Fahrbericht Renault D Z.E.

Renault D Z.E.: Elektro-Vorreiter

von | 1. Juli 2021

Die Zukunft für Elektro-Lkw beginnt im Nahverkehr: Für Linienbusse, Müllsammelfahrzeuge und Verteiler-Lkw bieten sich „rund um den Kirchturm“ die besten Voraussetzungen. Renault Trucks geht mit der elektrifizierten D-Serie voran.
Foto: LZ Media

Batterieelektrischer Renault D als typischer Verteiler-Lkw: Kurzes Fahrerhaus, Curtainsider mit Ladebordwand.

Der Lkw-Nahverkehr in Deutschland ist für Renault Trucks ein schwieriges Pflaster: Im Jahr 2020 summierten sich die Neuzulassungen der Renault D-Serie auf nur rund 100 Fahrzeuge. Zum Vergleich: Mit zusammen knapp 12.000 Einheiten dominieren der Mercedes Atego und MAN TGL/TGM das Segment fast allein. Möglicherweise werden die Karten aber neu gemischt, sobald batterieelektrische Verteiler-Lkw Fahrt aufnehmen. Denn bei diesem Thema präsentieren sich die Franzosen schon ziemlich breit aufgestellt: Die Baureihen D Z.E. und D Wide Z.E. laufen bereits seit März 2020 serienmäßig vom Band und decken das komplette Spektrum bis zum 26-Tonner ab.

Bei 5.300 Millimeter Radstand lassen sich am Zweiachser D Z.E. drei bis sechs Lithium-Ionen Akkus installieren, bei 4.400 Millimeter Radstand (und generell an den D Wide 6×2) sind es drei oder vier. Bei der mitgeführten Energie hat Renault aufgerüstet: Seit Ende 2020 sind bei unveränderten Abmessungen pro Akku bis zu 66 statt zuvor 50 kWh geboten. Mit dem Maximum, also sechs Akkus mit knapp 400 kWh, nennt Renault bis zu 400 Kilometer Reichweite.

Für den D Z.E., den Renault Trucks für eine Probefahrt zur Verfügung stellte, sind vier Akkus zu notieren, zwei auf jeder Seite. Mit Sieben-Meter-Curtainsider und Ladebordwand weist der Fahrzeugschein 9.780 Kilogramm Leergewicht aus, womit bei 16,7 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht knapp sieben Tonnen Nutzlast bleiben.

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Blick auf (von oben nach unten): Elektrisches Kühlsystem, 24-Volt-System mit 12 V-Batterien und Wandler.

Vom nahezu geräuschlosen Start weg zieht das unbeladene Fahrzeug wie am Gummiband gezogen los, wobei das automatische Zweigang-Getriebe bei rund 44 km/h in den zweiten Gang schaltet. Mit den zehn Tonnen Leergewicht hat der bis zu 185 kW starke E-Motor keine Mühe, Beschleunigung und Elastizität nötigen gleichermaßen Respekt ab. An einer Gruppe Rennradfahrer, auf der Landstraße locker mit 40, 50 Sachen unterwegs, ist der Elektro-Verteiler mit einem Tritt auf´s Gaspedal im Eiltempo vorbei. Generell ist aber ein zurückhaltender Gasfuß gefragt, um die Nadel der Stromverbrauchs-Anzeige nur selten in den roten Bereich zu jagen.

Die Bedienung des Getriebes ist mit zwei Tasten im Armaturenbrett (vorwärts/rückwärts und neutral) denkbar einfach. Die optimale Rekuperation, also Bremsenergierückgewinnung und Einspeisung in die Batterien, gestaltet sich schon kniffliger. Grundsätzlich empfiehlt Renault den zu- und abschaltbaren Automatikmodus: Der im Schubbetrieb als Generator beziehungsweise Nutzbremse wirkende Elektromotor tritt dann schon beim Freigeben des Gaspedals in Aktion und ist beim Tritt auf´s Bremspedal den Betriebsbremsen vorgeschaltet. Im manuellen Modus wird die Dauerbremsleistung dagegen am fünfstufigen Motorbremshebel abgerufen (Renault-typisch oben links am Lenkrad) und das Bremspedal ist allein den Scheibenbremsen vorbehalten – vorzugsweise bei glatter Fahrbahn.

Angenehmes Fahren im schmalen D-Fahrerhaus

Interessanter Nebenaspekt: Bei einem Ladezustand über 95 Prozent ist die Dauerbremse nicht verfügbar. Anders gesagt: Für die Einspeisung der im Bremsbetrieb gewonnenen Energie braucht es einen gewissen Puffer. Nach einem Start mit randvollen Batterien sind also etwaige Bremsungen auf den ersten Kilometern allein mit den Scheibenbremsen zu bewältigen.

Der Ladezustand schwindet übrigens auch im Stand: Ein Teil der Energie wird zum Aufrechterhalten der optimalen Akkutemperatur verbraucht, sprich zum Kühlen oder Heizen. Bei Standzeiten von einigen Tagen bis zu einer Woche sollte daher eine gewisse Mindestladung gewährleistet sein oder das Fahrzeug durchgehend am Stromnetz hängen. Über das empfohlene Prozedere bei kurz- oder langfristigen Standzeiten, auch unter Berücksichtigung der Umgebungstemperaturen, gibt das mitgelieferte Handbuch eine ausführliche Anleitung.

Das Handling ist einwandfrei, mit dem elektrischen Lenkgetriebe von Bosch ist das Fahrgefühl topp. Außer- wie innerorts ist zudem eine gute Übersicht geboten, was nun allerdings kein spezielles Verdienst der Elektro-Variante darstellt: Mit schmalem Fahrerhaus und zusätzlichem Fenster unten in der Beifahrertür sind die Sichtverhältnisse sehr gut. Den Lärmpegel bestimmen der Fahrtwind und das Abrollgeräusch, vom E-Antrieb ist fast nichts zu hören. Spartanisch kommen die Instrumente daher: Das zentrale Rundinstrument dient als Verbrauchsanzeige und beinhaltet die digitale Geschwindigkeitsanzeige. Im schwarz/weißen Infodisplay rechts daneben lassen sich Trip-Daten abrufen, darunter der Durchschnittsverbrauch in kWh, eine Prozent- und Balkenanzeige für den Batteriezustand und die geschätzte verbleibende Reichweite.

Foto: LZ Media

Links drei kleine Uhren für Ladezustand, Fahrweise und Vorratsdruck, zentrales Rundinstrument als Verbrauchsanzeige (blau für Rekuperation, weiß und rot für Stromverbrauch).

Eine drohende Komplett-Entladung sollte niemandem entgehen: Sinkt der Ladezustand auf rund 20 Prozent, ertönt ein akustisches Signal, die Warnlampe im Rundinstrument leuchtet auf und im Infodisplay erscheint eine Textmeldung. Sollte es knüppeldick kommen und die Akkuladung unter fünf Prozent sinken, schaltet die Elektronik in einen Notfallmodus mit stark reduzierter Leistung.

Für das Laden gibt es drei Anschlussmöglichkeiten: das mitgelieferte AC-Ladekabel mit integrierter Kontrollbox an einer mit mindestens 32 Ampere abgesicherten Drehstromsteckdose, ein AC-Ladekabel an einer Wallbox oder ein DC-Ladekabel an einer Schnellladestation. Dabei kann die AC-Aufladung bis zu 22 kW und die DC-Aufladung bis zu 150 kW liefern – mit entsprechend variierenden Ladezeiten. Wie erwähnt, beansprucht das Temperaturmanagement einen Teil der Energie, zudem werden die Batterien des 24-Volt-Systems über einen Wandler geladen. Bleibt die Preisfrage, zu der sich Renault Trucks aber sehr bedeckt hält. Mehr als die branchenübliche Pi-mal-Daumen-Ansage „ungefähr dreimal so viel wie ein vergleichbarer Diesel“ ließ sich die deutsche Organisation nicht entlocken. Schade eigentlich: Wenn mit der Elektro-Offensive die Karten im Nahverkehr tatsächlich neu gemischt werden sollen, dürfte der schnöde Mammon sicher eine wesentliche Rolle spielen – auch abseits staatlicher Fördergelder.

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Der Ladestecker sitzt auf der Fahrerseite. Das mitgelieferte AC-Ladekabel umfasst einen Dreiphasen-Stecker und eine Kontrollbox mit LED-Statusanzeige.

TECHNISCHE DATEN

ELEKTROMOTOR

Wechselstrom-Synchronmotor, Permanent-Magnet-Technik

Dauerleistung 130 kW / Spitzenleistung 185 kW

Drehmoment 425 Nm

Batteriepack 4 x 66 kWh; Lithium-Ionen-Akkus; Stromversorgung Kompatibel mit Ladeart Mode 2, 3 und 4 (von 22 kW bis 150 kW); geeignet für Schnellladung (Gleichstrom/DC), automatisch begrenzt auf max. 150 kW

NEBENAGGREGATE

elektrisches Lenkgetriebe (Bosch), elektrischer Scroll-Kompressor mit elektronischer Steuerung der Drucklufterzeugung (Air Product Management)

KRAFTÜBERTRAGUNG

Getriebe mit zwei Vorwärtsgängen und einem Rückwärtsgang; Antriebsachse: einfach übersetzte Hinterachse P11150 mit Differentialsperre, Übersetzung 4,50 : 1

FAHRGESTELL

U-Profil Leiterrahmen, 8,0 mm stark, Vollluftfederung, Bereifung 285/70 R 19,5 auf Stahlfelgen, elektronisch geregelte Scheibenbremsen mit ABS, ASR, ESP, Berganfahrhilfe und Notbremsassistent

FAHRERHAUS

Renault Day Cab, kurzes Tagesfahrerhaus mit zwei Einstiegsstufen und mechanischer Aufhängung; 2.276 mm Breite; 1.238 mm Innenhöhe (auf Motortunnel), Einstiegshöhe 1.000 mm; Ausstattung (u.a.): manuelle Kipphydraulik, elektrisch verstell- und heizbare Hauptspiegel, Sideflaps und höhenverstellbarer Dachspoiler, beheizbare Windschutzscheibe, Zentralverriegelung mit Fernbedienung, Außensonnenblende, Beifahrertür „Vision“ mit unterer Scheibe, LED-Tagfahrlicht

FAHRERHAUS INNEN

luftgefederter Fahrersitz „Komfort“ mit Armlehne (verstellbare Lendenwirbelstütze, beheizt, verstellbare Sitztiefe, integrierter Gurt), luftgefederter Beifahrersitz, Anschluss Druckluftpistole an Mittelkonsole, Klimaanlage manuell, 12 V + 24 V Steckdose im Armaturenbrett

ASSISTENZSYSTEME

OBD-Stecker im Fahrerhaus zur Datenerfassung und Fahrzeugdiagnose, Schnittstelle für Flottenverwaltung FMS Gateway, 4G-Telematikmodul TGW (Telematic Gateway) mit Antenne und optionalem Abo für Optifleet-Dienste (Map, Check, Drive); Spurwarnassistent (LDWS), adaptiver Geschwindigkeitsregler (ACC), erweitertes Notbremssystem (AEBS)

AUFBAU

Curtainsider von Junge Fahrzeugbau, L x B x H (innen) 7.280 x 2.480 x 2.470 mm; Ladebordwand Palfinger mit 1.500 kg Tragkraft

ABMESSUNGEN UND GEWICHTE

Radstand 5.300 mm

Spurbreite vorn/hinten 1.922/1.832 mm

Wendekreis (zwischen Wänden) 19.100 mm

zul. Achslasten vorn/hinten 5.800/10.900 kg

zulässiges Gesamtgewicht 16.700 kg

Leergewicht Fahrgestell (Serienausführung laut Datenblatt) 7.937 kg

Leergewicht Testfahrzeug (laut Fahrzeugschein) 9.570 kg

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