Renault T 520 High Sleeper Cab

Experten-Test Renault T 520: Ein echter Schritt nach vorne

von | 1. Dezember 2021

Mit dem Zusatz „Evolution“ deutet Renault Trucks an, dass sich beim Fernverkehrs-Flaggschiff T zuletzt mehr als nur etwas weitere Modellpflege getan hat. Einige Neuerungen, zum Beispiel bei der Lenkradverstellung, waren tatsächlich überfällig.
Foto: Renault Trucks

Mit dem T Evolution hat Renault konsequent mit einigen bisherigen Kritikpunkten aufgeräumt.

Bei der Vorstellung im Jahr 2013 markierte der Renault T gleich in doppelter Hinsicht einen kompletten Modellwechsel: Mit wahlweise hoch oder tief montierter Kabine löste der T die Baureihen Magnum und Premium im Alleingang ab. Auf den radikalen Schnitt blieb es in der Folge aber ziemlich ruhig. Unter den Maßnahmen der vergangenen Jahre ragten antriebsseitig Common-Rail- statt Pumpe-Düse-Motoren und der vorausschauende „Optivision“ -Tempomat heraus, rund um die Fahrerhäuser waren im Wesentlichen einige neue Ausstattungsoptionen und aerodynamische Anpassungen zu verzeichnen.

Beim 2021 eingeführten „T Evolution“ legten die Franzosen nun deutlich stärker Hand an. Serienmäßig sind jetzt LED-Scheinwerfer vorhanden (verbunden mit einem sachten Facelift an der Front), neue Sitze und Matratzen, eine deutlich verbesserte Lenkradverstellung, ein schlüsselloses Start-Stopp-System sowie weitere Feinarbeiten im Cockpit wie Telefon- und Tablethalter mit zusätzlichen USB-Ladeanschlüssen. Zudem hat Renault die Fahrprogramme der automatisierten Getriebe neu aufgelegt und nicht zuletzt die Ölwechselintervalle auf bis zu 150.000 Kilometer ausgedehnt.

Foto: Renault Trucks

Die Grundform des Cockpits bleibt dem T Evolution erhalten. Zum Standard zählt somit weiterhin die große (und beliebte) offene Ablage oben auf der Armatur.

Die Summe der Teile sollte mit einem 520 PS starken T High Sleeper im Rahmen einer Fahrerbefragung zur Diskussion gestellt werden, einmal mehr durchkreuzten aber verschärfte Coronamaßnahmen die Pläne. Als Alternative blieb die Fahrt über die Testrunde, ausnahmsweise ohne Verbrauchswertung. Darauf war der kaum eingerollte Vorführwagen, ausgestattet zudem mit Doppeltankanlage, Drucklufthörnern auf dem Dach und neuen Reifen, schlicht nicht vorbereitet.

Zu entdecken gab es auch so genug. Beispielsweise die neue Lenkradverstellung: Die insgesamt drei Verstellwege werden per Druckschalter mit der linken Fußspitze ausgelöst, was von fast waagerecht oben vorne bis zur 60-Grad-Steilstellung einen riesigen Schwenkbereich eröffnet. In dieser Disziplin hat der T somit zum Spitzentrio aus MAN, Scania und Volvo aufgeschlossen. Mit dem Steuer bleibt aber eine konventionelle ZF-Hydrolenkung von Bosch verbunden. Damit gibt es beim Fahrverhalten zwar keinen Grund zur Klage, neueste Sicherheitssysteme wie eine aktive Spurrückführung oder gar ein teilautomatisiertes Fahren sind aber keine Option. Auch eine integrierte Standklimaanlage a la Volvo I-Park Cool fehlt noch: Es bleibt bei der Wahl aus einer kompletten Aufdachanlage oder einer Split-Version mit Kompressor an der Rückwand.

Vollluftfederung mit Vor- und Nachteilen

Ansonsten hat Renault beim Vorführer alle Spritspar-Register gezogen: Fahrprogramm Fuel Eco mit deaktiviertem Powermodus, automatische Motorabschaltung nach fünf Minuten im Leerlauf (mit 90 Sekunden Vorwarnzeit), auskuppelbarer Luftpresser und das volle Aerodynamik-Paket mit zusätzlichen Luftleitelementen an Türen, Scheinwerfern und Seitenverkleidungen, in den Radläufen und unterm Stoßfänger. Damit ist zwar speziell vorne die Bodenfreiheit knapp, aber im Gegenzug ist der Testwagen mit einer Vollluftfederung ausgestattet – die Vorderachse lässt sich also anheben. Mit einer automatischen Absenkfunktion auf der Autobahn, wie beim Konzernbruder Volvo FH zwecks Windschlüpfrigkeit im Angebot („aktives Chassis“), kann der Renault T aber nicht dienen.

Auf der Autobahn ist die Vollluftfederung allemal komfortabel, auf der Handlingrunde mit teils arg ausgefahrener Landstraße ist das Bild gemischt: In Verbindung mit der ebenfalls vollluftgefederten Kabine, die in Form der High Sleeper Cab zudem einen hohen Schwerpunkt aufweist, kann das sachte Schaukeln stellenweise schon auf den Magen schlagen. Bei früher gefahrenen, ebenfalls vollluftgefederten T mit niedrig montierter Sleeper Cab war die Abstimmung spürbar straffer – und rund 250 Kilogramm Gewicht spart die kleinere Kabine mit tieferem Einstieg auch noch.

Foto: Renault Trucks

Kurzes Drücken auf den Startknopf bewirkt den Wechsel vom Zubehör- in den Zündungsmodus. Im Zubehörmodus sind nur einige Bordsysteme wie Radio und Belüftung aktiv, im Zündungsmodus alle.

Die großen Vorteile des High Sleeper liegen im völlig ebenen Kabinenboden, mehr Stehhöhe in der Mitte und zwei zusätzlichen Außenstaufächern. Ab Oberkante Windschutzscheibe sind die Häuser identisch. Ein Manko bleibt die eingeschränkte Sicht am rechten Außenspiegel vorbei, der beim Blick nach schräg vorn keinen Spalt zur A-Säule lässt. Kamerasysteme hat Renault (noch) nicht im Angebot, Versuchsträger wie das „Optifuel Lab“ auf Basis des T bieten aber einen Vorgeschmack. Bei den Innengeräuschen schneidet der T gut ab: nicht ganz so leise wie Volvo oder Scania, aber im vorderen Verfolgerfeld.

Die Sitze bezieht Renault von Recaro, wobei die Auswahl im Testwagen auf Alleinfahrer zugeschnitten ist: für den Fahrer eine Luxusvariante, rechts ein ungefederter, aber um 90 Grad drehbarer Sitz. Bei den Liegen bleibt es bei der bisherigen Grundauswahl – unten ausziehbar oder fest, oben mit hochklappbarem Vorderteil als Gepäckablage –, die Matratzen und Auflagen kommen nun aber in hochwertigerer Ausführung daher. Oben gibt es an der Rückwand immerhin zwei Netztaschen. Unten ist die Ablagekonsole mit einer komfortablen Kabelfernbedienung bestückt.

Weitere Pluspunkte sammelt der T mit der dimmbaren Innenbeleuchtung, dem großzügigen 40-Liter-Kühlschrank, der robusten Leiter in die obere Koje oder auch Details wie dem von der Klimaanlage mitgekühlten Handschuhfach. In den Armaturen lassen sich die Schalter nach eigenen Vorlieben versetzen (links und rechts an zwei Laschen rausziehen), zum Fahrer hin ergänzen ein neuer Getränkehalter und eine breitere Schublade das Ablagenkonzept.

Tempomatsteuerung auch im Renault mit "Überschwung"

Das neue Start-Stopp-System ist aktiv, sobald die Fernbedienung der Schließanlage im Fahrerhaus erkannt wird. Bewährt sind die leicht händelbaren seitlichen Rollos und das elektrisch betätigte Pendant vorne, das Innendekor mit roten Applikationen erinnert an das noble Interieur eines Scania V8. Apropos Scania: Wie bei den Schweden und MAN arbeitet nun auch der Tempomat im Renault mit einer dynamischen Segelfunktion („Pulse and Glide“). Bei testüblichen 85 km/h bedeutet das auf ebener und leicht abschüssiger Fahrbahn ein Pendeln zwischen 83 und 87 km/h – allerdings nicht stur und nervig, sondern per GPS-Streckenerkennung auf den Spareffekt hin berechnet. Voraussetzung dafür ist die Auswahl des Fahrprogramms „Eco on“, das aber bei Autobahntempo 85 bis zu 10 km/h Unterschwung über Kuppen vorsieht – bei dichtem Verkehr nicht sehr spaßig. Mit „Eco off“ halbiert sich der Wert auf minus 5 km/h, und das dynamische Segeln ist deaktiviert.

Was ein Angasen vor Steigungen betrifft, ist die automatische Beschleunigung dem System im Sparmodus „Eco on“ eingeimpft, nicht aber in „Eco off“: Die vergleichbaren Systeme der Wettbewerber verfahren in der Regel andersrum. Immerhin kommt der T 520 damit in beiden Modi und selbst mit langer Achse (2,31 zu 1) auf eine akzeptable Durchschnittsgeschwindigkeit: Mit „Eco on“ geht es schneller in den Berg hinein, mit „Eco off“ zügiger über die Kuppe hinweg. In beiden Programmen ist zwar der Kick-down stillgelegt, das Tempo aber nicht vorzeitig abgeregelt, und es sind manuelle Schaltungen möglich.

Der Überschwung für Gefällstrecken ist jeweils bis plus 10 km/h frei einstellbar, der untere Wert wird vom System automatisch angepasst. So oder so ist im Auslauf von Gefällen eine zusätzliche Schwungspitze von circa 3 bis 4 km/h erlaubt (entsprechend 93 bis 94 km/h bei eingestellten 90), was in ähnlicher Form inzwischen bei fast allen Herstellern zum Handwerkszeug gehört. Im Renault dauert der Spuk zwar maximal 45 Sekunden, um keinen Eintrag auf der Karte zu riskieren, in einer rechtlichen Grauzone befindet man sich aber allemal.

Foto: Renault Trucks

Die neuen LED-Scheinwerfer am T Evolution beanspruchen insgesamt weniger Platz. Seitlich sind neue Windleitelemente angebracht.

Unverändert gut im Renault T: die beiden Schnellwahltasten S1 und S2 für zwei Tempomatvorgaben, etwa für Autobahn und Landstraße. Gewöhnungsbedürftig bleiben die Bedienelemente unterm Lenkrad: Links will blind der Wippschalter für das Anpassen der Geschwindigkeit ertastet sein, rechts muss die Fingerkuppe die kleine Dreh-Drück-Walze für die Menüführung finden.

Mit 1.050 Liter Diesel, 100 Liter Adblue und Fahrer bringt es der T 520 auf 8.345 Kilogramm. Runtergerechnet auf ein übliches Testmaß (400 Liter Diesel, 80 Liter Adblue) verbleiben rund 7.675 Kilogramm, womit sich der T in dieser Fahrerhaus- und Leistungsklasse im gesunden Mittelfeld der Konkurrenz befindet. Erst recht, da der Testwagen zur Kompressionsbremse Optibrake+ auch noch mit einem circa 100 Kilogramm schweren Voith-Retarder aufwartet, was in Summe über 1.100 PS Bremsleistung ergibt. Unterm Strich ist insbesondere ein deutlicher Gewichtsverlust gegenüber einem T 480 High zu verzeichnen, der anno 2018 noch rund drei Zentner mehr auf die Waage brachte.

Antrieb, damals wie heute: der 12,8-Liter-DTI13, nun in Euro 6e statt seinerzeit Euro 6c. Während dieses Update keine nennenswerten Umbauten bedeutete, liegt der Fall bei der neuen, Ende November 2021 angekündigten Generation anders: Die DE13 genannten Nachfolger bekommen unter anderem neue Kolben, Einspritzdüsen und Turbolader. Das Angebot wird zudem erweitert: Für den Renault T stehen künftig auch die 12,8-Liter-Varianten mit Turbocompound-Technik zur Wahl, die bislang dem Volvo FH vorbehalten waren. Der landläufige Spruch von der „Volvo-Technik zum Renault-Preis“ könnte somit in Zukunft noch häufiger zu hören sein.

Messwerte und Daten
Dieselverbrauch l/100 km
Gesamte Strecke: keine Messung
Schwere Teilstücke: keine Messung
Leichte Teilstücke: keine Messung
Volllast (5 % Steigung): keine Messung
Teillast (bei 85 km/h): keine Messung
Geschwindigkeit km/h
Gesamte Strecke: 82,0
Schwere Teilstücke: 80,5
Leichte Teilstücke: 83,5
Volllast (5 % Steigung): 64,6
AdBlue (l/100 km): 8,96 % vom Diesel
steigungsbedingte Schaltungen: 28
Innengeräusch Ebene (85 km/h): 63,7 dB(A)
Innengeräusch max. (Steigung): 65,0 dB(A)
Fahrgestell/Gewicht
Bereifung vorn/hinten: 385/55 R 22,5 / 315/70 R 22,5
Reserverad j/n: n
Tankgröße Diesel: 650+405 Liter
Tankgroße AdBlue: 80 Liter
Federung: Vollluft (hinten Zwei-Balg-Luft)
Rahmenstärke: 8,0 mm
Radstand: 3.800 mm
Retarder j/n: j
Leergewicht vollgetankt, mit Fahrer: 8.345 kg
Testgewicht: 40.000 kg
Motor
Reihensechszylinder (Renault DTI 13) mit Turboaufladung und Ladeluftkühlung, einteiliger Zylinderkopf, vier Ventile pro Zylinder, Common-Rail-Einspritzung
Abgasnorm: Euro 6e
SCR j/n: j
AGR j/n: j
Bohrung: 131 mm
Hub: 158 mm
Hubraum: 12.777 ccm
Leistung: 382 kW (519 PS) bei 1.430 bis 1.800/min
Max. Drehmoment: 2.550 Nm bei 1.000 bis 1.430/min
Motorbremse: 382 kW bei 2.300/min
Getriebe/Achse
Optidriver AT 2612 F (Volvo I-Shift); automatisiertes Zwölfgang-Getriebe, Direktgangausführung
Übersetzung HA: 2,31
U/min bei 85 km/h (größter Gang): 1.060
Fahrerhaus
Renault T High Sleeper, Vier-Punkt-Luftfederung
Außenbreite/-länge: 2.350-2.464/2.309 mm
Einstiegsstufen: 4
Einstiegshöhe: 1.660 mm
Scheibe/Rückwand: 2.050 mm
Innenhöhe vor Sitz: 2.050 mm
Innenhöhe Mitte: 2.100 mm
Höhe Motortunnel: 0
Liege unten (B x L): 680-780 x 1.980 mm
Liege oben (B x L): 655 x 1.980 mm

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