Fahrvorstellung: MAN eTrucks bereit zum Durchstarten
Insgesamt fünf eTrucks bot MAN Anfang Juli für Probefahrten auf Autobahn, Landstraße und leichter Offroad-Schotterpiste im Münchener Umland auf: Drei eTGS und zwei eTGX als Solo-Absetzkipper sowie 4×2-Sattelzugmaschinen mit Kipp-, Koffer- oder Planensattel.
Unterschiedliche Motorsierungen (245 bis 400 kW), Ausladungen (14 Tonnen beim Absetzer, 32 und 42 Tonnen bei den Sattelzügen) sowie installierte Batteriekapazitäten (320 bis 480 kWh) tragen letztlich einer Binsenweisheit Rechnung: Genau wie beim Diesel Leistung und Tankvolumen zum Einsatz passen sollten, sind beim E-Lkw die Überlegungen grundsätzlich dieselben. Auch beim Thema Nutzlast: Wer im Depot lädt und mehrheitlich um den Kirchturm fährt, kann womöglich auf das ein oder Batteriepaket, mit Halterungen und allem drum und dran zirka 800 Kilogramm schwer, verzichten.
Die bis zu 42 Tonnen erklären sich aus dem gesetzlich erlaubten Gewichtszuschlag der schweren E-Lkw, von 20 statt 18 Tonnen beim Zweiachser bis eben 42 statt 40 Tonnen beim Lastzug. Wer im Kombiverkehr unterwegs ist, bleibt aber auf seinen 44 Tonnen sitzen – weitere 2 beziehungsweise dann 46 Tonnen bleiben in diesem Fall Wunschdenken. Aber nicht auszuschließen, dass der Gesetzgeber an dieser Stelle nochmal nachjustiert.
So oder so bleibt über die verschiedenen Testrunden hinweg die Erkenntnis: Die eTrucks haben endgültig jede Spur von Vorserie und Provisorium verloren. Die Assistenzsysteme entsprechen dem Serienstand der Diesel, inklusive Streckenvorausschau und elektrisch unterstützter Hydrolenkung Comfortsteering. Letztere ist zwar nicht Serie, aber, wie die Fahrt mit einem der beiden eTGS mit Standardlenkung zeigt, doch wärmstens empfohlen: Erstens lenkt es sich mit Comfortsteering deutlich leichter, zweitens ist ohne die Elektrohydraulik nur ein passiver Spurwächter mit Warnton statt einer aktiven Spurrückführung möglich.
Während der Solo-Absetzkipper mit 245 kW und 2-Gang-Getriebe (jenes auch nur für die 245-kW-Variante eine Option) etwas aus dem Rahmen fällt, stehen die 32 und 42 Tonnen schweren eTGS- und eTGX-Sattelzüge mit 330 und 400 kW sowie 4-Gang-Getriebe für typische Anwendungsfälle im Regional- und mittleren Fernverkehr. Leise und geschmeidig-ruckfrei geht es in allen Fällen voran, wobei die Kombination aus 42 Tonnen und 330 kW eher die Ausnahme bleiben sollte – beziehungsweise auf Aufgaben beschränkt, wo das volle Gewicht nur selten erreicht wird.
Am Testtag herrschten angenehme Temperaturen von etwas über 20 Grad, ideal für die Elektro-Trucks. Wobei die Erfahrung zeigt, zuletzt mit Blick auf die Hitzewelle Ende Juni: Die Klimaanlage im Sommer ist längst nicht ein so großer Stromfresser wie die Heizung im Winter – ganz im Gegensatz zum „kostenlosen“ warmen Kühlwasser beim Diesel. Großartig umstellen müssen sich Fahrer konventioneller TGS und TGX in den eTrucks ansonsten nicht: Das Cockpit entspricht Eins-zu-Eins den Verbrennern, inklusive Sekundärdisplay mit dem MAN-typischen Dreh-/Drücksteller.
Im Primärdisplay sind die durchblätterbaren Anzeigen übersichtlich und klar strukturiert an den E-Antrieb angepasst, was vor allem Anzeigen zu Stromverbrauch, Rekuperation, Ladezustand und Reichweite betrifft. Ein nettes Gimmick ist die „Potenzial“-Anzeige, die über zusätzliche Reichweiten-Kilometer bei entsprechend deaktivierten Nebenverbrauchern informiert.
Bevorzugtes Fahrprogramm ist Efficiency, in dem es die Elektronik mit der Beschleunigung wahrlich nicht übertreibt. Die Optionen lauten Performance (Power-Modus), Range (Reichweitenoptimierung; maximal 80 km/h, kein Kickdown) und Maneouvre zum Rangieren. Gebremst beziehungsweise rekuperiert wird mit dem fünfstufigen Lenksäulenhebel, mit eingeschalteter Brakematic auch beim Tritt auf das Bremspedal.
Mit der bei jedem Start standardmäßig aktivierten Brakematic lässt sich auch der Knopf auf der Hebelspitze bequem nutzen: Hier wird vom freien Rollen beim Lösen des Gaspedals über eine Zwischenstellung mit sachtem Bremseinsatz (vergleichbar dem Schubbetrieb beim Diesel) auf den Ein-Pedal-Modus umgestellt. Was die maximale Dauerbrems- beziehungsweise Rekuperationsleistung anbelangt: Die entspricht beim 330- und 400-kW-Motor exakt der Antriebsleistung, während sie beim 245-kW-Motor mit 294 kW höher liegt.
Nun bietet MAN den 245-kW-Motor ohnehin nur für Zuggesamtgewichte bis 28 Tonnen an, aber selbst 330 kW Dauerbremsleistung sind für volle 42 Tonnen nicht die Welt – ein Grund mehr, bei durchweg hohen Gewichten auf den 400-kW-Antrieb zu setzen.
Die bei E-Fahrzeugen reflexartige Reichweitenfrage ist müßig: Wie beim Diesel kommt es auf Einsatzprofil und Ausladung an, was bekanntlich von unter 20 Liter bei Teillast bis weit über 30 Liter auf schweren Strecken reichen kann. Legt man als Faustformel 100 kWh auf 100 Kilometer zugrunde, kann sich das beim E-Truck jeder leicht selbst ausrechnen.
Grundsätzlich bietet MAN für die im Stammwerk München gefertigten eTrucks drei bis sechs Batterien à 80 kWh und somit 240 bis 480 kWh an – je zwei Packs unter dem Fahrerhaus, die übrigen seitlich am Rahmen. Wobei hier von der nutzbaren Kapazität die Rede ist, brutto sind es drei- bis sechsmal 89 kWh und entsprechend 267 bis 534 kWh – gegebenenfalls wichtig für den Markenvergleich, denn zumindest für den Moment hat sich die Angabe der tatsächlich nutzbaren Kapazität als einzig wahre Kenngröße noch nicht als selbstverständlich durchgesetzt.
Ein siebtes Paket für dann insgesamt 560 kWh ist über MAN Individual zu haben, allerdings nur für 6×2-Fahrgestelle ab 4.850 Millimeter Radstand. Ihren Ursprung haben die NMC-Batteriepacks (Nickel-Mangan-Kobalt) im Werk Nürnberg, wo MAN die maximale jährliche Kapazität mit bis zu 100.000 Packs beziffert, je nach Marktlage. Bei der Nutzungsdauer sprechen die Münchener von bis zu 1,6 Millionen Kilometern oder bis zu 15 Jahren, was insbesondere bei Kommunalfahrzeugen mit geringer Laufleistung zum Tragen kommt.
Geladen wird mit bis zu 375 kW (CCS) beziehungsweise 750 kW (MCS), wobei sich MAN bei den gewünschten Ladepunkten flexibel zeigt: Ein- oder beidseitig vorn und/oder (bei langen Fahrgestellen) hinten am Rahmen, wobei aus diesen insgesamt vier Positionen jeweils zwei wählbar sind (bezüglich CCS; den optionalen MCS-Anschluss gibt es nur seitlich vorn auf der Fahrerseite). Es sollte aber niemand auf die Idee kommen, analog zu einer Doppeltankanlage zwei Ladekabel auf einmal einzustecken: So funktioniert das mit dem Stromfluss leider nicht.
Bei der Voreinstellung des Ladeziels sollte man gegebenenfalls einen Puffer für die Rekuperation im Auge behalten: Geht es im Extremfall mit 100 Prozent Aufladung direkt in ein Gefälle, steht die Dauerbremse nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung. Im Energieverbrauchsmodus wird daher auch die Höhe des aktuellen Standorts ermittelt. Erkennt das System signifikante Höhenänderungen rund um das Fahrzeug, erhält der Fahrer beim Ausschalten der Zündung einen Hinweis, gegebenenfalls das Ladeziel zu reduzieren. Um die Dauerbremsleistung bei vollen Batterien zu erhöhen, steuert aber auch die Elektronik gegen: Unter anderem wird mit gleichzeitigem Heizen und Kühlen „Platz“ für die eingespeiste Rekuperationsleistung geschaffen. Einen Hardware-Bremswiderstand wie etwa der High Power Brake Resistor alias „Wasserkocher“ im eActros 600, mit dem kein Puffer vorgehalten werden muss, verwendet MAN also nicht.
Abgesehen von 6×2-Fahrgestellen für Solo- und Anhängerbetrieb deckt die kleine Testflotte so ziemlich das derzeitige Standardprogramm ab, auch mit den 245, 330 und 400 kW als wählbare Antriebsvarianten. Der gekoppelte Triebstrang mit Zentralmotor ist Standard, eine E-Achse kein Thema. Dafür sind zahlreiche Nebenabtriebsvarianten in verschiedenen Leistungsstufen geboten, sowohl mechanisch (mPTO), elektrisch (ePTO) oder elektromechanisch (emPTO).
Wiederum MAN Individual kommt ins Spiel, wenn es um BDF-Volumenfahrzeuge sowie 6×4- und 8×4-Fahrgestelle geht, dann wahlweise auch mit zusätzlichem Offroad-Fahrprogramm. Nach unten rundet der 12-Tonner eTGL das Programm ab, für den Moment grundsätzlich mit 2 Batterien à 160 kWh, 210-kW-Motor und 2-Gang-Getriebe.
Im Fokus der Vorstellung standen aber nicht nur die Fahrzeuge an sich, sondern auch drängende Fragen rund um Kostenseite und Ladeinfrastruktur. Mit Charge & Go hat MAN zum Beispiel einen neuen markenübergreifenden Ladeservice im Angebot, der das Auffinden Lkw-kompatibler Ladestationen und zugleich ein unkompliziertes Bezahlen zu günstigen Konditionen ermöglichen soll.
Vom wirtschaftlichen Standpunkt her strebt MAN mit den Partnern im Bereich öffentliches Laden weniger als 40 ct (netto) pro kWh an, was sich relativ leicht gegenrechnen lässt: Belässt man es bei der erwähnten Faustformel von 100 kWh auf 100 km, wären das im Maximalfall 40 Euro und somit das Äquivalent zu rund 28 Liter Diesel plus, je nach Motor, etwa 1,5 bis 3 Liter AdBlue (bei zirka 135 ct netto für den Liter Diesel zur Jahresmitte 2025).
Wer bei seinem lokalen Netzbetreiber nicht weiterkommt, kann auf den „Smart Charging Cube“ zurückgreifen, den MAN in Zusammenarbeit mit AW Automotive anbietet: Eine Art überdimensionale Powerbank, gegebenenfalls auch für bidirektionales Laden, mit bis zu 1.100 kWh Speicherkapazität – für das eigene Depotladen immerhin ein Anfang.
Weitere Informationen:
MAN startet Serienproduktion von E-Lkw
Neuer Ladeservice MAN Charge & Go
MAN eTGS 4×2 BL CH mit Meiller-Absetzkipper; NN-Fahrerhaus (schmal/kurz/niedrig)
Motor: 245 kW (Typ eCD245)
max. Dauerbremsleistung: 294 kW
Batterien: 320 kWh (4 Packs)
Getriebe: 2-Gang (MAN Tipmatic 2)
Radstand: 3.750 mm
Federung: Blatt/Luft
Testgewicht: 14 t
MAN eTGS 4×2 LL SA mit Meiller-Kippsattel; TM-Fahrerhaus (schmal/lang/Hochdach)
Motor: 330 kW (Typ eCD330)
max. Dauerbremsleistung: 330 kW
Batterien: 400 kWh (5 Packs)
Getriebe: 4-Gang (MAN Tipmatic 4)
Radstand: 3.750 mm
Federung: Vollluft
Testgewicht: 32 t
MAN eTGS 4×2 BL SA mit Meiller-Kippsattel; TM-Fahrerhaus (schmal/lang/Hochdach)
Motor: 330 kW (Typ eCD330)
max. Dauerbremsleistung: 330 kW
Batterien: 480 kWh (6 Packs)
Getriebe: 4-Gang (MAN Tipmatic 4)
Radstand: 3.750 mm
Federung: Blatt/Luft
Testgewicht: 42 t
MAN eTGX 4×2 BL SA mit Krone-Curtainsider; GX-Fahrerhaus (breit/lang/XXL-Hochdach)
Motor: 330 kW (Typ eCD330)
max. Dauerbremsleistung: 330 kW
Batterien: 480 kWh (6 Packs)
Getriebe: 4-Gang (MAN Tipmatic 4)
Radstand: 3.750 mm
Federung: Blatt/Luft
Testgewicht: 32 t
MAN eTGX 4×2 BL SA mit Krone-Koffersattel; GX-Fahrerhaus (breit/lang/XXL-Hochdach)
Motor: 400 kW (Typ eCD400)
max. Dauerbremsleistung: 400 kW
Batterien: 480 kWh (6 Packs)
Getriebe: 4-Gang (MAN Tipmatic 4)
Radstand: 3.750 mm
Federung: Blatt/Luft
Testgewicht: 42 t










