Scania BEV und Hybrid: Doppelt hält besser
Die Vorstellung datiert auf September 2020, die Einladung zur Probefahrt auf September 2021: Ein Jahr, nachdem Scania den batterieelektrischen BEV und den Plug-in-Hybrid PHEV präsentierte, geht es mit entsprechenden Vertretern erstmals auf Tour.
Für erste Eindrücke mit dem BEV wählte Scania einen auf knapp 16,4 Tonnen ausgeladenen Zweiachser, zur Wahl stehen auch 6×2-Varianten. Im Antriebstrang folgt auf ein Zweiganggetriebe mit integriertem Elektromotor eine Standard-Hinterachse der Serie R660, wie überhaupt ein Großteil der Komponenten aus dem Fundus stammt. Grundsätzlich gilt das Beim Tritt auf´s Gaspedal setzt sich der BEV nahezu geräuschlos und mit gefühlt gleichmäßiger Beschleunigung in Gang, die erste leichte Unstetigkeit gibt es bei zirka 35 km/h: Hier schaltet das automatisierte, von Scania selbst entwickelte Getriebe vom ersten in den zweiten Gang. Lässt man die Elektronik schalten und walten, besteht die einzige echte Herausforderung in der effektivsten Rekuperation: im Optimalfall weit vorausschauend fahren und so lange wie möglich ohne Beibremsung rollen, ansonsten fein abgestuft die Bremsleistung des E-Motors nutzen. Letzteres lässt sich mit dem Lenksäulenhebel bewerkstelligen, alternativ mit dem Pedal: Bei leichtem Druck tritt der E-Motor als Nutzbremse in Aktion, bei stärkerem Tritt kommen die Scheibenbremsen dazu.
Apropos Betriebsbremsen: Sowohl im BEV als auch im Hybrid kommt ein elektrischer Luftpresser zum Einsatz. Gleiches gilt für die elektrische Lenkung und die Verfügbarkeit der aktuellen, aus den Diesel-Scania bekannten Assistenzsysteme. Ein weiterer gemeinsamer Nenner: Die BEV und Hybride sind jeweils mit Fahrerhäusern der Serien P (kurz, mittellang, lang) und L (Low Entry) erhältlich.
Zum Verbrauch der BEV nennt Scania als Erfahrungswerte rund 1 kWh/km für Zwei- und 1,4 kWh/km für Dreiachser im Verteilerverkehr. Mit Kühlkoffer und Kältemaschine kommen 0,2 bis 0,3 kWh obendrauf, in der Abfallsammlung klettert der Wert auf rund 2,2 kWh. Entsprechend vage äußern sich die Schweden zur Reichweite: Bei neun Lithium-Ionen-Batterien mit 300 kWh sollen bis zu 250 Kilometer möglich sein.
Beim Umstieg in den Hybrid grüßt das vertraute Dieselgrollen, wobei das Anfahren vorzugsweise der E-Motor übernimmt. Zwecks optimierter Umweltbilanz befüllen die Schweden den Dieseltank der Hybride bevorzugt mit HVO (hydriertes Pflanzenöl), was der DC09 ebenfalls verfeuern kann. Prinzipiell ist der Hybrid auch ohne externen Ladeanschluss zu haben (entsprechend HEV statt PHEV), bei ansonsten identischem Triebstrang aber serienmäßig mit einer geringeren Batteriekapazität von 30 statt 90 kWh. So oder so lautet die Faustformel: Laden vorrangig über Rekuperation, Losrollen und Langsamfahrt mit dem E-Motor und mit dem Diesel über Land. Alternativ zur automatischen Regelung kann der Fahrer über einen Wippschalter in den reinen Elektroantrieb umschalten.
Einen Wippschalter hat Scania gewählt, um den Elektroantrieb logisch mit der Batterieaufladung durch den Diesel zu verbinden: Jene wird mit einem Tastendruck in Gegenrichtung aktiviert. Logisch verknüpft sind Verbrenner und E-Maschine auch beim Bremsen. Der Bremshebel verfügt Scania-typisch über fünf Stufen, wobei in den Positionen eins bis drei der E-Motor bremst beziehungsweise als Generator Strom erzeugt. In Stellung vier kommt die Motorbremse vom Diesel dazu, in Stufe fünf mit Runterschalten auf die maximal mögliche Drehzahl.
Mit einer Ausladung auf 31,5 Tonnen im City-Sattelzug ist der 360 PS starke DC09-Fünfzylinder im Hybrid-Testfahrzeug ordentlich gefordert, wird aber vom E-Motor unterstützt. Beispielsweise mit 50 kW beim einmaligen Tritt auf den Kickdown oder generell mit zusätzlichen 20 kW beim Beschleunigen im Power-Modus – zumindest so lange, wie es die Batterieladung erlaubt. Im Vergleich zum Standard-Lkw ist auch die Schaltstrategie eine andere: Mit dem zusätzlichen Drehmoment des E-Motors lautet der Anfahrgang zumeist Fünf oder Sechs, und beim Verzögern wird zugunsten der Rekuperation ein frühes Runterschalten vermieden.
Die Mehrgewichte gegenüber Standardfahrzeugen beziffert Scania mit 670 und 1.400 Kilogramm für den HEV und PHEV sowie 700 oder 2.000 Kilogramm für den BEV mit fünf oder neun Batterien (wobei mit alternativen und/ oder elektrischen Antrieben das Gesamtgewicht je nach nationaler Regelung um bis zu zwei Tonnen überschritten werden darf). Die Zeit für eine Komplettladung gibt Scania beim Plug-in Hybrid mit 38 Minuten an, beim BEV mit 55 oder 100 Minuten (fünf oder neun Batterien). Sind nur 80 Prozent Aufladung gefordert, sinken die Werte überproportional nach unten, beispielsweise auf rund 65 Minuten mit neun Batterien. Für die schweren BEV, die mittelfristig mit bis zu 800 kWh für Regionalverkehr und Baustelle folgen sollen, verfolgt Scania das Ziel: 4,5 Stunden fahren, in der Pause 45 Minuten (teil-) laden und 4,5 Stunden weiterfahren – die fällige Infrastruktur vorausgesetzt.
TECHNISCHE DATEN BEV UND HYBRID
Scania 25 P B4x2NB BEV
ELEKTROMOTOR
Bauart: Permanent-Magnet-Motor mit Spritzölkühlung
Leistung Dauer-/Spitzenbetrieb: 230/295 kW
Drehmoment Dauer-/Spitzenbetrieb 1.300/2.200 Nm
Nebenantrieb 60 kW
BATTERIEN
Art/Anzahl: Lithium-Ionen/9
Kapazität, gesamt: 300 kWh
Reichweite: bis 250 km
Ladeverfahren: CSS-Steckverbindung/Typ-2 bis zu 130 kW / 200 A Gleichstrom
KRAFTÜBERTRAGUNG
automatisiertes 2-Gang-Getriebe Scania GE21S21 mit integriertem Elektromotor, Übersetzung 1,0/2,59; einfach übersetzte Antriebsachse Scania R660, Übersetzung 4,88 : 1; Bereifung 315/70 R 22,5
FAHRGESTELL/FAHRERHAUS
U-Profil-Leiterrahmen, Vollluftfederung, elektrisch unterstützte Lenkung mit variabler Übersetzung (17 bis 20 :1), 5.350 mm Radstand, Achslasten (techn.): 8.000/11.500 kg, mittellanges Fahrerhaus Scania CP17 (luftgefedert), Aufbau: Klappwandkoffer mit ganzschließender Ladebordwand; Testgewicht: 16.360 kg
ALTERNATIVEN
Konfigurationen (Fahrgestelle): 4×2, 6×2, 6×2*4 (bis 29 t GG)
Radstände: 3.950 bis 5.750 mm
Fahrerhäuser: P, L (Low Entry)
Batteriepakete: 5 Lithium-Ionen-Batterien (165 kWh, bis 130 km Reichweite) ab 3.950 mm Radstand; 9 Lithium-Ionen-Batterien ab 4.350 mm Radstand
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Scania P 360 A4x2NA Hybrid (PHEV/HEV)
DIESELMOTOR
Reihenfünfzylinder DC09, Bohrung/Hub: 130/140 mm, 9,3 Liter Hubraum, Abgasreinigung SCR-only, freigegeben für HVO; Motorbremse bis 183 kW
Leistung: 265 kW bei 1.900/min
Drehmoment: 1.700 Nm bei 1.050 bis 1.475/min
ELEKTROMOTOR
Bauart: Permanent-Magnet-Synchronmotor mit Spritzölkühlung
Leistung Dauer-/Spitzenbetrieb: 115/130 kW
Drehmoment: bis 1.050 Nm
BATTERIEN
Art/Anzahl: Lithium-Ionen/3 (HEV:1)
Kapazität, gesamt: 90 kWh (HEV: 30 kWh)
elektr. Reichweite: bis 60 km (HEV: bis 20 km)
Ladeverfahren: CSS-Steckverbindung/Typ-2 bis zu 95 kW / 145 A Gleichstrom (HEV: ohne)
KRAFTÜBERTRAGUNG
Dreigang-Grundgetriebe mit Range- und Splitgruppe (Scania GRS895), 12 Gänge, Übersetzung 1,00 bis 11,32, automatisierte Schaltung (Opticruise); einfach übersetzte Antriebsachse Scania R780, Übersetzung 2,59 : 1; Bereifung vorn/hinten: 385/55 R 22,5 / 315/70 R 22,5
FAHRGESTELL/FAHRERHAUS
U-Profil-Leiterrahmen, Vollluftfederung, elektrische unterstützte Lenkung mit variabler Übersetzung (17 bis 20 :1), 3.750 mm Radstand, 300-l-Tank Diesel, 80-l-Tank AdBlue, Achslasten (techn.): 7.500/11.500 kg, langes Fahrerhaus Scania CP20N (stahlgefedert); Testgewicht mit Zweiachs-Sattelauflieger: 31.500 kg
ALTERNATIVEN
Leistungsstufen DC09: 206, 235 oder 265 kW (1.400, 1.600 oder 1.700 Nm)
Konfigurationen (Fgst./Szm): 4×2, 6×2, 6×2*4 (bis 29 t GG)
Fahrerhäuser: P, L (Low Entry)
Radstände: 4.350 bis 6.350 mm






