Fahrvorstellung Designwerk/Futuricum

E-Lkw-Präsentation Designwerk 2022: Runde Geschichte

von | 1. April 2022

Gemeinsam organisierten Futuricum und Vertriebspartner WGL eine Art Elektro-Messe im Kompaktformat. Neben Partnern aus der Finanz-, Versicherungs- und Energiewirtschaft spielten schwere E-Lkw der schweizer Marke die Hauptrolle
Foto: LZ Media

Beim Autotransporter mit Kässbohrer-Aufbau erfolgt nicht nur der Antrieb elektrisch, sondern auch der Betrieb der Hubsysteme.

Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, muss der Berg zum Propheten. So ungefähr lässt sich eine Veranstaltung rund um Elektro-Lkw betiteln, die die WGL GmbH (Wirtschaftsdienst Güter und Logistik) Ende März 2021 auf dem ehemaligen Heeresflieger-Flugplatz in Mendig auf die Beine gestellt hatte. Wo das Fahrzeug ordern? Nun ja, bei WGL eben, mit Hauptsitz in Frankfurt unter anderem Vertriebspartner des schweizer E-Lkw-Herstellers Designwerk, besser bekannt unter dem Markennamen Futuricum. Wie finanzieren (und fördern lassen), zu welchen Konditionen versichern und – vor allem – wo laden? Auch dazu hatte WGL die entsprechenden Partner eingeladen, die im „Hangar 7″ des Flugplatzgeländes den geladenen Fuhrunternehmern und Spediteuren, aber auch Katastrophenschützern und Feuerwehrleuten, Rede und Antwort standen. In der Gesamtbetrachtung hatte der zweitägige B2B-Event den Charakter einer kleinen, aber feinen Elektro-Lkw- Fachmesse

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Als Vorführwagen hatte Futuricum auch einen Solo-Dreiachser mit Tiefkühlkoffer aufgeboten, der mit 500 kW und 1-Gang-Getriebe gefühlt wie ein Oberklasse-E-Pkw beschleunigt.

Als Hauptdarsteller hatten WGL und Futuricum auf dem Flugplatzgelände mehrere Fahrzeuge für Probefahrten aufgeboten. Allen voran der weltweit erste vollelektrische Autotransporter, den Futuricum gemeinsam mit Aufbauer Kässbohrer auf der Basis eines Volvo FM für die Galliker Transport AG auf die Räder gestellt hat. In der Schweiz absolviert der Anfang 2022 in Dienst gestellte Tandemzug täglich rund 450 Kilometer und lädt danach üblicherweise über Nacht. Wahlweise kann aber auch mit 350 kW in rund eindreiviertel Stunden auf 80 Prozent Batteriekapazität geladen werden. Zur Präsentation in Mendig rollte der Autotransporter auf eigener Achse an. Um mit genügend Reserven für Proberunden bereitzustehen, erwies sich ein einziger Ladestopp auf der Überführungstour als ausreichend. Angesichts der installierten Kapazität kein allzu großes Kunststück: Mit vier Batteriepaketen à 225 kWh ergibt sich eine Gesamtkapazität von 900 kWh. Zusammen bringen die Lithium-Ionen-Batterien zwar gut 5,4 Tonnen auf die Waage, mit dem Wegfall des Dieselmotors und (länderspezifisch) erhöhtem Gesamtgewicht muss beim Einsatz als Autotransporter aber kein zu verladender Pkw stehenbleiben

Basis bilden in der Regel Volvo-Baureihen

Die vier E-Motoren des „Carporter 26E“ bringen es auf eine Gesamtleistung von 500 kW, was auf der unbeladenen Proberunde für einen beeindruckenden Antritt sorgt. „Diese eine Motorenvariante ist absolut ausreichend“, kommentiert Adrian Melliger, Geschäftsführer der Designwerk Products AG. „Drehmoment haben wir sowieso ohne Ende und es ist im Gegenteil eher so, dass sich einige Kunden mit Blick auf den Reifenverschleiß für eine geringere Antriebsleistung entscheiden. Das können wir dann entsprechend elektronisch abregeln.“ Eine weitere Proberunde mit einem leeren Dreiachs-Kühlverteiler, ebenfalls mit Volvo FM-Fahrerhaus, unterstreicht den Gedanken: Mit durchgetretenem Gaspedal macht die ehemalige Heeresflieger-Startbahn ihrem Namen alle Ehre. Von der Beschleunigung satt in den Sitz gepresst, fühlt sich ein Abheben gar nicht mal so abwegig an.
Abgesehen vom Fahrerhaus des Mercedes Econic für Entsorgungsfahrzeuge setzt Futuricum bei der Umrüstung auf die Baureihen Volvo FM, FMX und FH. Bei den Batteriepaketen herrscht große Wahlfreiheit, die auf einem modularen Konzept mit den Basisgrößen 85, 170 und 225 kWh beruht. Auch bei der Montage ist Futuricum flexibel, sei es links und rechts am Rahmen oder, in Manier eines Schwerlastturms, an der Fahrerhausrückwand gestapelt. Letzteres ist in der 900-kWh-Version bei Sattelzugmaschinen der Fall, in einigen Fällen gar nicht anders zu machen. Etwa, wenn bei einem typischen schweizer Solo-Fünfachser, zum Beispiel mit Mischertrommel oder Kippmulde, am Rahmen schlicht kein Platz bleibt. Ein solcher 10×4 markiert gleichsam das Ende der Fahnenstange, das Gros der Produktion entfällt auf Fahrgestelle und Sattelzugmaschinen als 4×2 und 6×2. Über den Standard- Baukasten hinaus realisieren die Schweizer aber auch individuelle Sonderlösungen bis 50 Tonnen Gesamtgewicht. Bei der erzielbaren Reichweite, die selbstverständlich stark von den Einsatzbedingungen abhängt, folgen die Schweizer der (vorsichtig geschätzten) Faustformel von etwa 160 kWh auf 100 Kilometer (beziehungsweise 200 kWh bei Entsorgungsfahrzeugen)

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Mit vier Batteriepaketen à 170 kWh pendelt das Wechselbrücken-Fahrzeug Futuricum 18E 4x2R bei DPD Schweiz hauptsächlich zwischen Basel und Zürich.

Die weitere Triebstrangauslegung ist einheitlich gestaltet: In den Futuricum arbeitet zum 500-kW-Antrieb grundsätzlich ein selbst entwickeltes Eingang-Getriebe. „Jedes weitere Zahnrad bedeutet Verlust, auch bei der Rekuperation“, kommentiert Melliger lapidar. Zur linearen Beschleunigung ohne jede Zugkraftunterbrechung addiert sich damit eine nicht minder eindrucksvolle Bremsleistung, die die Eidgenossen optional mit stufenloser Regelung anbieten: Mit einem zusätzlichen Pedal, eingebaut an Kupplungsposition, lässt sich der Generatoreinsatz sehr feinfühlig steuern. Optimal ist das System beispielsweise, wenn bei Müllsammelfahrzeugen der Fahrer besondere Rücksicht auf die Kollegen auf den Trittbrettern nehmen muss. „Aber auch sonst bestellen rund 90 Prozent unserer Kunden das Rekuperationspedal“, erzählt Melliger. „Mit dem stufenlosen Bremsen ist das einfach ein sehr komfortables Fahren.“ Vom ersten Eindruck der gedrehten Flugplatzrunden her ist dem nicht zu widersprechen

Schlichtes, aber cleveres Zusatz-Display

Egal, ob mit oder ohne Rekuperationspedal, nutzt Futuricum die standardmäßige Bedienlogik von Volvo I-Shift. Also ganz so, wie man es aus konventionellen FM und FH kennt: mit Wählhebel am Fahrersitz oder Vorwahltasten im Armaturenbrett, kombiniert mit einem dreistufigen Motorbremshebel am Lenkrad. Abgesehen vom Futuricum-Emblem auf dem Pralltopf entspricht der übrige Arbeitsplatz ebenfalls den Serien-Schweden. Auch die Instrumente sind nicht eigens angepasst, blau blitzt dem Betrachter beispielsweise das obsolete AdBlue-Symbol entgegen. Im Gegenzug entpuppt sich aber das zirka postkartengroße Infodisplay, das in den Futuricum-Lkw wahlweise die Dach- oder Mittelkonsole ziert, als ebenso sachlich-schlicht wie clever. Zweifarbig in weiß und blau gehalten, erscheinen hier nicht nur übliche Trip-Daten und der aktuelle Ladezustand, sondern per Menüsteuerung zahlreiche Informationen zu Batterien, Antrieb, Lade- und sonstigen Einstellungen. Enthalten ist zum Beispiel eine Systemübersicht, die über die aktuellen Stromverbraucher und deren Leistungsaufnahme informiert – sei es die Heizung von Kabine oder Batterien, die Klimaanlage, der Kompressor oder der Nebenantrieb. In bisher gefahrenen E-Lkw der großen OEM war eine derart detaillierte Übersicht noch nicht zu finden.

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Am vertrauten Volvo-Arbeitsplatz erinnert zunächst nur die Futuricum-Plakete auf dem Pralltopf daran, in einem umgerüsteten E-Lkw aus schweizer Fertigung zu sitzen.

Zum Gesamtkonzept von Futuricum zählt auch ein selbst entwickeltes Monitoringsystem zur Analyse und Aufbereitung der gesammelten Betriebsdaten, der Möglichkeit von Remote-Updates und Warnmeldungen per SMS oder Email. Letzteres ist beispielsweise hilfreich, wenn beim Laden über Nacht ein Stromausfall auftritt und die Einsatzbereitschaft anderweitig sichergestellt werden muss. Mit Blick auf die diversen Spezialanfertigungen (Batterien an der Rückwand bedeuten ja nicht nur mehr Gewicht, sondern auch Einschränkungen bei der Länge) spricht Adrian Melliger offen davon, in keiner Konkurrenz zu Volvo Trucks zu stehen. Angesichts der Tatsache, dass sich Volvo im Jahr 2021 zu 60 Prozent mehrheitlich an Designwerk beteiligt hat, wäre das den Göteborger Entwicklern mit deren eigenem Elektroprogramm auch schwer vermittelbar.

Volvo steht für den Volumenmarkt, Futuricum für Nischenanwendungen,“ präzisiert Melliger. „Da braucht es auch nicht unbedingt die gleiche Technik. Einzelne Komponenten lassen sich aber aus dem Baukasten übernehmen, beispielsweise Kompressoren, was beim Einkauf Synergien bringt.“ Dass Futuricum auf das Servicenetz von Volvo Trucks zurückgreifen kann, auch in Verbindung mit Wartungsverträgen und 24-Stunden-Notdienst, ist von schweizer Seite ein weiterer wesentlicher Pluspunkt. Eine runde Geschichte also, was im übertragenen Sinn auch für die Veranstaltung auf dem Flugplatz in Mendig gilt. Zur Wiederholung – und Nachahnung – unbedingt empfohlen.

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