Iveco Stralis AS 440 S 42 Eco

Experten-Test Iveco Stralis 420: Zug um Zug

von | 1. November 2014

Der Iveco Stralis geht in sein 14. Produktionsjahr. Zahlreiche Entwicklungsschritte fügen sich zu gereifter Größe zusammen.
Foto: Iveco

Die Hi-Way-Kabine ist die größte von drei Varianten, wobei die Alternativen Hi-Street (kurz) und Hi-Road (lang) nur 2.300 Millimeter Breite aufweisen.

Die „Salamitaktik“ bezeichnet laut Lexikon die Vorgehensweise, große Ziele durch kleine Schritte zu erreichen. Ein Paradebeispiel liefert der Ende 2001 vorgestellte Iveco Stralis. Die erste Generation übernahm noch Technik und Rohkarosserie vom Vorgänger Eurostar, gepaart mit neuer Optik und renoviertem Innenraum. Heraus kam das „Active Space“-Fahrerhaus, anfangs verfügbar in genau einer Größe – laut damaliger Einschätzung von Iveco „nicht zu hoch und nicht zu flach“ und somit universell geeignet.

Das Testfahrzeug, ein Stralis AS 440 S 42 Eco, vereint die Entwicklungsschritte der vergangenen Jahre. Die Hi-Way-Kabine ist die größte von mittlerweile drei Varianten, wobei die Alternativen Hi-Street (kurz) und Hi-Road (lang) nur 2.300 Millimeter Breite aufweisen. Auf Detailarbeiten in den ersten Jahren folgte 2007 der größte Schritt: Das Fernverkehrs-Fahrerhaus legte in Höhe und Länge je rund zehn Zentimeter zu, mit entsprechend mehr Platz, Stauraum und Liegefläche.

Euro 6 bedeutete dann ein Wachstum im Maschinenraum: Der 11,1 Liter große Cursor 11 löste den 10,3-Liter-Motor Cursor 10 ab. 420 PS bilden seither die Einstiegsmotorisierung für den Stralis Hi-Way (dafür steht die 42 in der Typenbezeichnung), 460 und 480 PS stehen mit dem Cursor 11 außerdem zur Wahl. 500 oder 560 PS gibt es mit dem Cursor 13. Allen Varianten gemein ist die „Hi-SCR“ getaufte Technik für Euro 6: Iveco verzichtet auf eine Abgasrückführung (AGR) und setzt allein auf einen Partikelfilter sowie die Nachbehandlung mit Adblue.

Foto: Iveco

Kein Italiener, kein Deutscher – ein Spanier: Vom Band läuft der Iveco Stralis in Madrid.

Optisch ist die Euro-6-Generation durch den neuen Mittelgrill und neue seitliche Windabweiser geprägt. Dabei geriet die Frontklappe länger und muss jetzt vor dem Kippen der Kabine offen stehen. Das Austauschintervall für den Partikelfilter wurde jüngst von 450.000 auf 600.000 Kilometer verlängert. Am hohen Adblue-Verbrauch des Hi-SCR-Verfahrens führt aber kein Weg vorbei. So genehmigt sich das Testfahrzeug mit durchschnittlich 2,48 Litern das Zwei- bis Dreifache eines vergleichbaren Euro-6-Fahrzeugs mit AGR und SCR. Der bisher sparsamste Vertreter dieser Gattung, ein Mercedes Actros 1843 Streamspace mit 10,7-Liter-Motor, kam auf 0,8 Liter Adblue und 34,8 Liter Diesel. Das kontert der Iveco mit einem Durchschnittsverbrauch von nur 33,9 Litern. Jetzt fängt das Rechnen an: Wer Adblue günstig einkauft – für Großabnehmer mit Hoftankstelle sind Literpreise unter 20 Cent drin –, fährt mit SCR-pur günstiger. Zumal beim Iveco verbrauchstechnisch sicher noch Sparpotenzial vorhanden ist, etwa mit einem vorausschauenden Tempomaten oder bedarfsgerecht geregelten Nebenaggregaten.

Beim Leergewicht schlägt sich der Stralis 420 Hi-Way mit rund 7,5 Tonnen wacker, zumal zum 400-Liter-Dieseltank der mit 135 Litern größte lieferbare Adblue-Tank montiert ist – beim erhöhten Bedarf eine sinnvolle Wahl. Wer partout einen Zentner sparen will, kann statt zur serienmäßigen Hochdachausführung zum 50 Kilo leichteren Normaldach greifen. Aus Fahrersicht ist das natürlich wenig wünschenswert. Eine andere Sparmaßnahme ist schon eher zu verkraften: Selbst mit den leichten Ein-Blatt-Federn an der Vorderachse sind beim Stralis wenig Abstriche beim Federungskomfort zu machen, das hat Iveco ziemlich gut im Griff. Zum insgesamt sehr guten Fahrverhalten trägt auch der relativ lange Radstand von 3,80 Metern bei, den die meisten in Deutschland verkauften Stralis-Sattelzugmaschinen aufweisen.

Gut eingerichtetes Fahrerhaus

Für nur elf Liter Hubraum erreicht die Motorbremse mit 506 PS einen stattlichen Wert, allerdings erst bei „lauten“ 2.400 Touren. Beim Testfahrzeug ist die an den roten Bereich grenzende Drehzahl jedoch müßig, da der eingebaute Intarder die meiste Arbeit übernimmt. Die Innengeräusche im Iveco liegen nicht auf allerniedrigstem Niveau, ohne aber unangenehm aufzufallen. Wer noch immer den „Pizzablech“-Parolen nachhängt, wird beim Hi-Way ins Grübeln kommen. Da sind etwa zwei vernünftige Betten: Das untere misst mittig und hinterm Beifahrer 80 Zentimeter Breite und ruht auf einem Lattenrost mit hochstellbarem Kopfteil, das obere ist durchgängig 80 Zentimeter breit und lässt sich mitsamt ausziehbarer Leiter senkrecht an die Wand klappen.

Neben der 25-Liter-Kühlbox rechter Hand enthält die Schublade unterm Bett einen 50-Liter-Kühlschrank – da kann ab Werk kein anderer Hersteller mithalten. Der Fahrersitz ist serienmäßig in Luxus-Ausführung an Bord, abgesehen vom Frontspiegel lassen sich alle Spiegel elektrisch verstellen, ebenso Glashubdach und Sonnenrollo vorne. Am luftgefederten Haus bleiben die Spiegel nahezu vibrationsfrei und auch bei Dauerregen sauber. Zwischen dem (immer noch vorhandenen) Holm in der Seitenscheibe und der A-Säule ist die Sicht nach schräg links an den Spiegeln vorbei gut, rechts ist aber ein ziemlich großer Bereich verdeckt.

Foto: Iveco

Das Display in der Mittelkonsole dient auch als Schaltzentrale für das „Iveconnect“-Telematiksystem.

In der Eco-Version kommen serienmäßig noch Reifendrucküberwachung, Dach- und Seitenspoiler, Achslastanzeige, Klimaautomatik, seitliche Sonnenrollos und zusätzliche Außenstaufächer hinzu (Standard sind die beiden oberen, auch von innen zugänglichen Fächer). „Eco-Switch“ ist ein weiterer Bestandteil des Pakets: An einem Schloss im Beifahrer-Fußraum lässt sich dauerhaft ein Eco- oder Power-Modus einstellen. Für die Testfahrt mit 40 Tonnen entschied sich Iveco für den Power-Modus. Angesichts von nur 1.900 Nm maximalem Drehmoment des kleinen Motors würde das Fahren in der Eco-Stufe an Steigungen doch sehr zur Geduldsprobe werden. So aber schaltet die Getriebesteuerung halbgangweise auf zirka 1.550 Umdrehungen Anschlussdrehzahl und dreht teilweise bis weit über 1.700 Umdrehungen aus.

Mit dieser Strategie geht es dann trotz langer Achse (2,64 zu 1) noch halbwegs flott voran. Aber wer dauerhaft mit hohen Gewichten unterwegs ist, sollte mindestens zum 460-PS-Motor greifen. Der 420er ist zum Beispiel für die Tankstellenbelieferung prädestiniert, wo es im Tagesverlauf von 40 Tonnen in Richtung Leergewicht geht. In solchen Fällen ist auch der Eco-Modus vertretbar, in dem unter anderem in Steigungen schon viel früher wieder hochgeschaltet, der Kick-down deaktiviert und die Geschwindigkeit auf 85 km/h begrenzt wird.

Getriebesteuerung jetzt mit Ecoroll

In die Getriebesoftware hat Iveco als jüngste Neuerung einen Freilauf (Ecoroll) integriert. Die Steuerung funktioniert rein über den Fahrwiderstand, also ohne Neigungssensor. Erweist sich das Gefälle aufgrund schnell steigender Geschwindigkeit als zu steil, legt sich der Gang gleich wieder ein. Das funktioniert gut und sanft, ohne am Lenkrad störend zu wirken. Bei gesetzten 85 km/h im Tempomatbetrieb lässt Ecoroll im Gefälle 5 km/h darüber zu und vor dem erneuten Gasgeben zirka 2 km/h abfallen.

Auf einen oft geäußerten Kritikpunkt hat Iveco jetzt reagiert. So gibt es vorn wieder Öleinfüllstutzen und Peilstab, die Kühlbox ruht auf massiveren Schienen und das Handschuhfach schließt mit Magneten statt Haken. Effekt: Auf der Fahrt knarzt und klappert kaum noch was. Weitergehen soll es bald mit neuen seitlichen Sonnenrollos, die man nicht mehr umständlich über der linken Schulter entriegeln muss. Salamitaktik, es bleibt dabei.

Messwerte und Daten
Dieselverbrauch l/100 km
Gesamte Strecke: 33,9
Schwere Teilstücke: 38,8
Leichte Teilstücke: 28,9
Volllast (5 % Steigung): 91,5
Teillast (bei 85 km/h): k.A. (Baustellen)
Geschwindigkeit km/h
Gesamte Strecke: 80,9
Schwere Teilstücke: 78,9
Leichte Teilstücke: 82,9
Volllast (5 % Steigung): 63,4
AdBlue (l/100 km): 2,48 (7,3 % vom Diesel)
steigungsbedingte Schaltungen: 37
Innengeräusch Ebene (85 km/h): 65,2 dB(A)
Innengeräusch max. (Steigung): 67,5 dB(A)
Fahrgestell/Gewicht
Bereifung vorn/hinten: 315/70 R 22,5
Reserverad j/n: n
Tankgröße Diesel: 400 Liter
Tankgroße AdBlue: 135 Liter
Federung: Ein-Blatt-Parabel/Vier-Balg-Luft
Rahmenstärke: 6,7 mm
Radstand: 3.790 mm
Retarder j/n: j
Leergewicht vollgetankt, mit Fahrer: 7.505 kg
Testgewicht: 39.500 kg
Motor
Reihensechszylinder (Cursor 11) mit Turbolader (mit variabler, elektronisch gesteuerter Geometrie) und Ladeluftkühlung, einteiliger Zylinderkopf, vier Ventile pro Zylinder, Common-Rail-Einspritzung
Abgasnorm: Euro 6
SCR j/n: j
AGR j/n: n
Bohrung: 128 mm
Hub: 144 mm
Hubraum: 11.118 ccm
Leistung: 309 kW (420 PS) bei 1.550 bis 1.900/min
Max. Drehmoment: 1.900 Nm bei 900 bis 1.550/min
Motorbremse: 372 kW bei 2400/min
Getriebe/Achse
ZF 12 AS 1930 TD; automatisiertes Zwölfgang-Getriebe, Direktgangausführung
Übersetzung HA: 2,64
U/min bei 85 km/h (größter Gang): 1.212
Fahrerhaus
Stralis Hi-Way, Vier-Punkt-Luftfederung
Außenbreite/-länge: 2.490/2.280 mm
Einstiegsstufen: 3
Einstiegshöhe: 1.370 mm
Scheibe/Rückwand: 2.070 mm
Innenhöhe vor Sitz: 2.250 mm
Innenhöhe Mitte: 2.000 mm
Höhe Motortunnel: 200 mm
Liege unten (B x L): 670-800 x 2.200 mm
Liege oben (B x L): 790 x 1.940 mm

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