Experten-Test DAF XF 440: Voll im Trend
Motoren um elf Liter Hubraum liegen im Trend. Gegenüber den 12 bis 13 Liter großen Maschinen sparen sie gut und gern drei Zentner Gewicht und erreichen immerhin Leistungen von über 400 PS. Auch DAF hat die Zeichen der Zeit erkannt und im Herbst 2013 mit der Serienproduktion des neuen MX-11 begonnen: Ein 10,8 Liter großer Reihensechszylinder mit Common-Rail-Einspritzung, Abgasrückführung und variablem Turbolader, der für den Verteiler- und Fernverkehr in fünf Leistungsstufen von 285 bis 435 PS zur Verfügung steht.
Die stärkste Variante tritt in Form eines XF 440 Space Cab zum ersten Test an. Die nüchternen Zahlen vorweg: Mit durchschnittlich 35,6 Liter Diesel plus 1,1 Liter Adblue kommt der XF 440 eher mittelprächtig über die Strecke. Was Maßnahmen zur Verbrauchssenkung anbelangt, DAF mit „intelligent“ gesteuerten Nebenaggregaten wie einer Wasserpumpe mit elektromagnetischer Kupplung und einem vorzugsweise im Schubbetrieb arbeitenden Kompressor schon einige Joker. Hinzu kommt zusammen mit dem automatisierten AS-Tronic-Getriebe ein Freilauf, der im Tempomatbetrieb aktiv ist und bei leicht abfallender Fahrbahn (bis zirka ein Prozent Gefälle) in den Leerlauf schaltet. Unterm Strich, da sind sich inzwischen fast alle Hersteller einig, wiegt der verlängerte Rollweg den Leerlaufverbrauch auf und die Spritbilanz verbessert sich. Was DAF definitiv noch fehlt, ist ein vorausschauender Tempomat à la Scania CCAP oder Mercedes PPC. In Verbindung mit Getriebelieferant ZF ist die Verfügbarkeit aber wohl nur noch eine Frage der Zeit.
Im Detail bereits jetzt nicht zu verachten ist der vom Boden aus per Kurbel verstellbare Dachspoiler, um mit wechselnden Aufliegern schnell und einfach die Höhe anzupassen. An der Aerodynamik hapert es beim Testfahrzeug offenbar auch nicht, denn der Teillastverbrauch ist mit 20,8 Liter Diesel sehr gut. Dazu trägt natürlich das sehr niedrige Drehzahlniveau mit nur 1.160 Umdrehungen bei 85 km/h bei, das bei Linienverkehren im Flachland folglich absolut seine Berechtigung hat. Auf Berg- und Talbahnen wie dem größten Teil der Teststrecke stößt der kleine Motor mit dieser ellenlangen Übersetzung an Steigungen aber schnell an seine Grenzen, beziehungsweise nötigt die AS-Tronic zu eifriger Schaltarbeit.
Die SR1344 benannte Antriebsachse, die laut DAF gegenüber dem Vorgänger rund 50 Kilogramm Gewicht einspart, ist eine Neuentwicklung. Den XF kennzeichnen im Vergleich zum XF105 außerdem neue Vorderachsfederungen mit breiteren Parabelfedern und ein Y-förmiges Rahmenprofil, das für die Euro-6-Motoren mehr Kühlerfläche erlaubt. Beim Testfahrzeug kombiniert DAF die serienmäßige Auslegung mit Zwei-Blatt-Parabelfedern vorn und Vier-Balg-Luftfederung hinten mit der optionalen Vier-Punkt-Luftfederung der Space Cab. Fahrverhalten und Federungskomfort sind damit absolut okay, insbesondere zieht der DAF sehr spurstabil seine Bahn. Zudem sind die Innengeräusche sehr niedrig.
Auch im Motorbremsbetrieb bleibt es vergleichsweise leise, wobei die verstärkte MX Engine Brake in Sachen Antriebs- und Verzögerungsleistung für Gleichstand sorgt: Bei 2.100 Umdrehungen werden 435 Brems-PS erreicht, für einen Elf-Liter-Motor eine passable Leistung. Die verstärkten Motorbremsen beim 10,7 Liter großen Mercedes OM470 oder beim Iveco Cursor 11 leisten in der Spitze zwar etwas mehr, allerdings erst bei höherer und „lauterer“ Drehzahl. Das Potenzial lässt sich im Testfahrzeug nahezu optimal nutzen: Bergab liegen bei 90 km/h auf der Autobahn und bei 70 km/h auf der Landstraße im 10. beziehungsweise 9. Gang jeweils gut 2.000 Umdrehungen an. Derart weit runterschalten muss man aber manuell, so nah an den roten Bereich traut sich die Automatik offenbar nicht ran.
Rund 15 Kilogramm steuert die MX-Motorbremse zum Leergewicht bei, der Retarder käme auf 80 Kilogramm – das ist schon ein merklicher Unterschied. Trotzdem: Auf den Retarder zu verzichten, muss man sich von den Streckenprofilen her leisten können. Gut ist jedenfalls, dass sich im DAF Tempomat und Bremstempomat getrennt setzen lassen, sich bergab also ein variables „Schwungfenster“ einstellen lässt. Bei aktiviertem Bremstempomaten wird die Leistung der Motorbremse bedarfsgerecht abgerufen, beim Zug am Lenkstockhebel gibt es aber nur schwarz oder weiß: Mehrere Stufen hat der Hebel nur mit eingebautem Retarder, die Motorbremse ist dagegen direkt voll da.
Mit dem neuen Fahrgestell hat die Kabinenbodenhöhe im Vergleich zum XF105 knapp fünf Zentimeter zugelegt, mit den nun leicht treppenförmigen Stufen geht es dennoch einen Tick leichter hinein in die gute Stube. Jene bietet viele bewährte Elemente wie die große offene Ablage auf der Armatur, den stabilen Ausziehtisch darunter und die dicke Matratze in sitzgünstiger Höhe vis-à-vis. Die Liege lässt sich zudem mit Gasfedern leicht händeln. Schön gemacht ist auch das einteilige Rollo vorn mit kleinem Flügel links, um die Lücke zur A-Säule abzudecken. Zu den markantesten Neuerungen zählen das hängende Bremspedal, die ungeteilten Seitenscheiben, die Ablagekonsole an der Rückwand, zwei ausklappbare Becherhalter vorn und ein kleiner Abfalleimer rechter Hand vom Fahrersitz. Letzterer ist in der sehr bequemen Topausführung „Super Air“ an Bord, die freilich Aufpreis kostet und an der Konsole auch einen Druckluftanschluss aufweist.
In der Summe, inklusive des 42 Liter großen Kühlschranks, stehen unter der Liege und den Schränken über der Scheibe fast 800 Liter Stauvolumen zur Verfügung – das ist eine Menge Holz, erst recht für ein mittelgroßes Fahrerhaus wie die Space Cab. Dabei verzichtet DAF, abgesehen von der Konsole an der Rückwand, auf weitere Fächer am Kopf- und Fußende der Liege, aber das ist mit Blick auf die Matratze nur konsequent: Das Teil nutzt die gesamte Innenbreite für stolze 2,20 Meter Länge.
Im Vergleich zum XF105 gibt es einige Änderungen rund um Service und Wartung. Der Einfüllstutzen fürs Wischwasser liegt nun nicht mehr seitlich im Einstieg, sondern hinter der Frontklappe. Diese ist jetzt verschlossen und wird mit einem Hebel unter dem Kabinenboden entriegelt. Neu sind auch separate Klappen für den Birnchenwechsel, das Abschrauben des kompletten vorderen Eckteils muss also nicht mehr sein. Selbst Hand anlegen darf man aber nur an die serienmäßigen Lampen, bei einem Defekt am optionalen LED-Fahrlicht ist die Werkstatt gefragt. Unverändert gibt es einen Ölstab nur direkt am Motor und das Kippen der Kabine ist weiterhin grundsätzlich Handarbeit.
AdBlue wird serienmäßig in einen 90-Liter-Tank gefüllt, der unter dem Kabinenboden hängt. Mit diesem Kniff und den im hinteren Überhang angesiedelten Batterien wird Platz am Rahmen frei, etwa für zusätzliche Tanks. Lieferbar ist zudem eine lange Liste von Sicherheitssystemen, darunter Abstandsregler mit Auffahrwarner und Notbremsfunktion, Fahrerairbag und Gurtstraffer, Spurwächter, Kurvenlicht und, bereits serienmäßig, ESP. Zusätzlich zur neu besetzten Elf-Liter-Motorenklasse ist das DAF-Programm somit auch in dieser Hinsicht komplett.
Messwerte und Daten | |
Dieselverbrauch | l/100 km |
Gesamte Strecke: | 35,6 |
Schwere Teilstücke: | 40,3 |
Leichte Teilstücke: | 30,9 |
Volllast (5 % Steigung): | 98,4 |
Teillast (bei 85 km/h): | 20,8 |
Geschwindigkeit | km/h |
Gesamte Strecke: | 83,4 |
Schwere Teilstücke: | 81,9 |
Leichte Teilstücke: | 85,1 |
Volllast (5 % Steigung): | 66,6 |
AdBlue (l/100 km): | 1,11 (3,1 % vom Diesel) |
steigungsbedingte Schaltungen: | 26 |
Innengeräusch Ebene (85 km/h): | 63,9 dB(A) |
Innengeräusch max. (Steigung): | 65,4 dB(A) |
Fahrgestell/Gewicht | |
Bereifung vorn/hinten: | 315/70 R 22,5 |
Reserverad j/n: | n |
Tankgröße Diesel: | 430 Liter |
Tankgroße AdBlue: | 90 Liter |
Federung: | Zwei-Blatt-Parabel/Vier-Balg-Luft |
Rahmenstärke: | 6,0 mm |
Radstand: | 3.600 mm |
Retarder j/n: | n |
Leergewicht vollgetankt, mit Fahrer: | 7.435 kg |
Testgewicht: | 39.500 kg |
Motor | |
Reihensechszylinder (Paccar MX-11) mit variablem Turbolader (VTG) und Ladeluftkühlung, einteiliger Zylinderkopf, vier Ventile pro Zylinder, Common-Rail-Einspritzung | |
Abgasnorm: | Euro 6 |
SCR j/n: | j |
AGR j/n: | j |
Bohrung: | 123 mm |
Hub: | 152 mm |
Hubraum: | 10.837 ccm |
Leistung: | 320 (435 PS) bei 1.450 bis 1.700/min |
Max. Drehmoment: | 2.100 Nm bei 1.000 bis 1.450/min |
Motorbremse: | 320 kW bei 2.100/min |
Getriebe/Achse | |
ZF 12 AS 2130 TD; automatisiertes Zwölfgang-Getriebe, Direktgangausführung | |
Übersetzung HA: | 2,53 |
U/min bei 85 km/h (größter Gang): | 1.162 |
Fahrerhaus | |
DAF XF Space Cab, Vier-Punkt-Luftfederung | |
Außenbreite/-länge: | 2.490/2.250 mm |
Einstiegsstufen: | 3 |
Einstiegshöhe: | 1.480 mm |
Scheibe/Rückwand: | 2.050 mm |
Innenhöhe vor Sitz: | 1.865 mm |
Innenhöhe Mitte: | 1.730 mm |
Höhe Motortunnel: | 150 mm |
Liege unten (B x L): | 700-800 x 2.210 mm |
Liege oben (B x L): | – |
