer einzufangen. Unkompliziert zu handhaben sind auch die Servicepunkte hinter der von innen verriegelten (!) Frontklappe, inklusive leichten Austauschs des Pollenfilters. Einen Ölstab gibt es beim TGX aber nur noch direkt am Motor.

Weitere Bestandteile der Efficient Line sind der vorausschauende Tempomat, der Retarder und Spritspar-Zutaten wie der bedarfsgerecht geregelte Luftpresser und eine automatische Motorabschaltung nach vier Minuten im Leerlauf. Zusätzlich empfehlenswert ist die automatische Reifendruckkontrolle, beim Testwagen ebenfalls vorhanden.

XLX mit bekannten Plus- und Minus-Punkten

Die Eckdaten der XLX-Kabine, eine Nummer kleiner als das XXL-Haus, lauten wie gehabt: Gut acht Kubikmeter Innenvolumen, 1,80 Meter Stehhöhe auf dem zehn Zentimeter hohen Motortunnel und 1,40 Meter Einstiegshöhe mit drei Stufen. Große Betten mit Lattenrosten und vorbildliche Außenstaufächer einerseits, eine etwas altbackene Inneneinrichtung mit weit ausladendem Kühlschrank und Federspeicherkonsole am Kabinenboden andererseits: Die bekannten Plus- und Minuspunkte bleiben dem MAN vorerst erhalten. Daran ändert auch die neue Farbgebung nichts grundlegendes, wenngleich der jetzt vorherrschende Mix aus Beige und Anthrazit sehr angenehm rüberkommt. Ebenfalls neu ist das Infotainmentsystem „MAN Media Truck Advanced“ mit Fünf- oder Sieben- Zoll-Bildschirm und diversen Zusatzfunktionen wie Truck-Navi und anschließbaren Kameras – alles eine Preisfrage.

Foto: MAN

Kaltschaummatratzen, Lattenroste und abnehmbare Bezüge: Klare MAN-Linie beim Bettenbau.

Außen charakterisiert ein schwarz hinterlegter, silberner Löwe die jüngste TGX-Generation, unterstrichen von zwei neuen Kühlerlamellen in Chromoptik. Jene sehen nicht nur gut aus, sondern sollen auch die Luftströmungen in optimale Bahnen lenken. Übrigens: Wer als MAN-Fahrer vom neuen Außendesign begeistert ist, aber noch eine Weile auf einen Neuwagen warten muss, für den haben die Münchener ein Trostpflaster parat: Die verschiedenen Elemente sind für Fahrzeuge im bisherigen Euro-6-Design auch nachrüstbar. Als sachtes Tuning-Kit, sozusagen.

Messwerte und Daten
Dieselverbrauch l/100 km
Gesamte Strecke: 34,4
Schwere Teilstücke: 39,4
Leichte Teilstücke: 29,3
Volllast (5 % Steigung): 97,2
Teillast (bei 85 km/h): k.A. (Baustelle)
Geschwindigkeit km/h
Gesamte Strecke: 82,5
Schwere Teilstücke: 81,0
Leichte Teilstücke: 83,9
Volllast (5 % Steigung): 68,6
AdBlue (l/100 km): 1,2 (3,5 % vom Diesel)
steigungsbedingte Schaltungen: 23
Innengeräusch Ebene (85 km/h): 64,4 dB(A)
Innengeräusch max. (Steigung): 66,7 dB(A)
Fahrgestell/Gewicht
Bereifung vorn/hinten: 315/70 R 22,5
Reserverad j/n: n
Tankgröße Diesel: 500 Liter
Tankgroße AdBlue: 60 Liter
Federung: Ein-Blatt-Parabel-/Vier-Balg-Luft
Rahmenstärke: 8,0 mm
Radstand: 3.600 mm
Retarder j/n: j
Leergewicht vollgetankt, mit Fahrer: 7.440 kg
Testgewicht: 39.500 kg
Motor
Reihensechszylinder (D2676) mit zweistufiger Turboaufladung und Ladeluftkühlung, einteiliger Zylinderkopf, vier Ventile pro Zylinder, Common-Rail-Einspritzung
Abgasnorm: Euro 6c
SCR j/n: j
AGR j/n: j
Bohrung: 126 mm
Hub: 166 mm
Hubraum: 12.419 ccm
Leistung: 338 kW (460 PS) bei 1.800/min
Max. Drehmoment: 2.300 Nm bei 930 bis 1.350/min
Motorbremse: 325 kW bei 2.400/min
Getriebe/Achse
MAN Tipmatic 12+2 27 DD (Scania), automatisiertes Getriebe, 12+2 Gänge, Direktgangausführung
Übersetzung HA: 2,53
U/min bei 85 km/h (größter Gang): 1.162
Fahrerhaus
MAN TGX XLX, Vier-Punkt-Luftfederung
Außenbreite/-länge: 2.440/2.280 mm
Einstiegsstufen: 3
Einstiegshöhe: 1.420 mm
Scheibe/Rückwand: 2.110 mm
Innenhöhe vor Sitz: 1.940 mm
Innenhöhe Mitte: 1.805 mm
Höhe Motortunnel: 100 mm
Liege unten (B x L): 780 x 2.160 mm
Liege oben (B x L): 680 x 2.120 mm

NEWSLETTER

SOCIALS

BELIEBTE NEWS

BELIEBTE TESTS