Ford F-Max 500 PS

Experten-Test Ford F-Max: Neuer Herausforderer

von | 1. August 2019

Mit schweren Lkw war Ford Otosan bislang vor allem in der heimischen Türkei, Nahost und den GUS-Staaten aktiv. Mit dem F-Max soll der Eintritt in die EU-Märkte gelingen. Im ersten Test verfestigt sich der Eindruck, dass der Plan aufgehen kann.
Foto: Ford Trucks

Allzu große Variantenvielfalt herrscht beim F-Max noch nicht, 500 PS sind im Fernverkehr gesetzt.

Schaut man sich die Zulassungen schwerer Lkw in der EU an, verteilt sich der Kuchen im Wesentlichen auf die sieben großen Marken von DAF bis Volvo. Beim türkischen Hersteller Ford Otosan, je zur Hälfte im Besitz der Ford Motor Company und der türkischen Koc Holding, sprechen die Strategen gern von den „sieben Schwestern“. Das unverhohlene Ziel: künftig auf Augenhöhe als eine von Acht aufzutreten.

Für die praktische Umsetzung der ehrgeizigen Pläne schickt Ford Otosan die neue Serie F-Max ins Rennen – und deren typischsten Vertreter zum ersten Test: Eine 4×2-Sattelzugmaschine mit Hochdach-Fahrerhaus, 500 PS starkem 12,7-Liter-Motor und Standard-Rahmenhöhe mit 315/70er Reifen. Die Alternativen sind derzeit ohnehin gering: Es gibt noch eine Volumenvariante mit 980 Millimeter Aufsattelhöhe, damit hat es sich. Dreiachser, Fahrgestelle und Baufahrzeuge bis zum Vierachser sind weiter in der angegrauten Baureihe Cargo angesiedelt.

Foto: Truckexperten

Eine Doppeltankanlage mit 1.050 Liter Diesel sowie ein 78 Liter großer AdBlue-Tank markieren bei den F-Max-Sattelzugmaschinen den üblichen Standard.

Noch Potential in Sachen Verbrauch und Gewicht

Vorm Test geht´s auf die Waage, die für den F-Max satte 8.535 Kilogramm anzeigt. Mit Blick auf die vollen Dieseltanks, 600 und 450 Liter, relativiert sich das Gewicht zwar etwas, aber dennoch: Gute sechs Zentner sollte die Zugmaschine mindestens abspecken, um in dieser Fahrerhaus- und Hubraumklasse auf einen gängigen Wert zu kommen. Sparpotential dürfte es vor allem am Rahmen und der Hinterachsaufhängung geben, denn an der Vorderachse sind bereits Ein-Blatt-Federn montiert. Hinten sind zwei Luftfederbälge Serie, eine leichtere Vier-Balg-Version soll als Option folgen. Die Doppeltankanlage mit 1.050 Liter Diesel sowie ein 78 Liter großer AdBlue-Tank bedeuten gegenwärtig das Maximum und sind zudem Standard. Bei der erwähnten Volumenausführung sind es 920 Liter (510 plus 410). Beides bezieht sich auf 3.600 Millimeter Radstand, eine Variante mit 3.750 Millimeter, dann auch mit größeren Tanks, ist in Planung.

Mit der aktuellen Auslegung geht es in der Vier-Punkt-luftgefederten, halbhoch montierten Kabine sportlich-straff über die Runde. Von der Vorderachse her ist es bisweilen etwas holprig, aber das bekommt ein Großteil der Konkurrenz mit leichten Ein-Blatt-Federn auch nicht besser hin. Mit einem Durchschnittsverbrauch von 37,0 Liter muss Ford das Feld der Etablierten ebenfalls nicht mit dem Fernglas suchen. Zwar liegen über die Testrunde die Werte der 500-PS-Klasse im Bereich von 34 bis 36 Liter, aber leider erschienen die Türken nicht mit einem eigens vorbereiteten Testfahrzeug zur Messung. Abgesehen vom Verzicht auf alle sonstigen Maßnahmen, die normalerweise zum kleinen Einmaleins der Fahrversuchs-Abteilungen zählen (zum Beispiel optimal abgerollte Reifen), war der F-Max zu Testbeginn so gut wie neu: Mit nur rund 6.000 Kilometern auf der Uhr, davon ein Großteil abgesattelt auf Promotiontour unterwegs, ging es für den F-Max überhaupt erst zum dritten Mal zum Volltanken. An spritsparenden Nebenaggregaten mangelt es derweil nicht: Gängige Zutaten wie geregelte Wasserpumpe, geregelter Zweizylinder-Luftpresser und elektronisch gesteuerter Lüfter sind vorhanden. Für kurze Pausen im Winter ist zudem eine sparsame Standheizung mit Restwärmepumpe installiert.

Dauerbremsen ohne Fehl und Tadel

Auch der AdBlue-Verbrauch sollte künftig noch sinken. Im Test bemisst er sich auf acht Prozent vom Diesel, was einen SCR-only-Motor vermuten lässt. Dem ist aber nicht so: Der „Ecotorq“-Sechszylinder arbeitet mit gekühlter Abgasrückführung. SCR-only kommt für Ford generell nicht in Frage: Nach Einschätzung der Entwickler seien damit künftige, noch strengere Abgasnormen als Euro 6D nicht zu machen. Nachdem Ford Otosan noch bis 2016 auf Motoren von Fiat Powertrain gesetzt hatte, stammt der neue, mit einstufigem VTG-Lader ausgerüstete Motor aus eigener Entwicklung. Nach Vorgänger- Versionen mit 420 und 480 PS stellen im F-Max nun 500 PS den Standard dar (480 PS gibt es nach wie vor im Ford „Legacy“, so eine Art „Actros bewährt“ auf türkisch).

Mit der serienmäßigen Kompressionsbremse kommt das Aggregat auf 520 Brems-PS, ein guter Wert. Im Zusammenspiel mit dem ZF-Retarder wird die Bremsleistung geblendet: In der ersten und zweiten Stufe 50 Prozent Motorbremse und 20 oder 40 Prozent Retarder, in den Stufen 3, 4 und 5 dann volle Motorbremsleistung mit 60, 80 und schließlich 100 Prozent Retarder. In der Praxis ist damit für eine sehr gute Dosierbarkeit gesorgt und der F-Max braucht beim Thema Dauerbremsen keinen Vergleich zu scheuen. Wird der Retarder gespart, ist der Bremshebel zweistufig mit 60 und 100 Prozent Motorbremsleistung belegt. Unterwegs bleibt es mit dem Ecotorq-Motor relativ leise, wobei die 2,47 zu Eins übersetzte Achse bei 85 km/h rund 1.130 Umdrehungen diktiert – angesichts von 2.500 Nm Drehmoment ein guter Kompromiss, wie sich auch an nur 20 steigungsbedingten Schaltungen ablesen lässt. Apropos ablesen: Die Drehzahl lässt sich mit der ungewohnten 125-Touren-Skalierung in der Uhr nicht unbedingt auf den ersten Blick einschätzen. Ansonsten sind die tief in der Armatur versenkten Instrumente jederzeit blendfrei lesbar.

Foto: Truckexperten

Keine offene Ablage oben auf der Armatur, aber ansonsten ein gut gemachtes Cockpit.

Praxisgerechte Einrichtung

Mittelfristig plant Ford Otosan auch die Fertigung eigener Getriebe. Momentan kommt das automatisierte ZF Traxon zum Einsatz, das auch im F-Max mit weichen und schnellen Schaltungen überzeugt. Manuelle Eingriffe sind außerdem jederzeit möglich. Von der Programmierung her gibt es die übliche Palette mit Kickdown, Power- und Eco-Modus, vorausschauendem Tempomat mit GPS-Anbindung und topografischem Kartenmaterial, Segelbetrieb im Leerlauf sowie in vier Stufen einstellbare Über- und Unterschwinger für Senken und Kuppen. Mehr Freiheiten wie die fixe Einstellung von plus/minus null, drei, sechs oder neun km/h gibt es aber nicht, auch keine weiteren Schwungspitzen im Auslauf von Gefällen und kein separater Bremstempomat wie etwa im Scania (beziehungsweise die Option, die angebremste Geschwindigkeit automatisch halten zu lassen). Abgesehen von derlei Nuancen ist der F-Max aber auch beim Kapitel Getriebe und Schaltung auf der Höhe der Zeit.

Auf Anhieb sehr viel richtig hat Ford Otosan beim Fahrerhaus gemacht: Geboten sind durchgängig über zwei Meter Innenhöhe, ein gut aufgeteiltes Schlafabteil und ein übersichtliches Cockpit. Echten Vorzeigecharakter haben die Schränke vorne und hinten, aus sehr stabil wirkendem Kunststoff und mit Gasfedern an den Klappen. Mückennetz und Verdunkelung am Aufstelldach, an der Scheibe ein einteiliges, elektrisch betätigtes Sonnenrollo und leicht händelbare Pendants in den Türen: das passt schon alles. Erstaunlich groß ist der Lenkrad-Verstellbereich, von komplett nach oben vorne weg bis zur 50-Grad-Steilstellung. Für eine positive Überraschung sorgt auch der Fahrersitz des türkischen Zulieferers Assan Hanil, der in der eingebauten Luxusvariante voll überzeugen kann. Abgerundet wird der gute Gesamteindruck vom Multimedia-System mit 7,2-Zoll-Touchscreen, Funktionen wie Apple Carplay und Truck-Navi sowie Kompatibilität mit Front- und Rückfahrkameras.

Ehrgeizige Pläne könnten gelingen

Gimmicks wie eine elektrische Feststellbremse gibt es noch nicht, aber der gängige Fundus an Assistenzsystemen ist vorhanden, darunter auch Reifendruckkontrolle und Fahrstilbewertung. Ein Regensensor ist Serie, LED-Hauptscheinwerfer als Option erhältlich. Ein cleveres Detail ist die Gummidichtung an der Tür, um die oberste Trittstufe als wetterfestes Schuhfach zu nutzen. Die Luken der jeweils rund 300 Liter großen Außenstaufächer sind ausreichend groß für Getränkekisten und die Fächer auch beleuchtet. Mit einer Unterkanten-Höhe von 1,60 Meter ist die Beladung für kleinere Staturen aber nicht ganz einfach. Zudem klappt das Sideflap nach vorn zur Flanke hin, wonach der Staufachdeckel nicht mehr aufgeht (der Aufstieg hinten ist auf der Beifahrerseite). Haupt-Kritikpunkt: Eine unverriegelte Frontklappe ist zwar auch anderswo üblich, aber der Verzicht auf Ölstab und sogar Öleinfüllstutzen dahinter nicht der Weisheit letzter Schluss.

Bleibt als Fazit: Potential als ernsthafter Herausforderer der „sieben Schwestern“ hat der F-Max allemal, auch wenn es die ein oder andere Stellschraube noch zu drehen gilt. Nach ersten Stützpunkten in Südosteuropa (das Testfahrzeug war in Ungarn zugelassen) soll es ab Ende 2019 in Portugal, Spanien und Italien weitergehen. Der Markteintritt in Deutschland ist noch nicht beschlossen, sollte mit einem leistungsfähigen Servicenetz im Rücken – etwa mit der jüngst beschlossenen Kooperation mit TIP Trailer Services – aber wahrlich nicht unmöglich sein.

Foto: Truckexperten

Zwei Liegen mit angemessener Kopffreiheit und noch Schränke zusätzlich können nicht viele Hersteller bieten.

Messwerte und Daten
Dieselverbrauch l/100 km
Gesamte Strecke: 37,0
Schwere Teilstücke: 41,9
Leichte Teilstücke: 32,1
Volllast (5 % Steigung): 99,7
Teillast (bei 85 km/h): k.A. (Baustelle)
Geschwindigkeit km/h
Gesamte Strecke: 82,5
Schwere Teilstücke: 81,4
Leichte Teilstücke: 83,7
Volllast (5 % Steigung): 71,0
AdBlue (l/100 km): 2,90 (7,85 % vom Diesel)
steigungsbedingte Schaltungen: 20
Innengeräusch Ebene (85 km/h): 64,6 dB(A)
Innengeräusch max. (Steigung): 66,0 dB(A)
Fahrgestell/Gewicht
Bereifung vorn/hinten: 315/70 R 22,5
Reserverad j/n: n
Tankgröße Diesel: 600+450 Liter
Tankgroße AdBlue: 78 Liter
Federung: Ein-Blatt-Parabel/Zwei-Balg-Luft
Rahmenstärke: k.A.
Radstand: 3.600 mm
Retarder j/n: j
Leergewicht vollgetankt, mit Fahrer: 8.610 kg
Testgewicht: 40.000 kg
Motor
Reihensechszylinder (Ford Ecotorq) mit einstufigem VGT-Turbolader (variable Geometrie; BorgWarner) und Ladeluftkühlung, vier Ventile pro Zylinder, Common-Rail-Einspritzung
Abgasnorm: Euro 6d
SCR j/n: j
AGR j/n: j
Bohrung: 130 mm
Hub: 160 mm
Hubraum: 12.742 ccm
Leistung: 368 (500 PS) bei 1.400 bis 1.850/min
Max. Drehmoment: 2.500 Nm bei 1.000 bis 1.400/min
Motorbremse: 382 kW bei 2.400/min
Getriebe/Achse
ZF 12 TX 2620 TD; automatisiertes Zwölfgang-Getriebe, Direktgangausführung
Übersetzung HA: 2,47
U/min bei 85 km/h (größter Gang): 1.134
Fahrerhaus
Ford F-Max, Vier-Punkt-Luftfederung
Außenbreite/-länge: 2.500/2.290 mm
Einstiegsstufen: 3
Einstiegshöhe: 1.550 mm
Scheibe/Rückwand: 2.065 mm
Innenhöhe vor Sitz: 2.100 mm
Innenhöhe Mitte: 2.060 mm
Höhe Motortunnel: 90 mm
Liege unten (B x L): 680-780 x 2.130 mm
Liege oben (B x L): 650 x 2.050 mm

 

 

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