Iveco Modelljahr 2024

Leseprobe
Überraschender Paukenschlag: Runderneuerung bei Iveco

von | 1. Dezember 2023

Vom Transporter Daily bis zu den schweren Way-Baureihen hat Iveco in allen Segmenten kräftig Hand angelegt.
Foto: Iveco

Iveco S-Way, Modelljahr 24: Kameras statt Spiegel, neuer XC13-Motor mit 460 bis 580 PS.

Wenn im Jahresverlauf 2023 vom „Modelljahr 24“ des S-Way die Rede war, ließ das in bester Iveco-Tradition ein mehr oder weniger ausgeprägtes Facelift erwarten. Schließlich ist das neue Flaggschiff erst seit 2019 auf dem Markt, gefolgt von einer ersten größeren Überarbeitung Mitte 2021 (lange 2,31er Hinterachse, neue Leistungsstufen des Cursor 13, sprachgesteuerte „Alexa“, Luftleitblenden an den A-Säulen).

Umso krachender fallen die Neuheiten tatsächlich aus. Antrieb, Inneneinrichtung, Kameras statt Spiegel und etliches mehr: Iveco hat zu einem Rundumschlag ausgeholt. Präsentiert wurden die neuen Way-Baureihen Mitte November (T-, X- und S-Way für Baustelle, Regional-, Bauneben- und Fernverkehr), zusammen mit den ebenfalls erneuerten Daily und Eurocargo. Rund eine Milliarde Euro, so die Italiener, habe man für die Verjüngungskur in die Hand genommen.

Überraschend ist vor allem die Einführung einer neuen Motorenplattform. An der Spitze der Antriebspalette steht nun der „XCursor 13“, kurz XC13, der Schwestermarke Fiat Powertrain (FPT Industrial). Als wesentliche Punkte gegenüber den aktuellen 12,9-Liter-Cursor-Motoren nennt Iveco neue zweiflutige Turbolader (Dual-Flow), höhere Einspritzdrücke (bis 2.500 bar), leichtere Zylinderköpfe und -blöcke, überarbeitete Nebenaggregate und verringerte Reibungsverluste. Das Angebot umfasst vier Varianten mit 460, 500, 540 und 580 PS sowie – gegenüber den bisherigen Antriebsoptionen – deutlich erhöhten Drehmomenten von 2500 Nm in der 460-PS-Version bis zu 2.800 Nm beim 580er. In Verbindung mit Feinjustierungen an Aerodynamik, Antriebstrang und GPS-Tempomat verspricht Iveco Kraftstoffeinsparungen von bis zu zehn Prozent. Zusätzliche vier Prozent sollen sich dank neuer After-Sales-Services rauskitzeln lassen, darunter Echtzeitmonitoring und Fahrstilanalyse.

Foto: Iveco

Neuer Arbeitsplatz in den großen Active Space-Fahrerhäusern, u.a. mit digitalem Cockpit, neuem Ablagekonzept, elektrischer Feststellbremse und Motor-Start-Stopp-Knopf.

Mit Blick auf die Waage attestieren die Italiener dem neuen Motor knapp 115 Kilogramm weniger als dem bisherigen Cursor 13. Mit den von Iveco konkret genannten 1.018 Kilogramm unterbietet der XC13 sogar den rund 1.080 Kilogramm schweren 11,1-Liter-Motor Cursor 11 – der im Zuge der Programmerneuerung wohl aufs Altengleis wandert.

Für Fernverkehrs-Anwendungen kombiniert Iveco den XC13 mit Traxon-Getrieben von ZF und Meritor-Achsen (Typ 17X HE) mit nochmals längeren Übersetzungen von 2,17 oder gar 2,06 zu Eins. Mit 315/70er Reifen bedeutet die längste Auslegung bei 85 km/h nur noch 950 Umdrehungen! Auch das Kapitel Dauerbremsen lässt aufhorchen. Für die neue Hochleistungsversion gibt Iveco bis zu 530 kW Bremsleistung an (450 kW in der Standardversion), was im Wettbewerbsvergleich in dieser Hubraumklasse einen Spitzenwert bedeutet. Zum Vergleich: Die Volvo VEB+, eine der leistungsstärkten Motorbremsen am Markt, bringt es beim D13 Turbocompound auf bis zu 430 kW.

Überarbeitet wurden auch die 12,9-Liter-Erdgas- beziehungsweise Methan-Varianten für die Modellreihen X-Way NP und S-Way NP: Statt wie bislang 460 PS und 2.000 Nm Drehmoment sind nun 500 PS und 2.200 Nm aufgerufen, was den Gasmotor nochmals praxistauglicher für hohe Ladungsgewichte macht. Für die Kraftstoffversorgung besteht nach wie vor die Wahl aus dem Anbau von CNG-Druck- oder LNG-Kryotanks. Die möglichen Reichweiten mit maximalen Tankgrößen beziffert Iveco mit bis zu 800 Kilometer bei CNG und bis zu 1.800 Kilometer bei LNG. Perspektivisch ist die Motorenplattform des XC13 zudem für den Betrieb als Wasserstoffverbrenner ausgelegt.

S-eWay als BEV und FCEV

Vorerst nichts wesentlich Neues gibt es von der Elektro-Front zu berichten: Die batterieelektrischen (BEV) und Brennstoffzellen-Varianten (FCEV) des S-Way stehen als 4×2- beziehungsweise 6×2-Sattelzugmascheinen mit den bereits zuvor bekannten Eckdaten zur Verfügung. Etwas verschoben hat sich der Zeitplan: Statt von Ende 2023 ist für die Markteinführung der BEV nun vom ersten Quartal 2024 die Rede, bei den FCEV vom zweiten Halbjahr 2024.

Ergänzend soll der S-Way BEV (künftig S-eWay genannt) ab 2025 als Dreiachs-Motorwagen für den Regional- und schweren Verteilerverkehr auf den Markt kommen. Angepeilt sind bis zu 400 Kilometer Reichweite aus maximal sieben Batteriepaketen mit zusammen 490 kWh. Als „Umstiegshilfe“ zur E-Mobilität hat Iveco das GATE-Programm entwickelt (Green & Advanced Transport Ecosystem, im Juli 2023 zunächst als Pilotprojekt in Italien gestartet), das für den S-eWay nutzungsabhängige Angebote für die Langzeitmiete umfasst.

Foto: Iveco

Im 7- oder 10-Zoll-Infotainment-Display kann der Fahrer Medien und Bedienelemente steuern.

Doch zurück zum konventionellen Angebot. In die Rubrik „erwartbare Neuheiten“ fallen einige Punkte, die schon im vorerst letzten Test mit dem S-Way als nicht mehr ganz zeitgemäß zu verzeichnen waren. Einen gemeinsamen Nenner der Way-Fahrerhäuser bilden nun digitale Instrumente, die in Form und Farbgebung stark an das Layout im DAF XG erinnern. In den großen „Active Space“-Fahrerhäusern addiert sich dazu ein komplett neu geformtes Armaturenbrett, dessen Mittelkonsole ein neues Ablagekonzept sowie einen großen Touchscreen für Infotainment und die Steuerung zahlreicher Fahrzeugfunktionen aufweist. Die sprachgesteuerte Alexa, schon seit der 2021er Überarbeitung an Bord, ist jetzt außerdem vollständig in das Infotainment integriert, der Fahrer benötigt also kein zusätzliches Mobilgerät mehr.

Freuen können sich die Fahrer über einen deutlich größeren Lenkrad-Verstellbereich von komplett waagerecht zur Scheibe hin bis zur 50-Grad-Steilstellung (damit endlich auf Augenhöhe mit dem Wettbewerb, zuvor waren es nur knapp 40 Grad), einen Ausziehtisch auf der Beifahrerseite (mit USB-Ladebuchse daneben) und eine elektrische, bei einem Stopp auch automatisch betätigte Feststellbremse. Eher Geschmacksache dürfte das Starten auf Knopfdruck statt mit dem Schlüssel sein – auch in diesem Punkt hat Iveco mit einigen Wettbewerben gleichgezogen. Eigenwillig allerdings: Der Knopf sitzt nicht vorn in der Armatur, sondern links unten am Lenkrad. Weitere Überarbeitungen betreffen ein neues Klimasystem mit optimiertem Luftstrom, mehr Kniefreiheit am Arbeitsplatz und eine jetzt dreistufige Leiter zum oberen Bett

Drei Fahrmodi und erweiterte Sicherheitssysteme

Endlich können auch Iveco-Fahrer eigenständig und jederzeit am Lenksäulenhebel zwischen den verschiedenen Fahrmodi wechseln und sind nicht mehr darauf angewiesen, dass der Chef über ein Extra-Schloss im Beifahrer-Fußraum die Einstellung ändert. Geboten sind die drei Modi Eco (Kickdown gesperrt, Drehmomentanpassung, maximal 85 km/h), Normal (Kickdown aktiv, jederzeit volles Drehmoment) und Performance (tempo-orientierte Schaltstrategie, wahlweise manueller Modus). ABER: Der Fuhrparkmanager kann per Fernsteuerung bestimmte Parameter festlegen, die der Fahrer nicht außer Kraft setzen kann. Mit der „Driving Mode“-Funktion lässt sich beispielsweise der Eco-Modus fixieren und auch verschiedene Assistenzsysteme lassen sich per Fernzugriff aktivieren.

Das Thema teilautonomes Fahren greift Iveco ebenfalls auf: Der kamerabasierte Spurwächter soll nun auch aktiv zurücklenken, was auf den Einbau einer elektrohydraulischen Lenkung schließen lässt, und in den Abstandsassistenten ist eine zusätzliche Stop-and-Go-Funktion für Staus integriert. Hinzu kommen (optionale) Sicherheitsfunktionen wie Seitenüberwachung, Müdigkeitserkennung, intelligenter Geschwindigkeitsassistent und Alcolock.

Foto: Iveco

Neue Produkte, neuer Markenauftritt: Überarbeitetes Iveco-Logo mit blauem „Lichtblitz“.

Auch die Option „Kameras statt Spiegel“ können Iveco-Kunden jetzt ziehen. Mit den bislang verfügbaren Systemen von DAF, MAN und Mercedes im Hinterkopf, ist die Iveco-Lösung am ehesten mit den Stuttgartern zu vergleichen: Wie beim Actros ersetzen die Kameras an den schweren Iveco die Haupt- und Weitwinkelspiegel, Front- und Rampenspiegel bleiben dran. Bei der Einschätzung des Spritsparpotenzials liegt Iveco ebenfalls auf einer Linie mit dem Stern, die Rede ist von bis zu 1,5 Prozent. Auch eine weitere Neuerung gab´s in ähnlicher Form zuerst bei Mercedes: Iveco hat den GPS-Tempomaten um eine Landstraßen-Funktion ergänzt, die beispielsweise Kurvenradien und Kreisverkehre erkennt und die Geschwindigkeit entsprechend anpasst.

Weitere Neuheiten: eine verstärkte vordere Luftfederung (verfügbar bis hin zum 8×4-Tridem), eine verstärkte 9-Tonnen-Nachlaufachse für 6×2-Fahrgestelle (beispielsweise für Müllsammelaufbauten oder Heckladekräne) und eine einfach übersetzte Antriebsachse (Meritor 18x) für bis zu 60 Tonnen Zuggewicht.

Digitale Services und neues Markenlogo

Schließlich bietet Iveco eine Reihe neuer digitaler Funktionen für Fahrer und Fuhrparkmanager an. Die Palette umfasst die überarbeitete „Easy Way App“ fürs Mobiltelefon (u.a. mit digitaler Abfahrtskontrolle, Fernsteuerungsfunktionen und interaktivem Benutzerhandbuch) sowie neue Möglichkeiten des Echtzeitmonitorings, der Fernsteuerung von Fahrzeugeinstellungen und der vorausschauenden Wartung. Ein weiterer Baustein, auf den aber vermutlich (oder vielmehr: hoffentlich) nur die Fahrer Zugriff haben: Ein ab 2024 verfügbarer „Driver’s Health Monitoring Service“, mit dem sich über die Easy Way App und eine medizinisch zertifizierte Smartwatch Vitalwerte wie Herzfrequenz, EKG, Sauerstoffsättigung und Schlafqualität überwachen lassen.

Selbstverständlich sollen die gebündelten Innovationen auch optisch einen markanten Eindruck hinterlassen, weshalb sich Iveco gleich mal ein neues Markenlogo zugelegt hat: Schwarze Schrift mit einem blauen Lichtblitz im „E“, der die Verbindung zwischen dem Erbe von Iveco und seiner energiegeladenen Zukunft darstellen soll. Nun denn, Designer halt. Ganz handfest können Iveco-Kunden ihr neues Flaggschiff ein Stück weit individualisieren: Satte acht Kühlergrillvarianten stehen zur Auswahl, darunter eher schlichte Karosseriefarben, matte und glänzende Oberflächen sowie eingearbeitete Metallelemente und weitere Farbakzente. Schlussendlich kommt also auch das vielzitierte „Facelift“ zu seinem Recht.

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