Scania R 520 Highline

Experten-Test Scania R 520: Starke Leistung, wenig Durst

von | 1. März 2018

Scania bewirbt die „SCR-only“-V8 als leichter und sparsamer als je zuvor. Der 520 PS starke Einstiegsmotor tritt den Beweis an.
Foto: Scania

Als 520 PS starker „V8-Einstieg“ arbeitet der 16,4-Liter-Motor mit Twin-Scroll-Turbolader (feste Geometrie) und Miller-Nockenwelle.

Seit Scania die Devise „SCR-only“ ausgerufen hat, ziehen die Schweden die Sache konsequent durch. Auf die entsprechend ausgelegten Reihensechszylinder DC9 und DC13 folgte somit auch der 16,4 Liter große V8, abgesehen von einer Ausnahme: Die Topversion mit 730 arbeitet bis auf weiteres mit der ursprünglichen Kombination aus Abgasrückführung (AGR) und SCR-Abgasnachbehandlung. Die drei weiteren Leistungsstufen, 520, 580 und 650 PS, hat Scania aber bereits auf die SCR-only-Technik umgestellt. Also keine AGR und auch keine variablen Turbolader mehr, zum Einsatz kommen nun Twin-Scroll-Turbolader mit fester Geometrie.

Scania listet zudem weitere Details auf, die jeweils etwas Gewicht und/oder Zentiliter Diesel sparen sollen. Dazu zählen Kühlerthermostate mit erhöhter Öffnungstemperatur, Kühlmittelpumpen mit variablem Durchfluss, neue Kraftstoffpumpen mit zwei statt drei Zylindern sowie bedarfsgerecht geregelte Luftpresser, Öl- und Servolenkungspumpen. Der 520er arbeitet zudem mit einer Miller- Nockenwelle. Durch deren spezielles Profil bleiben die Einlassventile während des Verdichtungstakts etwas länger geöffnet, wodurch insbesondere auch bei geringer Last die Temperatur im Motor hoch bleibt.

Scania geht damit das Problem an, auch in der schwächsten Leistungseinstellung des großvolumigen Motors die Abgastemperatur jederzeit hoch genug für das SCR-System zu halten (aus demselben Grund setzt Scania die Miller-Nockenwelle auch bei der neuen und mit 370 PS schwächsten Variante des 12,7 Liter großen Sechszylinders DC13 ein). Die Alternative wäre, bei Bedarf zusätzlichen Diesel allein zur Wärmeerzeugung einzuspritzen – nicht gerade eine Spritsparmaßnahme.

Foto: Scania

In den Leistungsstufen, 520, 580 und 650 PS hat Scania den V8 auf SCR-only-Technik umgestellt.

Summa summarum lehnen sich die Schweden ziemlich weit aus dem Fenster: Die Neukonstruktionen sollen dem V8 rund 80 Kilogramm weniger Gewicht, vor allem aber sieben bis zehn Prozent weniger Verbrauch bescheren. Zur Probe auf´s Exempel tritt der 520 PS starke V8-Einstiegsmotor an. Dabei belässt es Scania statt der hohen S- bei der kleineren R-Kabine. Abgesehen von der Montagehöhe sind die Häuser aber identisch, insbesondere was die Stauräume innen angeht. Pro und contra im Vergleich zum S: Nur drei Einstiegsstufen, dafür ein 15 Zentimeter hoher Motortunnel statt einem flachen Parkett und somit mittig rund 1,92 statt 2,07 Meter Stehhöhe. Wer nicht deutlich über 1,90 Meter Körpergröße misst und generell lieber näher zur Fahrbahn sitzt, ist mit dem R allemal gut versorgt.

Bedienkomfort sowie Verarbeitung von Armaturen und Instrumenten sind topp, da gibt´s unterwegs kein Klappern und kein Knarzen. Auch die Sichtverhältnisse sind einwandfrei, wozu die relativ schlanken Spiegelgehäuse und A-Säulen ebenso beitragen wie die tief gezogenen Brüstungen in den Türen und zur Frontscheibe hin. Oben auf der Armatur ist daher auch keine große offene Ablage vorgesehen, rund um den Fahrer ist aber für genügend Ablagemöglichkeiten gesorgt, 40-Liter-Kühlschrank inklusive. Nettes Detail: Der V8-Strahler in der Tür als stilechte Einstiegsbeleuchtung. Mehr als nur ein Gimmick ist die neue elektrische Parkbremse, die sich stufenweise betätigen lässt. Das System ist zudem in die neue Abstandsregelung „AiCC“ eingebunden, die die (zeitlich) definierten Lücke zum Vordermann nun bis zum Stillstand hält.

Einwandfrei abgestimmte Federung

Einen weiteren neuen Baustein im Sicherheitskonzept markiert der Aufmerksamkeitsassistent, der mitunter im Display zur Pause mahnt. Vereinfacht gesagt, definiert das System die ersten 15 Minuten Fahrzeit als „ausgeschlafene“ Referenz und gleicht auf der weiteren Fahrt die Lenkmuster damit ab. Aerodynamisch günstiger als das hohe S-Haus ist die R-Kabine sowieso, wobei der Verzicht auf die äußere Sonnenblende bei den Fahrern nicht allzu gut ankommen dürfte.

Die Abstimmung von blatt-/luftgefedertem Fahrgestell und luftgefederter Kabine beherrscht Scania souverän. Mit dem Klang zuvor gefahrener 650er und 730er im Hinterkopf wirkt der R520 aber irgendwie weniger „V8-like“, beim Anfahren aus dem Stand kommt der Sound fast turbinenartig rüber. Zudem schwillt der Lärmpegel unter Last deutlich stärker an als etwa beim 650-PS-V8. Auf der flachen Autobahn ist der R520 aber ebenso wie die stärkere Verwandtschaft sehr leise unterwegs, obwohl die Drehzahl gar nicht mal auf allerniedrigstem Niveau liegt. Mit fast 1.200 Umdrehungen bei 85 km/h läuft der Testwagen regelrecht gegen den Zeitgeist. Der Eindruck verstärkt sich beim Rückblick auf einen 2014 getesteten R520 Topline: Overdrive-Getriebe und 3,08 übersetzte Achse diktierten seinerzeit nur 1.130 Umdrehungen.

Foto: Scania

Eine elektrische Parkbremse ist nun auch bei Scania als Option bestellbar.

Im Gegensatz zu damals verzögert nun ein bis zu 680 Brems-PS starker Retarder aus der neuesten Generation R4100D. Die auskuppelbare Variante verringert Schleppverluste und somit den Verbrauch, ist aber auch stärker angeraten als zuvor: Die ohnehin noch nie weltbewegende Motorbremse des Scania V8 hat mit SCR-only sogar von maximal 435 auf 404 PS bei 2.400 U/min nachgelassen. Die Einbindung des Retarders in die Geschwindigkeitsregelung beziehungsweise den Bremstempomat ist dafür aber perfekt, inklusive automatischer Abwärtsschaltungen zwecks höherer Kühlleistung in langen Gefällen. Dem Fahrer bleibt nicht viel mehr zu tun als die Einstellung der gewünschten Tempomatwerte in der Ebene und bergab.

Etwas kniffliger ist beim vorausschauenden CCAP-System dann schon die Handhabung der verschiedenen Fahrprogramme und der Über- und Unterschwinger, die sich unmittelbar auch auf die Ecoroll-Phasen im Leerlauf auswirken. Die Testfahrt lief im Standard-Modus ab, mit automatischem und auch rege genutztem Angasen vor Steigungen (plus 4 Prozent, also 88 statt 85 km/h) und einem vertretbaren Unterschwinger von minus sechs Prozent (womit der 40-Tonnen-Zug dann zum Beispiel mit 80 statt möglicher 85 km/h über eine Kuppe schiebt). Wahlweise verfügbar sind ein Power-Modus, für den aber kaum Bedarf besteht, und ein Economy- Modus. Jener legt den V8 aber doch sehr an die Kette, unter anderem mit Unterschwingern bis minus 12 Prozent und ohne Angasen.

"Pulse and Glide", gelinde gesagt, gewöhnungsbedürftig

Eine Standardfunktion im Economy-Modus ist zudem das System „Pulse and Glide“. Abseits der Verbrauchsmessung ließ sich die Strategie auf nahezu topfebener Autobahn sehr gut beobachten: Den Tempomaten auf 85 km/h gesetzt, beschleunigt das System im steten Wechsel auf 88 km/h und lässt anschließend direkt wieder im Freilauf auf 82 km/h rollen. Gewonnen sind jeweils knapp 400 Meter beziehungsweise rund 16 Sekunden in Ecoroll, freilich mit Leerlaufverbrauch statt Schubbetrieb. Das mag auf Flachstrecken tatsächlich den ein oder anderen Tropfen Diesel sparen, aber ganz ehrlich: es nervt. Letztlich hat der Kunde die Wahl: Pulse and Glide lässt sich in der Werkstatt wahlweise auch auf den Standard-Modus erweitern oder aber für alle Fahrprogramme abschalten.

Unabhängig davon ist die Ecoroll-Funktion grundsätzlich mit oder ohne Tempomat aktiv, wobei Scania aber einen praxisgerechten Kompromiss gefunden hat: Mit Tempomat greift das System schon ab 50 km/h, mit Gasfuß, also typischerweise im Stadtverkehr, erst ab 55 km/h. Ein weiterer Fall für die optionale Programmierung in der Werkstatt nennt sich „Downhill Speed Control“: Das System begrenzt das Tempo bergab auf maximal 90 km/h, selbst wenn der Fahrer eine höhere Geschwindigkeit eingestellt hat (was er durchaus kann). Das Ganze dient letztlich einer sauberen Fahrerkarte bei maximal mitgenommenem Schwung: Denn am Ende des Gefälles lässt das System dann auf die vom Fahrer gesetzten Werte ausrollen, und seien es 95 oder noch mehr km/h.

Überraschend günstiger Verbrauch

Mit Blick auf die Waage unterbietet der R520 Highline den Vorgänger R520 Topline um rund 100 Kilogramm, wobei einige Pfunde auf das kleinere Fahrerhaus entfallen. Ausstattungsbereinigt kommen die von Scania genannten 80 Kilogramm weniger für den neuen V8 aber hin. Wobei sich der Vergleich auf hohem Niveau abspielt: Allein V8 und Abgasanlage wiegen in der Summe rund 400 Kilogramm mehr als etwa bei einem R500 mit 12,7-Liter-Motor. Ein Nutzlastriese kann der Scania V8 nun mal nicht sein. In der Endabrechnung setzt der R520 aber dennoch ein dickes Ausrufezeichen: Durchschnittlich 33,3 Liter Diesel markieren in der Klasse über 500 PS einen neuen und sehr deutlichen Bestwert, erst recht mit dem großvolumigen Motor.

Zum Nulltarif ist das mit der Devise „SCR-only“ freilich nicht zu bekommen: Im Vergleich zum erwähnten R520 Topline aus dem Jahr 2014 liegt der AdBlue-Anteil mit 8,4 Prozent vom Diesel mehr als doppelt so hoch. Aber, und das wiegt kostenmäßig ungleich schwerer: Der Dieselverbrauch liegt stolze neun Prozent niedriger. Scheint also, als hätte sich Scania doch nicht allzu weit aus dem Fenster gelehnt.

Messwerte und Daten
Dieselverbrauch l/100 km
Gesamte Strecke: 33,3
Schwere Teilstücke: 38,1
Leichte Teilstücke: 28,6
Volllast (5 % Steigung): 95,6
Teillast (bei 85 km/h): 21,4
Geschwindigkeit km/h
Gesamte Strecke: 83,8
Schwere Teilstücke: 82,7
Leichte Teilstücke: 84,8
Volllast (5 % Steigung): 74,1
AdBlue (l/100 km): 2,80 (8,4 % vom Diesel)
steigungsbedingte Schaltungen: 11
Innengeräusch Ebene (85 km/h): 63,0 dB(A)
Innengeräusch max. (Steigung): 65,0 dB(A)
Fahrgestell/Gewicht
Bereifung vorn/hinten: 315/70 R 22,5
Reserverad j/n: n
Tankgröße Diesel: 400 Liter
Tankgroße AdBlue: 47 Liter
Federung: Zwei-Blatt-Parabel/Vier-Balg-Luft
Rahmenstärke: 7,0 mm
Radstand: 3.750 mm
Retarder j/n: j
Leergewicht vollgetankt, mit Fahrer: 7.672 kg
Testgewicht: 39.700 kg
Motor
V8-Zylinder (Scania DC16 116) mit Twin-Scroll-Turbolader (feste Geometrie) und Ladeluftkühlung, Einzelzylinderköpfe, vier Ventile pro Zylinder, Common-Rail-Einspritzung
Abgasnorm: Euro 6
SCR j/n: j
AGR j/n: n
Bohrung: 130 mm
Hub: 154 mm
Hubraum: 16.353 ccm
Leistung: 382 kW (519 PS) bei 1.900/min
Max. Drehmoment: 2.700 Nm bei 1.000 bis 1.300/min
Motorbremse: 297 kW bei 2.400/min
Getriebe/Achse
Scania GRS 905 R; automatisiertes Getriebe, 12+2 Gänge, Direktgangausführung
Übersetzung HA: 2,59
U/min bei 85 km/h (größter Gang): 1.190
Fahrerhaus
Scania R Highline, Vier-Punkt-Luftfederung
Außenbreite/-länge: 2.470/2.270 mm
Einstiegsstufen: 3
Einstiegshöhe: 1.450 mm
Scheibe/Rückwand: 2.080 mm
Innenhöhe vor Sitz: 2.060 mm
Innenhöhe Mitte: 1.915 mm
Höhe Motortunnel: 155 mm
Liege unten (B x L): 670-790 x 2.175 mm
Liege oben (B x L):

NEWSLETTER

SOCIALS

BELIEBTE NEWS

BELIEBTE TESTS